iloBerlin (epo). - Hohe Produktivität ist entscheidend für die Sicherung von Beschäftigung und die Bekämpfung von Armut. Dies ist die zentrale These des Weltbeschäftigungsberichts 2004-2005 der International Labour Organization (ILO). Auf einer Tagung am Donnerstag in Berlin diskutierten Experten der ILO und der Friedrich-Ebert-Stiftung die Frage, wie sich die Politik die Erkenntnisse des Berichts zu Nutze machen kann.

Zwar können durch Produktivitätssteigerungen Arbeitsplätze auch wegrationalisiert werden. Doch langfristig zeigt die historische Entwicklung einen positiven Zusammenhang zwischen Produktion, Beschäftigung und Produktivität. "Produktivitäts- und Beschäftigungszunahme müssen deshalb gemeinsam im Zentrum wirtschaftspolitischer Strategien stehen", so der ILO-Regionaldirektor für Europa, Friedrich Buttler. "Allerdings verlaufen diese Prozesse, wie schon das Beispiel der Weber zeigte, nicht bruchlos. Der Strukturwandel muss makroökonomisch, arbeitsmarkt- und sozialpolitisch flankiert werden."

Höhere Produktivität schafft Einkommen und lässt zugleich die Preise von Investitions- und Verbrauchsgütern sinken. Die höhere Kaufkraft wiederum wirkt sich positiv auf die Nachfrage aus und damit auch auf Wirtschaftswachstum, Investitionen und Arbeitsplätze. Aufgabe der Politik muss es sein, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass die durch höhere Produktivität erzielten Wohlfahrtsgewinne für den Arbeitsmarkt nutzbar gemacht werden können.

Die Bundesrepublik kann den Untersuchungen der ILO zufolge hinsichtlich der Arbeitsproduktivität im internationalen Vergleich ihre Wettbewerbsfähigkeit behaupten. Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Schaffung neuer Arbeitsplätze zeigt sich aber, dass Deutschland Nachholbedarf hat. Der Abstand zu anderen Industrieländern, der im Kontext der Wiedervereinigung entstand, konnte nicht aufgeholt werden. "Gerade weil Deutschland in Hinblick auf die Produktivität schon jetzt gut mithalten kann, sollte der Schwerpunkt künftig stärker auf der Schaffung von Arbeitsplätzen liegen", erklärt Dorothea Schmidt, Koautorin des ILO-Weltbeschäftigungsberichts.

Allerdings lässt sich in manchen Industrieländern ein Trend erkennen, dass trotz Wirtschaftswachstums und einer starken Entwicklung der Produktivität die Zahl der Arbeitsplätze schrumpft beziehungsweise Arbeitsplätze ins Ausland verlegt werden. "Wenn wir langfristig mehr Wachstum wollen, muss die durch diese Prozesse frei gesetzte Arbeit neuer Beschäftigung zugeführt werden", fordert der Leiter des Referats Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung, Michael Dauderstädt. "Dazu bedarf es einer innovativen Arbeitsmarktpolitik sowie Weiterqualifizierung, produktivitätssteigernde Investitionen und mehr Wachstum vor allem in den armen Ländern. Eine expansive Geld- und Fiskalpolitik und eine stabilere Weltfinanzordnung würden dies unterstützen."

Verbesserungen von Produktionsprozessen und Innovationen sind notwendig, damit Unternehmen im internationalen Wettbewerb bestehen. Der stete strukturelle Wandel erfordert hohe Flexibilität auf den Arbeitsmärkten, was sich auch in der aktuellen politischen Diskussion widerspiegelt.

Weit weniger präsent in der Debatte ist jedoch ein ebenso wichtiges Element der Arbeitsmarktpolitik: Stabilität der Beschäftigung - die keineswegs in Widerspruch zur geforderten Flexibilität stehen muss, sondern dazu komplementär ist. Sie ist einerseits eine wichtige Voraussetzung für die Bildung von Humankapital, etwa durch betriebliche Fortbildung, und andererseits ein wesentlicher Beitrag zur Stützung der Nachfrage.

"Notwendig ist weniger eine umfassende Deregulierung des Arbeitsmarkts und Aufweichung des Kündigungsschutzes, wie vielfach gefordert, als vielmehr eine Neu-Regulierung mit Hilfe der Sozialpartner", sagt Peter Auer, Leiter der Abteilung Beschäftigungsanalyse der ILO. Die beste Politik ist nach Überzeugung der ILO ein Konzept der "geschützten Mobilität", das die notwendige Anpassungsflexibilität für Firmen mit einem starken Sicherheitsnetz kombiniert, durch das Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, bei Bedarf neue und möglichst sogar bessere Arbeit zu finden.

International Labour Organization (ILO)


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