Berlin. - Die Ärzteorganisation IPPNW  hat am Dienstag den Beschluss der Innenministerkonferenz, an den Abschiebungen nach Afghanistan festzuhalten, kritisiert. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein ursprünglich für Mittwoch geplanter Abschiebeflug demnächst stattfinden soll, obwohl die Innenminister aus Bund und Ländern das Auswärtige Amt aufgefordert haben, im Juli 2017 eine Neubewertung der Sicherheitslage vorzulegen.

Alle einschlägigen ExpertInnen warnen, dass Krieg und Terror eine fast täglich wachsende Bedrohung des Lebens der Menschen dort sind. Dennoch
wollen die Innenminister der Länder die sogenannte freiwillige Rückkehr afghanischer Flüchtlinge weiter fördern und "Gefährder, Straftäter und Ausreisepflichtige, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern", nach sorgfältiger Einzelfallprüfung immer noch nach Afghanistan abschieben.

Bei den bisherigen fünf Sammelabschiebungen waren aber keineswegs nur Straftäter und Gefährder an Bord der Flugzeuge nach Kabul. IPPNW-Ärzte und -Ärztinnen wissen von Kranken, von gut integrierten Menschen mit Arbeit und jahrelangem Aufenthalt in Deutschland, die gegen den Widerstand vieler UnterstützerInnen abgeschoben worden sind. Die angebliche sorgfältige Einzelfallprüfung fand nicht statt. Mitglieder des IPPNW-Arbeitskreises „Flüchtlinge und Asyl“ stellen zudem fest, dass sich die Spur vieler Abgeschobener nach kurzer Zeit verliert. Eine in den meisten Fällen dringend erforderliche medizinische oder soziale Unterstützung haben sie nicht erhalten. Die IPPNW protestiert zudem gegen Dublin-Abschiebungen afghanischer Geflüchteter nach Norwegen, da dieses Land auch Familien mit Kindern und Schwerkranke skrupellos nach Afghanistan schickt. Bereits im letzten Jahr wurden aus Norwegen abgeschobene Kleinkinder bei einem Selbstmordanschlag in Kabul verletzt.

"Wir IPPNW-Ärzt/innen legen großen Wert auf die Feststellung, dass auch Straftäter ein unteilbares Recht auf Leben und menschenwürdige Behandlung haben. Diese Selbstverständlichkeit darf durch nichts in Frage gestellt werden. Eine Todesstrafe durch die Hintertür darf es nicht geben. Wir werden den Plan der Innenminister nicht hinnehmen, Menschen abzuschieben, bevor eine Neubewertung der Sicherheitslage durch das Auswärtige Amt vorliegt. Diese muss die Realität und die Einschätzungen internationaler Organisationen angemessen berücksichtigen", erklärte IPPNW-Ärztin Dr. Gisela Penteker.

Die Innenminister argumentieren, dass ein Abschiebestopp ein falsches Signal nach Afghanistan sei und den Schleppern in die Hände arbeiten würde. "Wichtiger als ständig über Abschiebung zu diskutieren und den Eindruck zu erwecken, die meisten Geflüchteten seien Gefährder, Kriminelle und Identitätsverschleierer, wäre es aber, legale Zugangswege nach Europa zu schaffen und ein Einwanderungsgesetz in Deutschland zu diskutieren", so Penteker. Deutschland solle sich in der Flüchtlingspolitik ein Beispiel an Uganda nehmen, wo Flüchtlinge selbstverständlich ein Bleiberecht haben.

IPPNW-Ärztinnen und -Ärzte erleben hautnah, wie afghanische PatientInnen leiden, wie sie an der Angst vor Abschiebung psychisch krank werden. Diese Angst retraumatisiert sie, auch in den Bundesländern, die sich bisher an Abschiebungen nach Afghanistan nicht beteiligen. Um sich hier zu integrieren, um hier oder auch bei einer später vielleicht möglichen Rückkehr gut gerüstet zu sein, brauchen sie vor allem Sicherheit, Bildung und Ausbildung.

Afghanistan ist nicht sicher, nirgends. Afghanen haben entgegen der politischen Vorgabe eine gute Bleibeperspektive. Sie sollten von Anfang an Anspruch auf Integrationskurse haben und das deutliche Signal erhalten, dass sie hier willkommen und sicher sind. Das wäre auch die beste Vorbeugung gegen Radikalisierung und Kriminalität, so IPPNW.

Quelle: ippnw.de


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