kolumbien iconBerlin. - Ein Jahr nach Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen FARC und kolumbianischer Regierung ist die humanitäre Situation in vielen Teilen Kolumbiens spürbar schlechter als im vergangenen Jahr. Regelmäßig komme es zu neuen Vertreibungen und gezielten Tötungen, den Menschen fehlten sichere Unterkünfte, ausreichend Nahrungsmittel und der Zugang zu sauberem Wasser, berichtete die Diakonie Katastrophenhilfe. Auch Caritas international, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, zog eine gemischte Bilanz nach einem Jahr Frieden.

"Die Kolumbianerinnen und Kolumbianer haben 50 Jahre auf den ersehnten Frieden warten müssen und warten bis heute. Ein Frieden, der nur auf dem Papier existiert, schützt keine Menschenleben", sagte Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe.

Auch für humanitäre Hilfsorganisationen habe sich die Lage in Kolumbien zuletzt wieder verschlechtert, da es aus Sicherheitsgründen in einigen Gebieten unmöglich sei, die Menschen zu erreichen, so die Diakonie Katastrophenhilfe. Gleichzeitig sei zu beobachten, dass die Mittel für humanitäre Hilfe insgesamt deutlich reduziert wurden. "Es ist wichtig, dass die Helfer im Land bleiben und sich nicht zurückziehen. Denn der Bedarf ist weiterhin immens", so Füllkrug-Weitzel. "Wenn ganze Dörfer von bewaffneten Gruppen vertrieben werden, brauchen die Menschen weiterhin direkte und schnelle Soforthilfe." 

Diakonie Katastrophenhilfe und Europäische Union unterstützen ein Projekt für Menschen in bedrohten Regionen. Im Notfall müssen sie imstande sein, selbst Schutzmaßnahmen zu ergreifen und die ersten Tage nach einer Vertreibung zu überstehen. Dazu erhalten sie Bargeldhilfen, Trainings und Vorräte an Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln. Aber sie bekommen auch psychologische Unterstützung dabei, die durch Gewalt und Flucht erlittenen Traumata aufzuarbeiten, damit sie wieder nach vorne blicken und ihren Beitrag zum Neuanfang leisten können. 

Ein besonderes Augenmerk der Diakonie Katastrophenhilfe und ihrer Partner im Land liegt auf den Gebieten, die von der FARC dominiert waren und laut Friedensvertrag von ihr verlassen werden müssen. Andere bewaffnete Gruppen drängen in diese Gebiete und bedrohen Menschen, die nach jahrelanger Vertreibung in ihre Heimat zurückkehren. Sie füllen ein politisches und soziales Vakuum in Regionen mit schwacher Infrastruktur, etwa indem sie Jugendlichen "Arbeit" – beispielsweise im Drogenschmuggel – anbieten. 

"Kinder und Jugendliche sind in Konflikten immer besonders gefährdet. In Kolumbien schulen wir sie mit unserem Partner darin, sensibel für solche und andere Missbrauchsrisiken zu werden, sich vor bewaffneten Gruppen zu schützen und Gewalt zu widerstehen", erklärte Martin Keßler, Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe. "Was junge Menschen in Kolumbien jetzt am meisten brauchen, sind Perspektiven abseits der Gewalt."

Der Bürgerkrieg in Kolumbien dauerte 50 Jahre und kostete mehr als 220.000 Menschen das Leben. Sieben Millionen Menschen wurden im eigenen Land vertrieben. Vor einem Jahr unterzeichnete die kolumbianische Regierung ein Friedensabkommen mit der FARC-Guerilla.

"Es bewahrheitet sich, dass der Friedensvertrag nur der Auftakt für einen Friedensprozess war, der noch lange Zeit eines großen Engagements von allen Beteiligten bedarf", erklärte Claudio Moser, Referatsleiter Lateinamerika bei Caritas international. Die Entwaffnung von 7.000 Kämpfern der FARC sei ein historischer Schritt auf dem Weg zum Frieden. Zugleich beobachte die Caritas jedoch mit großer Sorge, dass Vertreter der Zivilgesellschaft zunehmend zur Zielscheibe von Gewalt und Übergriffen werden, weil sie aufgrund ihres Engagements für die Belange der Bevölkerung den Machtkämpfen bewaffneter Gruppen im Wege stehen. Zuletzt war Ende Oktober im Südwesten des Landes ein Caritas-Mitarbeiter erschossen worden.

Das Machtvakuum, das durch den Rückzug der FARC vor einem Jahr entstanden ist, wird in Kolumbien vielerorts durch bewaffnete Banden ausgefüllt. Die Staatsgewalt ist in vielen Teilen des Landes oft nicht präsent oder trägt selbst zur Gewalt bei. "Katholische Kirche und Caritas unterstützen den Friedensprozess mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Wir erwarten aber auch, dass der Friedensprozess staatlicherseits adäquat begleitet wird und gewalttätige Übergriffe auf die Zivilbevölkerung durch rivalisierende bewaffnete Gruppen unterbunden werden. Derzeit ist der Staat in vielen umkämpften Regionen zu wenig präsent. Vertreter von Kirche und Zivilgesellschaft sind deshalb vielerorts auf sich allein gestellt", warnte Lateinamerika-Experte Claudio Moser.

Am Donnerstag, 23. November, findet in den Räumen des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung in Berlin eine Diskussionsveranstaltung zu den neuen Herausforderungen für die humanitäre Hilfe angesichts der aktuellen Situation in Kolumbien statt. Auf dem Podium sitzen u.a. MdB Frank Schwabe und Anke Reiffenstuel, Leiterin des Referats S09 im Auswärtigen Amt. 

Quelle: www.diakonie-katastrophenhilfe.de 


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