Radios in NigerNiamey (epo). - Nohou Soumana ist ein vielbeschäftigter Mann. Will man ihm in die Augen schauen, muss man ganz genau hinsehen, um das Weiße zu sehen zwischen den halbgeschlossenen Lidern. Er wirkt fast immer nachdenklich, hin- und hergezerrt zwischen seinen vielen Verantwortungen. Denn seit Monaten ist viel zu tun beim Aufbau der Gemeinschaftsradios im westafrikanischen Land Niger. Der 32jährige Lehrer ist auf diversen "Baustellen" in Aktion. Und doch geht ihm die gute Laune nicht aus.

Nouhou Soumana ist u.a. Direktor des Vorzeige-Gemeinschaftsradios des Niger, des Radio Goudel nahe dre Hauptstadt Niamey. Diese Radiostation fungiert seit Jahren als Hauptproduktionsstätte für Kassetten der Gemeinschaftsradios des Landes. Und es betreibt eine Art Kassetten-Datenbank. Die Themen dieser Kassetten betreffen häufig Fragen der Gesundheit, der Bildung oder der Regelung sozialer Konflikte.

Die nicht-kommerziellen ländlichen Radios hingen seit ihrer Gründung in den letzten drei Jahren überwiegend an der kurzen Leine der den Start finanzierenden internationalen Organisationen, etwas des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) oder Africare, die sich im "Committe de Pilotage de Radio de Proximite (CPRP)" zusammengeschlossen hatten.

Nach zwei Jahren Anlauf haben die Radios in den letzten Monaten allerdings die Gründung von acht regionalen Radio-Netzwerken in allen Teilen des Niger geschafft - mit Soumana als Vertreter seiner Region. Im September gelang die fast ebenso lange anvisierte Gründung einer nationalen, über die regionalen Koordinationen legitimierte Repräsentanz dieser Radios und die Auflösung des CPRP.

Wer anders als Nouhou Soumana kam für diese Aufgabe in Frage? Immerhin war er über die Jahre auch schon Direktor der (sehr schwachen) nationalen Vorgängerstruktur der Radios und einziger Anspechspartner der internationalen EZ-Organisationen auf nationaler Ebene gewesen.

Gemeinschaftsradio Niger
 Nouhou Soumana beim Einsatz von EIRENE-Technik. Foto ? Erhard Brunn

Bei der niederländischen Schwesterorganisation des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED), SNV, ist Soumana im Förderprogramm für junge Führungskräfte des Niger. Und bei den ersten Kommunalwahlen des Landes im Juli 2004 war er zum Gemeinderat gewählt worden, konnte sich auch wenige Tage als Bürgermeister einer der fünf Stadtteile der Hauptstadt Niamey fühlen. Wie andere junge und unabhängige Kandidaten wurde ihm diese Position aber durch Polittricks der "alten Garde" schnell abgejagt. Aber er hat auch sonst noch genug zu tun.

In der staatlichen Planung für die Entwicklung der ländlichen Gebiete des Landes, die aus dem Jahr 1999 stammt, spielen die Gemeinschaftsradios eine erhebliche Rolle. Der nigrische Staat, UNO-Organisationen und bilaterale Finanziers sehen in ihnen - über die Verstärkung der lokalen und regionalen Kommunikation und Interaktion - einen Motor der Entwicklung vor allem der abgelegenen Regionen.

Etwas mehr als 80 Stationen entstanden seitdem, 200 sollten es eigentlich sein. Aber da die bestehenden Radios mit vielen Problemen zu kämpfen hatten, wurde im September 2003 von Informationsministerium, internationalen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und kommunalen Radiovertretern gemeinsam eine Unterbrechung dieser ersten Gründungsphase beschlossen. Eine Konsolidierungsetappe soll folgen.

Aufgrund des im Jahr 2004 gestarteten Prozesses der Dezentralisierung und Kommunalisierung könnten die Radios jetzt aufblühen. Wer sonst könnte besser als sie den Informationsfluss innerhalb der neuen Kommunen garantieren, erklären wie die Kommune funktionieren soll, welche Entscheidungen durch den Gemeinderat getroffen wurden, die Meinung der Bevölkerung an diesen und den Bürgermeister zurücktragen? "Das Radio als unabhängiges Organ in der Kommune wäre das Ideal", so Soumana.

Er sieht aber die Gefahr, dass einige der neu gewählten Bürgermeister die Radios als "ihr Radio" ansehen und die Rundfunksender an einer unabhängigen Berichterstattung hindern. Doch woher sollen die Radios die Finanzierung für die tägliche Arbeit bekommen? Die internationalen Organisationen haben bei der Geburt geholfen, sehen sich aber nicht in der Verantwortung für die weitere Arbeit der Radios. Und die Kommunen haben oft kaum Geld, sich um die notwendigste Infrastruktur zu kümmern.

Im Februar lud Soumana gemeinsam mit einem regionalen Projekt von EIRENE die Radiosender seiner Region zu einem Radioworkshop ein. Das Thema: "Friedesnberichterstattung". Denn nördlich der Hauptstadt Niamey gibt es sowohl ethnische Konflikte als auch solche zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern, was sich weitgehend deckt. Zudem schloss EIRENE eine Vereinbarung über eine langfristige Koperation mit den Radios, um deren Berichterstattung für die De-Eskalation der Konflikte zu nutzen.

Beim Workshop hinterließ der EIRENE Radio-Experte für den Sahel, Martin Zint, einfaches, aber für die Verhältnisse eines nigrischen ruralen Radios doch hervorragendes Material zum Produzieren von Kassetten: "Noch nie hat mir ein einzelner ausländischer Experte so schnell so viel geholfen, wie Martin mit diesem PC und dem Programm für Radioproduktionen darauf", schwärmt Soumana seitdem.

Erster Nutzniesser der Technik war das LUCOP (Lutte Crontre la Pauvrete), das Gemeinschaftsprogramm von DED, GTZ und KfW zur Bekämpfung der Armut im ländlichen Raum des Niger. Es setzt im Prozess der Kommunalisierung auf rurale Radios.

In der Folge wurden gemeinsam mit Nouhou Soumana und dem Radio Goudel die Basis-Kassetten zum Thema Dezentralisierung erarbeitet. Sie behandeln unter anderem die Erfahrungen des LUCOP mit der Erarbeitung kommunaler Entwicklungspläne (PCDs) für die im Entstehen begriffenen Gemeinden.

Die Kassette von 15 Minuten Länge zeigt den Prozess der Gestaltung eines solchen PCDs. Und die Bürgermeister verschiedener Gemeinden schildern ihre ersten Erfahrungen in dem Prozess.

Eine Staffel anderer Kassetten führt in die Grundlagen der Dezentralisierung ein. Die Kassetten, aufgenommen in den vier Hauptsprachen des Landes, wurden seitdem in allen ruralen Radios der Interventionszone des LUCOP viele Male gespielt.

Der Autor, Erhard Brunn, war in den Jahren 2003/2004 Berater für Informationsarbeit im Projekt LUCOP im Niger.

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