ilo_socialsec_115Genf (epo.de). - Nur jeder fünfte Erdenbürger im erwerbsfähigen Alter verfügt über eine umfassende soziale Absicherung. Das geht aus einem neuen Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hervor. Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe haben demnach zwar einen entscheidenden Beitrag geleistet, um die sozialen Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise abzufedern. Dennoch bleibt selbst eine Grundsicherung für die meisten Menschen vor allem in den ärmeren Ländern außer Reichweite.

"Die aktuelle Krise hat einmal mehr bewiesen, wie wichtig eine Mindestabsicherung für alle Bürgerinnen und Bürger ist", erklärte ILO-Generaldirektor Juan Somavia. "Deshalb setzen wir uns für Sozialversicherungen und eine weltweite soziale Grundsicherung ein. Der Bericht zeigt, dass die Schaffung eines adäquaten Sozialschutzes für alle dringlicher denn je ist."

Gerade in Krisenzeiten spiele die soziale Sicherheit eine wichtige Rolle, da sie als "unersetzlicher ökonomischer, sozialer und politischer Stabilisator" wirke, so der Bericht. Die Sicherungssysteme könnten einen Ausgleich für Einkommensausfälle bieten und so zur Stützung der Nachfrage beitragen, ohne das Wirtschaftswachstum zu beeinträchtigen.

Die Autoren der Studie warnen zugleich, dass eine Kürzung von Sozialleistungen im Zuge der von vielen Regierungen angestrebten Haushaltskonsolidierung "sich nicht nur auf die Leistungsbezieher direkt auswirkt und damit auf den Lebensstandard eines nicht unwesentlichen Teils der Bevölkerung". Überdies bestehe die Gefahr, dass sich durch den daraus resultierenden Rückgang der Nachfrage die konjunkturelle Erholung deutlich verzögere.

Der jetzt erstmals vorgelegte "Internationale Bericht über Soziale Sicherheit" soll künftig alle zwei Jahre erscheinen. Der Bericht 2010/2011 zeigt, wie mangelhaft in den meisten Ländern der Zugang zu sozialen Sicherungssystemen in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Rente, Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe nach wie vor ist. Insgesamt fließen demnach 17,2 Prozent des Weltsozialprodukts in Sozialsysteme, jedoch konzentrieren sich die Ausgaben stark auf die Industrieländer.

So unterliegen beispielsweise zwar weltweit knapp 40 Prozent der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter theoretisch einer gesetzlichen Pflicht zur Rentenversicherung; in Europa sind es fast doppelt so viele, in Afrika südlich der Sahara immerhin noch gut 30 Prozent. Doch die wirkliche Abdeckung ist dem Bericht zufolge weitaus niedriger. In Afrika etwa kommen nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung tatsächlich in den Genuss einer Rentenversicherung, in Asien, dem Nahen Osten und Nordafrika sind es rund 20 Prozent. Und während in den Industrieländern immerhin drei Viertel der Über-65jährigen eine Rente beziehen, sind es in ärmeren Ländern weniger als 20 Prozent.

Eine Arbeitslosenversicherung existiere in deutlich weniger als der Hälfte der 184 untersuchten Länder – und diese decke dann meist nur eine Minderheit der Beschäftigten ab, berichtet die ILO. Gegen Arbeitsunfälle und Erkrankungen am Arbeitsplatz seien weniger als 30 Prozent der Erwerbsbevölkerung weltweit versichert. Und in Entwicklungsländern hätten nur 35 Prozent der Frauen, die auf dem Land leben, Zugang zu einer Gesundheitsversorgung.

Auch innerhalb der Gruppe der Industrieländer bestehen große Unterschiede: In den OECD-Staaten, so der Bericht, stammen im Schnitt 20 Prozent der Einkünfte von Rentnern aus privater Vorsorge. In den USA, Großbritannien, Australien, Kanada und den Niederlanden sind es jedoch mehr als 40 Prozent, während es auf der anderen Seite in Ländern wie Österreich, Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei weniger als fünf Prozent sind.

Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass sinnvoll gestaltete Arbeitslosenversicherungs- und Sozialhilfesysteme sowie gegebenenfalls auch öffentliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen helfen, Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern. Sie tragen außerdem dazu bei, sich schneller von einer Rezession zu erholen.

Zur Bekämpfung der aktuellen Krise setzten Regierungen dem Bericht zufolge am häufigsten auf Arbeitslosenversicherung. Dabei verfügten bis zum Ausbruch der Krise nur 64 der 184 untersuchten Länder über ein solches Versicherungssystem. Viele Schwellenländer nutzten überdies Beschäftigungsprogramme, wie etwa auf den Philippinen, oder direkte Sozialleistungen, wie Brasilien, Mexiko und Südafrika. "Sozialleistungen ohne Beitragspflicht bieten sich nicht nur an, um die Armut zu bekämpfen, sondern auch, um die beschriebenen Lücken in den Sozialversicherungssystemen zu schließen", erklärte der Leiter der ILO-Abteilung für Soziale Sicherheit, Michael Cichon.

Ergänzend zu dem Bericht hat die ILO eine neue Publikation mit dem Titel "Extending Social Security to All - A guide through challenges and options" herausgegeben, in dem die politischen Rahmenbedingungen für die Einrichtung umfassender Sozialschutzsysteme und ihre Finanzierung beschrieben werden.

www.ilo.org

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