Berlin. – Brasilien freut sich auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2014, die vom 12. Juni bis 13. Juli ausgetragen wird. Das fußballverrückte südamerikanische Land ist nach 64 Jahren zum zweiten Mal Gastgeber. Nach Angaben der Beraterfirma BDO erwartet der Weltfußballverband FIFA mit der Realisierung der WM 2014 in Brasilien die Rekordeinnahme seiner Geschichte: Nicht weniger als fünf Milliarden US-Dollar (ca. zehn Mrd. brasilianische Real) sollen in die Kassen der Organisation gehen.
Damit erhofft sich der Weltfußballverband eine Steigerung um rund 36 Prozent gegenüber den Einnahmen von knapp 3,7 Milliarden US-Dollar bei der letzten Weltmeisterschaft in Südafrika. Im Vergleich zu den Einnahmen von rund 2,3 Milliarden US-Dollar bei der FIFA-WM 2006 in Deutschland könnte die FIFA sogar eine Steigerung von satten 110 Prozent verzeichnen.
Die Vorausberechnung berücksichtigt die Haupteinnahmequellen der Organisation: Fernseh-Übertragungsrechte, Sponsoring und Lizenzvergaben.
Die Übertragungsrechte stellen die größte Einnahmequelle des Fußballverbandes dar, gefolgt von Sponsoring. Für die Weltmeisterschaft 2014 hat der Verband die Unterstützung von 20 Unternehmen, um das Ereignis zu fördern: Adidas, Sony, Coca Cola, Visa, die Fluggesellschaft Emirates, Hyundai/Kia-Motors sind bereits dauerhafte FIFA-Partner, andere Konzerne sponsern speziell die WM in Brasilien: McDonalds, Oi, Budweiser, Castrol, Continental Yingli Solar, Moypark, Johnson & Johnson, und die nationale ApexBrasil, Centauro, Garoto, Itaú, Liberty Seguros, Wise Up.
Die FIFA muss in Brasilien keine Steuern für ihre WM-Aktivitäten bezahlen. Der Verband genießt eine Steuerbefreiung in Höhe von rund 559 Millionen brasilianischen Real. Die meisten Kosten der Vorbereitung und Ausrichtung des Turniers müssen die brasilianischen Steuerzahler übernehmen.
PROTESTBEWEGUNG NIMMT FAHRT AUF
Im Vorfeld des Confederations Cup gab es bereits starke Kritik an der FIFA von seiten der brasilianischen Bevölkerung. Die Realisierung von Mega-Sportereignissen wie der Fußball-WM 2014 in Brasilien und der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro stehen in direkter Beziehung zum Ausbruch teilweise gewaltsam unterdrückter Proteste im vergangenen Juni. Die Protestwelle richtete sich zunächst gegen Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr. Aber der Zusammenhang der sozialen Unruhen mit der WM war offensichtlich, da der Ausbau der Infrastruktur in den Austragungsstädten den Fußball als „großes Geschäft“ ins Licht der Öffentlichkeit rückte.
Seit 2009 – im Zuge die Vorbereitungsarbeiten für die Fußball-WM und Olympischen Spiele – wurden in den zwölf Austragungsstädten Bürgerrechtskomitees (Comitês Populares da Copa e da Olimpíada) gegründet. Sie setzen sich aus nichtstaatlichen Organisationen (NGOs), Akademikern, Menschenrechtlern, sozialen Bewegungen und Opfern von Zwangsräumungen und Umsiedlungen für den Bau oder Umbau von Stadien und anderen öffentlichen Einrichtungen für die WM und Olympischen Spiele zusammen.
DAS ANTI-TERRORISMUS-GESETZ (PLS 499/13)
Nach dem Tod des Kameramanns Santiago Andrade, der von einen Sprengsatz während eines Protests gegen Fahrpreiserhöhungen in der Stadt Sao Paulo in Januar 2014 tödlich verletzt wurde, arbeiteten Politiker einen Gesetzentwurf aus, der demnächst im Parlament zur Abstimmung kommen soll. Das Anti-Terror Gesetz soll dazu dienen, gewalttätige Demonstrationen während der WM zu verhindern.
Das Gesetzt nennt als typischen Akt des Terrorismus: „Das Provozieren oder Verbreiten von Terror oder Panik, durch Beleidigung oder Verstöße gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, Gesundheit oder den Freiheitsentzug einer Person“ und legt die Strafe fest: 15 bis 30 Jahre Haft oder 24 bis 30 Jahre Haft, wenn die Tat den Tod einer Person zur Folge hat. Auch Personen, die die terroristische Verbrechen finanzieren, sollen bestraft werden Der Gesetzentwurf ist strenger gefasst als das Nationale Sicherheitsgesetz während der Militärdiktatur, das zum Ziel hatte, politische Bewegungen zu unterdrücken.
Kritiker des Gesetzes warnen vor einer Kriminalisierung der sozialen Bewegungen und verweisen auf den sehr vagen und allgemein gehaltenen Wortlaut des Textes, der viele Spielräume für die Bewertung terroristischer Akte lässt. Für den Rechtsanwalt und Präsidenten des Instituts für Menschenrechte (DDH), Joao Tancredo, ist das Ziel des Gesetzes eindeutig. Es solle sämtliche Demonstrationen gegen die Regierung und gegen private Unternehmen unterdrücken, „die riesige Gewinne aus der WM ziehen werden“. Der Versuch, „die Gedanken der Protestler zu unterdrücken“, verletze die Demokratie, erklärte Tancredo.
Polizeiliche Repressionen sollen hingegen nicht strenger bestraft werden. „Articulação Nacional dos Comitês Populares da Copa“ (ANCOP) nennt sich der Dachverband der Basiskomitees. Er prangert Verstöße gegen die Menschenrechte an, die in der Vorbereitungsphase der WM begangen wurden, und fordert von der Regierung eine Wiedergutmachung. Unter dem Motto „Ohne Menschenrechte wird keine WM stattfinden“ fordern die Aktivisten eine „soziale WM“.
epo.de-Mitarbeiterin
Samara dos Santos (29)
ist Brasilianerin
und studiert derzeit
an der Universität Hannover
Diplom-Sozialwissenschaften.
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