pro asyl 100Frankfurt/Main. - Die Flüchtlingsorganisation PRO ASYL stellte am Mittwoch in Frankfurt das Ergebnis ihrer Analyse eines Vorfalls vor, in dem drei Frauen und acht Kinder im Schlepptau der griechischen Küstenwache starben. Ein mit 27 Flüchtlingen aus Afghanistan und Syrien besetztes manövrierunfähiges Boot sank im Schlepptau der griechischen Küstenwache am 20. Januar 2014 vor der griechischen Insel Farmakonisi.

Die Überlebenden werfen der griechischen Küstenwache vor, sie seien bei stürmischer See mit hoher Geschwindigkeit zurück in Richtung Türkei gezogen worden. Die Küstenwache behauptet, sie hätte das Boot mit langsamer Fahrt in Richtung Farmakonisi geschleppt. Die Flüchtlinge schildern eine Push-Back-Operation (illegale Zurückschiebung), die griechischen Behörden behaupten, eine Seenotrettungsmaßnahme durchgeführt zu haben.

Der griechische Außenminister Evangelos Venizelos versprach in einer Debatte im Europaparlament am 5. Februar 2014  eine lückenlose Aufklärung der Todesfälle von Farmakonisi. Laut der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL geschah dies jedoch nicht. Im Gegenteil: Jetzt hat die für die Marine zuständige Staatsanwaltschaft beschlossen, den  Farmakonisi-Fall  zu den Akten zu legen. Damit wird bleibt auch eine Anklage gegen die beteiligten Beamten der Küstenwache aus. Tenor der Staatsanwaltschaft: Die Aussagen der 16 Überlebenden seien unglaubwürdig. Push-Backs gebe es grundsätzlich nicht.

PRO ASYL kommt zu dem Ergebnis, dass eine lückenlose Aufklärung nie stattgefunden hat, stattdessen gab es offenkundig massive Vertuschungen von Seiten der griechischen Behörden. So wurden etwa Aufzeichnungen über Zeitabläufe der Operation der Küstenwache im Nachhinein verändert. In den gesamten Ermittlungsakten tauchen keine relevanten technischen Aufzeichungen auf. Angeblich gebe es weder GPS-Daten noch Radaraufzeichnungen, keine Dokumentation der Telefon- und Funkkommunikation und auch keine Bildaufzeichnungen. Ob die Seenotregeln beachtet worden sind, wurde gar nicht erst untersucht.

"Im Jahr 2014 sterben elf Frauen und Kinder an der hochgerüsteten EU- Außengrenze, angeblich ohne dass dies eine technische Spur hinterlässt. Verletzungen von elementaren Seenotregeln werden gar nicht erst untersucht - ein himmelschreiender Justizskandal", befindet Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL. "Die Einstellung des Verfahrens stellt eine Verhöhnung der Opfer und ihrer Familienangehörigen dar. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung".

Ein griechisches Anwaltsteam bereitet aktuell eine Klage gegen Griechenland vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg vor. PRO ASYL unterstützt die Klage aus seinem Rechtshilfefonds. Bereits seit dem 24. Januar unterstützt PRO ASYL die Überlebenden rechtlich und humanitär und hat zahlreiche Gespräche mit insgesamt 15 Zeugen geführt.

Quelle: proasyl.de


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