Worldwatch Bericht 2006Berlin (epo). - Nur durch die Entkoppelung von Wachstum und Energieverbrauch lassen sich die globalen Herausforderungen meistern, die mit dem Aufstieg Chinas und Indiens zu wirtschaftlichen und politischen Großmächten verbunden sind. Darauf hat die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul am Donnerstag bei der Vorstellung der deutschen Ausgabe des "Berichts zur Lage der Welt 2006" des Worldwatch-Institutes hingewiesen. Der Verwaltungsratsvorsitzende des renommierten Washingtoner Instituts, Oystein Dahle, forderte ein Umdenken hinsichtlich des bisherigen Produktions- und Konsumverhaltens. Der Ressourcenverbrauch müsse auf ein Zehntel des derzeitigen Standes gesenkt werden, sagte Dahle vor der Presse in Berlin.

Der Bericht "Zur Lage der Welt 2006. China, Indien und unserem gemeinsame Zukunft" analysiert den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg Chinas und Indiens sowie die zunehmend spürbaren Auswirkungen auf die globale Umwelt und Entwicklung. Die Weltbevölkerung sei in den vergangenen 50 Jahren von 2,8 auf 6,3 Milliarden Menschen angewachsen, die Zahl der Autos habe sich von 90 auf 580 Millionen vervielfacht, sagte Dahle. Trotz eines beispiellosen Wirtschaftsbooms verbrauche China mit 1,9 Barrel pro Kopf und Jahr aber noch immer wesentlich weniger Öl als Deutschland (2,6) oder die USA, die zwölf Mal so viel verbrauchen wie China.

Die weltweiten Ökosysteme und Ressourcen sind einfach nicht hinreichend, um die heutigen Volkswirtschaften des industrialiellen Westens zu erhalten und gleichzeitig mehr als 2 Milliarden Menschen den Zutritt zur globalen Mittelklasse zu ermöglichen, nach demselben ressourcenintensiven Modell, das Nordamerika und Europa geschaffen haben", heißt es in dem Bericht. " In den kommenden Jahrzehnten werden wir entweder Wege findne, die menschlichen Bedürfnisse auf der Basis neuer Technologien, neuer Politik und neuer kultureller Werte zu befiredigen, oder der Anfang des Zusammenbruchs der Weltwirtschaft steht bevor."

"Wir brauchen eine andere Vorstellung davon, was Reichtum und was Lebensqualität ist", sagte Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich Böll Stiftung. Er warnte vor der "Gefahr eines globalen Ressourcen-Imperialismus" und forderte "den Quantensprung ins Solarzeitalter".

Weiter sagte Fücks: "Der beispiellose Aufstieg Chinas und auch Indiens zu Wirtschaftsmächten ersten Ranges fasziniert und erschreckt zugleich: die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind enorm, die sozialen Ungleichgewichte und ökologischen Belastungen dieses rasanten Wachstums jedoch auch. Zudem produziert die globale Ressourcensicherung der neuen und alten Mächte ohne Rücksicht auf menschenrechtliche oder ökologische Bedenken auch außenpolitische Konflikte - etwa wenn China mit repressiven Regimes wie dem Iran oder Sudan kooperiert und damit Sanktionen der internationalen Staatengemeinschaft unterläuft. Mit spitzem Finger auf China zu zeigen ist jedoch nicht hilfreich, denn er zeigt unmittelbar auf uns zurück."

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sagte, China und Indien würden aufgrund ihres ökonomischen und politischen Gewichts die künftige Weltordnung mitbestimmen. Angesichts der ökologischen Kosten des Wirtschaftsbooms, des immensen Energiebedarfs, der Massenarmut und der sozialen Disparitäten in beiden Ländern sei es wichtig, im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit gemeinsame Lösungen zu finden. Deutschland sei aufgrund seiner Vorreiterrolle im Bereich der Erneuerbaren Energien und der Verbesserung der Energieeffizienz der richtige Partner. Das ambitionierte Ausbauprogramm Chinas für erneuerbare Energien biete hierfür gute Ansatzpunkte.

Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch, wies besonders auf die Verantwortung der deutschen Politik und Wirtschaft hin: "Im Wechselspiel zwischen Geschäft und Verantwortung können gerade auch deutsche Unternehmen dazu beitragen, dass in China und Indien die Fehlentwicklungen der industrialisierten Staaten vermieden und hohe soziale und ökologische Standards breit verankert werden. So können sie unter Beweis stellen, dass sie es mit 'Corporate Responsibility' - Unternehmensverantwortung - ernst meinen. Unternehmerische Freiheiten können nur gefordert werden, wenn Unternehmen auch Menschenrechte achten, um ihnen - wie im Falle Chinas - damit stärker zum Durchbruch zu verhelfen."

Oystein Dahle verwies darauf, dass der neueste Fünfjahresplan der chinesischen Regierung deutlich mehr Gewicht als bisher auf den Abbau der enormen sozialen Spannungen und den Schutz der Umwelt lege. Es gebe Indizien für eine gedankliche Trendwende in China. Ministerin Wieczorek-Zeul sagte, in China seien bereits mehr als 2.000 Umwelt-NGOs tätig.

Die Ministerin sagte weiter: "Der Bericht macht deutlich, dass wir in der internationalen Staatengemeinschaft gemeinsame Lösungen für globale Herausforderungen wie den Klimawandel, den wachsenden Energiebedarf und Bekämpfung der Armut finden müssen. Dazu gehört es auch, mit China und Indien zusammenzuarbeiten, denn sie haben eine Schlüsselrolle für die Lösung globaler Probleme." Die Zusammenarbeit mit den "Ankerländern" China und Indien sei Teil der globalen Struktur-, Ressourcen- und Klimapolitik der Bundesregierung.

Die deutsche Ausgabe von "State of the World 2006. Special Focus: China and India." vom Worldwatch Institute unter Mitherausgeberschaft von Germanwatch und der Heinrich-Böll-Stiftung ist unter dem Titel "Zur Lage der Welt 2006. China, Indien und unsere gemeinsame Zukunft" im Verlag Westfälisches Dampfboot erschienen. Mit einem Vorwort von Xie Zhenhua, Direktor des staatlichen chinesischen Umweltschutzamtes und Sunita Narain, Direktorin des indischen Zentrums für Wissenschaft und Umwelt. (Münster, 324 S., 19,90 Euro, ISBN 3-89691-628-9)

Worldwatch Institute
Heinrich-Böll-Stiftung
Germanwatch
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)


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