Von Marcela Valente (IPS)

IPSBuenos Aires (IPS/epo). - Nach dem verheerenden Zusammenbruch der Wirtschaft Ende 2001 stehen in Argentinien die Zeichen auf Wachstum. So ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im letzten Jahr um stolze neun Prozent gestiegen. Doch auch die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Wie das nationale Statistikamt INDEC ermittelt hat, war das Einkommen der reichsten Argentinier in der ersten Hälfte 2004 um 26,3 Prozent höher als das der ärmsten Bevölkerungsgruppe, im zweiten Halbjahr um 28,2 Prozent.

Der Einkommensabstand hat sich zwar gegenüber 2002 um 1,8 Prozent verkleinert, nach einem kurzen Intervall im Jahr darauf jedoch wieder vergrößert.

Wirtschaftsminister Roberto Lavagna berief sich kürzlich auf eine neue Weltbankstudie mit dem Titel 'Koeffizienz des Prokopfeinkommens', in der von einem Rückgang der Einkommenskluft von 51,8 2002 auf 9,4 Prozent 2004 die Rede ist. "Zum ersten Mal in elf Jahren ist der Trend der sich verbreiternden Kluft zwischen Arm und Reich durchbrochen", so der Minister kürzlich vor Wirtschaftsvertretern.

Dass Lavagna die INDEC-Zahlen überging, ist für den Wirtschaftswissenschaftler Claudio Lozano von der Argentinischen Arbeiterzentrale (CTA) der Versuch, den tatsächlichen Trend zu vertuschen. Lozano gehört zu den Gegnern des von der Regierung von Staatspräsident N?stor Kirchner eingeschlagenen Wirtschaftskurses. Das Wachstum, so der Experte, werde weitgehend von der Exportindustrie erzielt, nie nur geringfügig neue Arbeitsplätze schaffe.

Wer gegen die Armutsschere angehen wolle, müsse zunächst gegen die Kinderarbeit vorgehen, so der Vertreter der CTA, einer der beiden argentinischen Gewerkschaften mit mittelinksorientierter Prägung.

In Argentinien sind um die 40 Prozent der 37 Millionen Einwohner von Armut betroffen. Das ist zwar ein hoher Prozentsatz, im Vergleich zu den 58 Prozent auf der Höhe der Wirtschaftskrise Mitte 2002 jedoch eine deutliche Verbesserung. Auch die Arbeitslosigkeit hat abgenommen - von 18 auf derzeit 13 Prozent. Allerdings sind viele neu geschaffene Jobs unterbezahlt und die Arbeitsbedingungen schlecht.

Dass der ökonomische Aufwärtstrend - im laufenden Jahr wird ein Anstieg von 6,5 Prozent erwartet - die Einkommensverhältnisse nicht verbessert, ist für Lozano ein Anzeichen dafür, dass das Gieskannenprinzip nicht funktioniert. Der Ökonom fühlt sich an die 90er Jahre erinnert. Auch damals unter Ex-Präsident Carlos Menem hatte sich die Schere zwischen Arm und Reich verbreitert. "Was fehlt, ist eine Politik, die sich auf neue Arbeitsplätze und die Erhöhung der Einkommen über Gehälter, Renten und Arbeitslosenhilfen konzentriert."

Der Vergleich zwischen Einkommen und BIP zeige, dass 2001 die Masse der Einkommen 34 Prozent des BIP ausgemacht habe. 2004 hingegen war es nur noch ein Anteil von 25 Prozent. Diese Form des Wachstums sorge zwar für das Ende der Krisenstimmung, doch in Wirklichkeit bleibe eine Verbesserung der Einkommensverteilung aus, die für eine mittelfristige Wirtschaftserholung wichtig sei, so Lozano.

In den 90er Jahren habe das Einkommen der Argentinier um 25 Prozent über dem relevanten Niveau zur Bekämpfung der Armut gelegen. Heute werde dieses Niveau um 13 Prozent unterschritten, so Lozano. 2003 hätte jeder Prozentpunkt des Wirtschaftswachstums die Arbeitslosigkeit um einen Prozentpunkt gesenkt. 2004 liege das Verhältnis bei eins zu 0,5 Prozent. 2005 werde sich der Arbeitsbeschaffungseffekt sogar auf 0,25 Prozent halbieren.(Ende/IPS/kb/2005)

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[Diese Nachricht erhalten Sie im Rahmen der Content-Partnerschaft von epo.de mit der Nachrichtenagentur Inter Press Service (IPS)]


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