Demo von Attac in Genf. (c) attacBonn (epo.de). - "Es hat ein ernsthafter und anhaltender Abschwung des weltweiten Wachstums begonnen", sagte der Direktor des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, gestern der Pariser Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche". "Das wird für Europa schwierig und hier und dort noch schwieriger für bestimmte arme Länder." Das linke US-Magazin "Counterpunch" titelte trocken: "The People vs. the Banksters". Die Finanzkrise schüttelt den Globus durch, der Staat betritt als finanzpolitischer Akteur wieder die Bühne und lässt den Steuerzahler die Rechnung der Profitjunkies der Wall Street begleichen. Ulrich Mercker beschreibt in seinem Kommentar "Vom Konsens zum Nonsense" für epo.de die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen.  
 
Schon lange hat der berühmte Dreiklang von Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung, bekannt geworden unter dem harmlosen Namen "Washinton Consensus", halbwegs feinsinnigen Menschen äußerst schräg in den Ohren geklungen. Nun hat er sich selbst ad absurdum geführt, sich als extremer "Nonsense" erwiesen. Mit einem Schlag wird dem Staat als einzig verbindlicher Steuerungsinstanz die aus den Händen geglittene Lenkungsmacht zurückgegeben, kollabieren ganze Finanzimperien, wird händeringend nach Lösungen gesucht, wie man der wachsenden Wut des komplett verunsicherten Citoyen begegnen kann, ohne das Gesicht vollständig zu verlieren. Sind die Erschütterungen schon im aktuellen Tagesgeschehen in den Metropolen gewaltig, so ist ihr Ausmaß auf mittlere Frist noch überhaupt nicht absehbar.
 
Eines lässt sich jedoch jetzt schon sagen: Die ökonomischen Auswirkungen auf die Länder der Dritten Welt – insbesondere viele Schwellenländer, die in regen Handelsbeziehungen mit den USA stehen – werden furchtbar sein. Die zu erwartende Inflation wird auch auf sie übergreifen, die für manche Volkswirtschaften überlebenswichtigen Deviseneinkünfte aus den Überweisungen eines viele Millionen zählenden Migrantenheeres werden drastisch sinken, Betriebe werden schließen und der Handel insgesamt zurückgehen.
 
Die politischen Auswirkungen jedoch könnten positiv sein. Die Position der schon seit Jahren kritisch dem Washington Consensus gegenüberstehenden Regierungen vor allem in Lateinamerika dürfte gestärkt aus der Krise hervorgehen. Die letzten neoliberalen Bastionen auf dem Kontinent wie Mexico und Kolumbien geraten zusätzlich in die Defensive. Die Interventionsfähigkeit des Imperiums gegenüber missliebigen Staaten schrumpft auf ein Minimum.
 
Noch ist die Gefährlichkeit der Nonsense-Fraktion jedoch nicht vorüber. Die soeben im amerikanischen Kongreß gefällte Entscheidung, den Verteidigungshaushalt ein weiteres Mal auf 600 Mrd. Dollar anwachsen zu lassen, hinterlässt nicht nur verständnisloses Staunen, sondern auch ein gerüttelt Maß an Befürchtungen. Bleibt nur zu hoffen, dass ein gewählter Obama genügend Dissensfähigkeit an den Tag legt, um den Kurs der Ex-Supermacht zu ändern.
 
Ulrich Mercker
uli.mercker(at)gmx.de???

Der Autor ist freiberuflicher Soziologe und Publizist in Bonn.

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