oenz_100Berlin (epo.de). - Einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen in Ruanda am 9. August gerät das Recht auf Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit für Medien und Opposition im Land zunehmend in Bedrängnis. Juristische und bürokratische Schikanen, gewaltsame Übergriffe und eine Reihe von Morden und Verhaftungen schüchterten die Vertreter von unabhängigen Medien und Parteien mehr denn je ein und hinderten diese daran, ihre demokratische Aufgabe wahrzunehmen. Das hat jetzt das Ökumenisches Netz Zentralafrika (ÖNZ) beklagt.

Eine ganze Reihe von Vorfällen lassen darauf schließen, so das ÖNZ, "dass kritische Stimmen in Ruanda mehr denn je systematisch von staatlichen Autoritäten unter Druck gesetzt werden, um ihren Einfluss auf die politische Debatte auszuschalten". Wörtlich heißt es in der Liste des ÖNZ:
  • "Die beiden Generäle der staatlichen Armee FPF Emmanuel Karenzi Karake und Charles Muhire wurden am 20. April vor dem Hintergrund interner Machtkämpfe innerhalb der Führung von Regierung und Armee verhaftet.
  • Per Gerichtsbeschluss ließ die Regierung im April 2010 die populären Zeitungen Umuvugizi und Umuseso für sechs Monate mit einem Druckverbot belegen, unter dem Vorwand, sie hätten kritische Berichte über die ruandische Regierung veröffentlicht.
  • Am 8. Juli wurde die Journalistin Agnes Uwimana Nkusi, Herausgeberin der Zeitung Umurabyo, verhaftet. Ihr wird Divisionismus, ethnische Spaltung und Aufwiegelung der Massen vorgeworfen. Uwimana war bereits 2007 zu einem Jahr Haft verurteilt worden, weil sie sich kritisch über Präsident Kagame und die Regierung geäußert hatte.
  • Der persönliche Sekretär Präsident Kagames, David Himabara ist im Januar 2010 von einer Reise nach Südafrika nicht zurück gekehrt. Er scheint zuvor Konflikte mit Präsident Kagame gehabt zu haben und hat sich ins Exil geflüchtet.
  • General Faustin Kayumba Nyamwasa, ehemaliger Stabschef der Ruandischen Armee und Leiter mehrerer militärischer Missionen in der DR Kongo, wurde 2008 in einen Botschaftsposten nach Indien strafversetzt. Von dort floh er Anfang 2010 nach Südafrika, weil er sein Leben bedroht sah, nachdem er einen offenen Konflikt mit Präsident Kagame über dessen Führungsstil ausgetragen hatte. In einem Interview am 30. Mai 2010 hatte er Präsident Kagame der Korruption und des Versuches bezichtigt, eine Diktatur zu errichten. Am 19. Juni wurde auf ihn in Johannesburg ein Mordanschlag verübt, den er nur knapp überlebte. Die ruandische Regierung lehnt allerdings jede Verantwortung für das Attentat ab.
  • Der Journalist Jean Leonard Rugambage, Mitherausgeber der Umuvugizi wurde am 24. Juni 2010 in Kigali erschossen, nachdem er eine Recherche über die Beteiligung des ruandischen Geheimdienstes am Mordversuch an General Kayumba Nyamwasa angefangen hatte. Sein Kollege und Mitherausgeber Jean Bosco Gasasira hatte noch versucht, ihn über die Grenze nach Uganda in Sicherheit zu bringen, nachdem er Morddrohungen erhalten hatte, doch dieses Angebot kam zu spät und Rugambage wurde ermordet, bevor er fliehen konnte.
  • Ebenfalls am 24. Juni wurden zwischen 200 und 300 Teilnehmer einer Demonstration verhaftet, die darauf aufmerksam machen wollten, dass den Oppositionsparteien der Zugang zu den Präsidentschaftswahlen 2010 verwehrt bleibt. Einige der Verhafteten kamen nach mehreren Stunden oder Tagen wieder frei. Viele berichteten, dass sie im Polizeigewahrsam geschlagen und gefoltert wurden und keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hatten.
  • Oppositionskandidaten, die an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen wollen, mussten ihre Partei vor dem 24. Juni registrieren und ihre Kandidatur bis zum 2. Juli offiziell anmelden. Bis auf die beiden Koalitionspartner des Regierungsbündnisses wurden jedoch alle anderen politischen Gruppierungen - wie die Green Party oder die Party Socialiste Imberakuri - durch bürokratische oder juristische Hindernisse oder durch Unterwanderung und Spaltung davon abgehalten, diese Vorgaben zu erfüllen und können nun nicht an den Wahlen teilnehmen.
  • Victoire Ingabire, Leiterin der United Democratic Forces und eine der stärksten Oppositionskandidatinnen, wurde im März angeklagt, mit terroristischen Kräften zusammen zu arbeiten und „ethnische Spaltung“ zu propagieren. Ihr drohen mehrere Jahre Haft. Der prominente amerikanische Jurist Peter Erlinder, der unter anderem langjährig als Verteidiger für den ICTR in Arusha tätig war, wurde am 28. Mai 2010 bei der Einreise in Kigali verhaftet und ebenfalls der „ethnischen Spaltung“ bezichtigt. Er wurde aus gesundheitlichen Gründen am 19. Juni frei gelassen und des Landes verwiesen.
  • Bernard Ntaganda, Leiter der Sozialistischen Partei, ist seit seiner Verhaftung am 24. Juni in Gewahrsam. Auch ihm wird der gängige Pauschalvorwurf „ethnischer Divisionismus“, unerlaubte Versammlung von Menschen und versuchter Mord gemacht.
  • Frank Habineza, Leiter der Green Party, wurde ebenfalls am 24. Juni verhaftet, weil er an der Demonstration für faire und freie Wahlen in Kigali teilnahm.
  • Militärchef Général Jean Bosco Kazura, Präsident der Rwandan Football Federation wurde am 10. Juni 2010 verhaftet, nachdem er von einem FIFA-Treffen in Südafrika zurückkehrte. Angeblich hatte er keine offizielle Erlaubnis, nach Südafrika zu reisen. Er hatte davor intern Kritik an Präsident Kagames Versuch geübt, die Macht in seinen Händen zu konzentrieren.
  • Denis Semadwinga Ntare war lange Jahre ein Lobbyist für die im Kongo lebenden Tutsi und ihrem militärischen Arm CNDP sowie der kongolesische Direktor des internen Kabinetts der CNDP-Rebellen. Er hatte in engster Zusammenarbeit mit Ruandas Führung eine Reihe von militärischen und politischen Missionen geleitet und war u.a. Vertreter der CNDP bei den Friedensverhandlungen von Nairobi. Er wurde in Gisenyi am 21. 6. 2010 erschossen."

Diese und weitere Vorfälle seien Indikatoren für die zunehmende Nervosität von Regierung, Sicherheitskräften und Geheimdiensten in Ruanda, so das ÖNZ. Es sei davon auszugehen, dass die andauernden Spannungen zwischen der Armeeführung und dem engsten Kreis um Präsident Kagame Anzeichen für interne Konflikte um die Vormacht innerhalb der Regierung sind.

"Auch wenn staatliche Institutionen nicht pauschal für jeden einzelnen der genannten Vorfälle verantwortlich zu machen sind, wird doch deutlich, dass die Regierung zunehmend bereit ist, Einschüchterung, Repression und direkte Gewalt einzusetzen, um jegliche Form von Kritik oder Opposition zu zerschlagen", stellt das ÖNZ fest. Die wichtigsten Medien würden staatlich manipuliert und dazu eingesetzt, politische Gegner zu diffamieren. Die nationalen Gesetze gegen "genozidäre Ideologie" und "ethnischen Divisionismus" mit ihrem sehr vagen Wortlaut würden zunehmend dazu genutzt, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Medien und Parteien zu kriminalisieren und einzuschüchtern.

Gemeinsam mit seinem europäischen Partner EurAc kritisierte das Ökumenische Netz Zentralafrika alle Formen von Repression und Gewalt gegenüber regierungskritischen Akteuren in Ruanda. Das ÖNZ forderte die Behörden der Europäischen Union und Deutschlands auf, mit allen diplomatischen und politischen Mitteln Einfluss auf die ruandische Regierung auszuüben. Alle politischen Parteien in Ruanda müssten die Möglichkeit erhalten, an einem fairen und freien Wahlkampf und an den Präsidentschaftswahlen teilzuhaben. x

www.oenz.de

Back to Top

Wir nutzen ausschließlich technisch notwendige Cookies auf unserer Website.