Trockengebiet in China. Foto: UFZNairobi (epo.de). - Damit der globale Klimawandel nicht zur Vernichtung der Lebensgrundlage von vielen Millionen armer Menschen im Süden der Welt führt, sind umgehend vielfältige Maßnahmen erforderlich, insbesondere Schritte zur Begrenzung der Erderwärmung sowie gleichzeitig Initiativen, die es den besonders bedrohten Menschen erlaubt, mit nicht mehr zu verhindernden Klimaveränderungen fertig zu werden. Zu diesem Ergebnis ist Brot für die Welt in einem Studienprozess gekommen, der kurz vor dem Abschluss steht. In die Studie sind wissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch die Überlegungen von Partnerorganisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika eingeflossen. Beim Weltsozialforum in Nairobi/Kenia vom 20.-25. Januar 2007 wurden erste Ergebnisse dargestellt und diskutiert.

Brot für die Welt hat sich beim ersten Weltsozialforum in Afrika an einem breiten ökumenischen Bündnis beteiligt und mehr als 100 Mitglieder von Partnerorganisationen und anderen kirchlichen Organisationen und sozialen Bewegungen eingeladen, um es ihnen zu ermöglichen, am globalen Dialog über Zukunftsfragen wie die Ernährungssicherung mitzuwirken.

Bernhard Walter, Landwirtschaftsreferent von Brot für die Welt, erläuterte bei einer Veranstaltung des Weltsozialforums zu den Ergebnissen der Studie, dass ein Schwerpunkt der Untersuchung auf der Frage liegt, wie sich der Klimawandel auf jene Menschen in Afrika. Asien und Lateinamerika auswirkt, deren Ernährung ohnehin am stärksten gefährdet ist. Verbunden damit ist die Frage, wie Projekte so gestaltet werden können, dass die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf diese Bevölkerungsgruppen so gering wie möglich bleiben.

Michael Windfuhr, der Leiter des Teams Menschenrechte von Brot für die Welt, erklärte in Nairobi, dass im Rahmen der Studie die verfügbaren Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen der Klimaveränderungen auf Afrika ausgewertet werden und gleichzeitig analysiert wird, welche Kapazitäten die afrikanischen Staaten haben, auf diese Probleme zu reagieren. Er erläuterte: "In den vorliegenden Studien wird kaum diskutiert, welcke Konsequenzen die Klimaveränderungen in einzelnen Regionen und Ländern auf die Ernährungssicherheit haben werden."

Als Perspektive der Studie nannte Michael Windfuhr: "Verhindert alles, was nicht mehr gehandhabt werden kann und handhabt das Unvermeidliche." Wenn sich die globale Temperatur um mehr als zwei Grad Celsius erhöhen sollte, wären die Konsequenzen wahrscheinlich so gravierend, dass sie nicht mehr beherrscht werden können. "In unserer Lobby- und Advocacyarbeit, in unserem persönlichen Verhalten und in der Klimapolitik müssen wir alles tun, damit die Erderwärmung zwei Grad nicht überschreitet. Gleichzeitig müssen wir intensiv planen, wie wir mit dem umgehen, was unvermeidlich geschehen wird."

KLEINBAUERN BESONDERS BETROFFEN

Im Blick auf die Auswirkungen dieser Klimaveränderungen auf die Ernährungsicherheit ist es, so betonte Windfuhr, sehr wichtig, nicht nur die globale und nationale Situation im Blick zu haben, sondern auch zu untersuchen, welche Haushalte besonders gefährdet sind zu Opfern der Veränderungen zu werden. Die Anpassungspolitik auf die globalen Veränderungen muss diese Menschen in den Mittelpunkt stellen. In Afrika sind dies vor allem die marginalisierten Kleinbauernfamilien. Viele von ihnen sind bereits heute von extremen Klimaverhältnissen betroffen, und sie werden die ersten sein, die zu Opfern der Klimaveränderungen werden. Ein Problem bei der Suche nach Lösungen ist, so Michael Windfuhr, dass diese Bauernfamilien bisher keine Rolle in der Landwirtschaftspolitik vieler Staaten spielen und kaum von staatlichen Lamdwirtschaftsberatern unterstützt werden.

Der Brot für die Welt-Referent stellte bei dem Seminar dar, dass eine Klimaerwärmung von weniger als einem Grad vermutlich nur bgrenzte Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit haben wird, und mit diesen Auswirkungen lässt sich umgehen. Wenn die Temperatur hingegen zwischen zwei und drei Grad zunimmt, wird die Zahl der Hungernden vermutlich um 45 bis 75 Millionen Menschen steigen. Bei einem Temperaturanstieg von mehr als drei Grad werden die Auswirkungen auf die globale Ernährungsituation dramatisch sein, und niemand hat sie bisher genau berechnen können. Aber nach Michael Windfuhrs Einschätzung würde die Zahl der Hungernden sich mindestens um 20 bis 30 Prozent erhöhen.

Außerdem wird die Zahl der von Dürrekatastrophen Betroffenen bei einem starken Temperaturanstieg um mehr als eine Milliarde Menschen steigen. In Afrika wird sich gravierend auswirken, dass sich nicht nur die jährliche Niederschlagsmenge ändern, sondern es auch zu heftigeren Niederschlägen kommen wird. Das wird u.a. die Bodenerosion verstärken. Auch wird unberechenbarer, wann die Regenzeiten einsetzen. Da in Afrika nur ein sehr kleiner Teil der landwirtschaftlichen Flächen bewässert wird und der Regenfeldbau vorherrscht, hat es gravierende Auswirkungen, wenn es vier Wochen früher oder später als üblich regnet.

Es gibt als Folge der Klimaveränderungen einen weiteren Trend, fasste Michael Windfuhr ein Ergebnis der Brot für die Welt-Studie zusammen: "Viele Pflanzen werden in Afrika in Zukunft nicht mehr in den Gebieten angebaut werden können, in denen sie heute wachsen. So wird sich die Fläche, auf der in Uganda Kaffee angebaut werden kann, in Zukunft dramatisch verkleinern. Das wird für die Kaffeebauern in Uganda dramatische Auswirkungen haben."

Bernhard Walter erläuterte bei dem Seminar in Nairobi, dass alle Länder vor der Herausforderung stehen, sich auf die Folgen der Klimaveränderungen einzustellen. Die Industriestaaten haben hierfür sehr viel Finanzmittel zur Verfügung. In Entwicklungsländern hingegen wird es schwierig werden, ausreichend Finanzmittel aufzubringen, um frühzeitig eine Anpassungspolitik zu beginnen. So besteht zum Beispiel ein großer Finanzbedarf für den Bau von Deichen und Dämmen. Ebenso ist es erforderlich, die Bauern mit neuen Anbauprodukten sowie Landwirtschafts- und Bewässerungstechniken vertraut zu machen.

Es wird ebenfalls sehr schwierig werden, den politischen Willen für solch grundlegende Veränderungen zu mobilisieren, denn es war bisher schon schwierig, politische Schritte gegen den Hunger und für eine größere Chancengleichheit zu erreichen. Bernhard Walter muss konstatieren: "In vielen Ländern nutzen die Eliten einen viel zu großen Anteil an den Staatseinnahmen für sich selbst. Zudem sind in vielen dieser Länder die Staatseinnahmen gering und schwer vorausplanbar, weil das Steuersystem nicht wirkungsvoll funktioniert. Zu beachten ist auch, dass der Schutz der Umwelt eine langfristig angelegte Regierungspolitik erfordert, was kaum möglich ist, wenn Regierungen instabil sind oder oft wechseln. In Ländern, in denen Bürgerkrieg herrscht, ist eine solche langfristige Politik noch weniger möglich."

Die Möglichkeiten der einzelnen Haushalte, sich auf die Auswirkungen der Klimaveränderungen einzustellen, hängen von verschiedenen Faktoren ab, erläuterte Bernhard Walter in Nairobi: "Familien, die über finanzielle Rücklagen und eine ausreichende Zahl von Arbeitskräften verfügen, werden besser mit den Problemen fertig werden als zum Beispiel Familien, in denen die einzelnen Frauen die Arbeit allein leisten müssen oder die von HIV/Aids betroffen sind. Junge Leute werden es einfach haben, sich auf veränderte Verhältnisse einzustellen, als ältere Leute. Bauernfamilien, die unter ungünstigen Boden- und Niederschlagsbedingungen arbeiten müssen, etwa am Rand von Wüstengebieten, werden es besonders schwer haben, ebenso viele afrikanische Viehzüchter."

"In jedem Land muss systematisch erfasst werden, welche Regionen und welche Familien besonders stark von den Veränderungen durch den Klimawandel betroffen sein werden, um auf dieser Grundlage eine angemesse Anpassungspolitik zu entwickeln", so Walter. "Dazu kann eine rechtliche Absicherung des Landbesitzes der Familien gehören, um die Bereitschaft zu erhöhen, in die Verbesserung ihres Landes zu investieren." Gleichzeitig gelte es, die notwendigen Schritte zum Umgang mit den Folgen der Klimaveränderungen in die nationale Entwicklungsplanung einzubeziehen.

Bernhard Walter wies darauf hin, dass die Klimaveränderungen auch auf globaler Ebene weitreichende Konsequenzen haben werden. So ist zu befürchten, dass erstmals seit drei Jahrzehnten die weltweite landwirtschaftliche Produktion nicht mehr ausreichen wird, um die gesamte Weltbevölkerung ernähren zu können. Dazu trägt neben dem Bevölkerungswachstum bei, dass Agrarprodukte zunehmend für Biokraftstoffe verwendet werden und dass immer mehr Getreide als Viehfutter genutzt wird.

Letzteres liegt vor allem daran, dass der Fleischverbrauch in wirtschaftlich expandierenden Ländern wie Indien und China rasch zunimmt. Außerdem wird sich auf den internationalen Agrarmärkten auswirken, dass die Europäische Union und die USA im Rahmen der Verhandlungen in der Welthandelsorganisation zugesagt haben, den Export stark subventionierter Landwirtschaftserzeugnisse zu stoppen. Zu beachten ist auch, betonte Bernhard Walter, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen zurückgehen werden, vor allem durch die rasche Expansion der Städte in fruchtbaren Küstenregionen. Aber nicht nur die Anbaufläche wird sinken, sondern auch die verfügbare Wassermenge wird abnehmen, vor allem durch den Klimawandel sowie die stärkere Konkurrenz um das knappe Gut durch wachsende Städte und Industrie.

WTO-POLITIK HAT GROSSEN EINFLUSS

Victor Orindi vom "African Centre for Advanced Studies" stellte bei dem Seminar dar, zu welchen Ergebnissen die Brot für die Welt-Studie im Blick auf die Frage gekommen ist, wie die Zahl der Menschen vermindert werden kann, die ihre Ernähungssicherheit verlieren: "Es ist zu berücksichtigen, dass es bei der Frage der Ernährungsicherung nicht nur um die Frage geht, was und wie viel man produziert, sondern auch um den Zugang zu diesem Nahrungsmitteln. Dabei müssen die Auswirkungen der internationalen Politik und des Welthamdels berücksichtigt werden. So hat die Politik der Welthandelsorganisation einen großen Einfluss darauf, welchen Zugang Menschen in verschiedenen Teilen der Welt zu Nahrungsmitteln haben."

Dies wirkt sich besonders gravierend auf Afrika südlich der Sahara aus, weil hier 33 Prozent der Menschen unterernährt sind, während es im Durchschnitt der Entwicklungsländer 17 Prozent sind. Bei der Frage der Ernährungssicherung, so Victor Orindi, gelte es, die Viehzüchter- und die Fischerfamilien stärker zu berücksichtigen und nicht lediglich die Ackerbaufamilien. Ein Beispiel sind die Fischer am Tschadsee, die ihre Existenzgrundlage verlieren werden, weil der See immer mehr schrumpft und bald verschwunden sein wird.

Ein Problem bei der Suche nach Konzepten für den Umgang mit Klimaveränderungen, erläuterte Victor Orindi, ist der Mangel an detaillierten Informationen über die zu erwartenden Veränderungen auf einzelne Länder und Landesteile. Für Afrika gibt es oft nur Voraussagen für den ganzen Kontinent, Detailanalysen fehlen weitgehend. Eine Prognose für Afrika lautet, dass die Niederschläge insgesamt zurückgehen werden und dass die Gebiete, die schon heute unter Trockenheit leiden, davon besonders betroffen sein werden. Das hat gravierende Folgen für die ärmeren Kleinbauernfamilien, die ausschließlich auf Regenfeldbau angewiesen sind. Aber auch zu viel Regen, der in kurzer Zeit vom Himmel kommt, schafft Probleme. Wenn nach heftigen Niederschlägen die Felder und Dörfer überflutet werden, gehen Ernten und große Teile des Eigentums von Familien verloren. Zu den Folgen gehört, dass den betroffenen Familien meist das Geld fehlt, die Nahrungsmittel zu kaufen, die sie zur Ernährung brauchen.

TIERSEUCHEN BREITEN SICH AUS

Viehzüchter erleiden dadurch große Schäden, dass höhere Temperaturen dazu führen, dass sich Tierkrankheiten über größere Flächen ausdehnen und den Verlust der gesamten Viehbestände verursachen können. So haben hohe Durchschnittstemperaturen in den letzten Monaten des Jahres 2006 in Kenia zur Folge gehabt, dass Moskitos die für das Vieh tödliche "Rift Valley Fever" rasch verbreiteten. Viele Viehzüchterfamilien verloren dadurch ihre Lebensgrundlage. Anderen Viehzüchtern entgingen wichtige Einnahmen, weil Kenia wegen des "Rift Valley Fever" kein Fleisch in den Mittleren Osten exportieren konnte.

Victor Orindi betonte abschließend, wie wichtig es ist, die Bauernfamilien über den Klimawandel zu informieren und sich auf die neue Situation einzustellen und zum Beispiel Pflanzen anzubauen, die unter den veränderten Bedingungen gute Ernten versprechen. So könnten auch die Vorteile genutzt werden, die mit dem Klimawandel verbunden sind.

Der Autor, Frank Kürschner-Pelkmann, betreibt die Website "Wasser und mehr": www.wasser-und-mehr.de


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