0,7Berlin. - Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Bericht zu den Zielen für nachhaltige Entwicklungs- und Klimapolitik nach 2015 beschlossen. Medienberichten zufolge will sich die schwarz-gelbe Bundesregierung mit dem Bericht vom 0,7 Prozent-Ziel verabschieden. Die Grünen sprechen von "Wortbruch" und einem "Armutszeugnis", das die internationale Glaubwürdigkeit Deutschlands untergrabe.

Mit dem Bericht "Post 2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung: Gemeinsame globale Herausforderungen, Interessen und Ziele" kommt die Bundesregierung ihrem Auftrag nach, regelmäßig über die Verhandlungen auf internationaler Ebene zu unterrichten. Der Bericht schildert den Stand der Umsetzung der im Jahr 2000 von der Weltgemeinschaft beschlossenen Millenniums-Entwicklungsziele. Die schwarz-gelbe Bundesregierung bekräftigt darin ihre Absicht, "in der verbleibenden Zeit bis 2015 weiterhin dazu beizutragen, die Ziele zu erreichen".

Thilo HoppeFür das Ziel, die reichen westlichen Geberländer müssten bis 2015 mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungshilfe (ODA)-Leistungen ausgeben, scheint dies nicht zu gelten. Der Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe von der bündnisgrünen Bundestagsfraktion erklärte am Mittwoch mit Bezug auf den im Bundeskabinett diskutierten Bericht, Merkel und Niebel wollten die "Spielregeln verändern, um ihren Wortbruch zu vertuschen".

Die Grünen beziehen sich bei ihrer Kritik auf eine Meldung der Nachrichtenagentur dpa vom Mittwoch, derzufolge die Bundesregierung sich beim Kampf gegen die weltweite Armut "von starren Quoten bei Finanzhilfen verabschieden" will. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) wird mit den Worten zitiert, das 0,7-Prozent-Ziel der Vereinten Nationen, eines der Millenniums-Entwicklungsziele, müsse "hinterfragt werden". Es sei leicht viel Geld auszugeben, die Kunst bestehe aber darin, "die richtige Wirkung zu erzielen".

Die neuen UN-Ziele ab 2015 müssten innerhalb eines einheitlichen Rahmens Entwicklung und Nachhaltigkeit verbinden, fordert Niebel. Es müsse ein globaler Maßstab für eine angemessene Höhe der staatlichen Entwicklungsgelder geschaffen werden.

"Jetzt die eigenen Zusagen für nichtig zu erklären und das 0,7-Prozent-Ziel als 'nicht mehr zeitgemäß' zu bezeichnen, ist ein Armutszeugnis dieser Bundesregierung und schadet der Glaubwürdigkeit Deutschlands in der Welt", sagte Hoppe. "Auch den Trick, Qualität und Quantität der Entwicklungszusammenarbeit gegeneinander auszuspielen, können wir Merkel und Niebel nicht durchgehen lassen. Hochrangige Expertenkommissionen der Vereinten betonen immer wieder, dass wir Reformen auf allen Ebenen, gerechtere Strukturen aber auch mehr und bessere Entwicklungszusammenarbeit brauchen, um weltweit eine menschenrechtsbasierte nachhaltige Entwicklung zu fördern, mit der extreme Armut und Hunger überwunden werden können."

Niebel hatte in seinen knapp vier Jahren Amtszeit im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das 0,7-Prozent-Ziel, das die Vereinten Nationen bereits 1970 verkündet hatten, wiederholt bekräftigt, ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte freilich - ebenso wie ihre Vorgänger-Regierungen - nie den Eindruck erweckt, dieses Ziel wirklich umsetzen zu können oder zu wollen. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Heidmarie Wieczorek-Zeul (SPD) hatte sich Niebel auch nicht mit dem Wirtschaft- oder Finanzministerium angelegt, um Druck für die Umsetzung der internationalen Vereinbarungen zu machen. Stattdessen hatte der die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wieder stärker bilateral ausgerichtet.

Die Bundesregierung verabschiede sich mit dem Bericht "faktisch auch von den ambitionierten Milleniumsentwicklungszielen zur Halbierung der Armut", sagte die Entwicklungs-Expertin im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Das sei ein "verheerendes Signal", so die Präsidentin von Brot für die Welt. Die SPD wolle ebenso wie die Grünen an den international gegebenen Zusagen festhalten. Das Geld dafür solle aus der geplanten Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte kommen.

ODA - Quelle: OECD

Deutschland ist bei den öffentlichen Entwicklungsausgaben (ODA - Official Development Assistance) weit von den 0,7 Prozent entfernt. Den jüngsten Daten des Entwicklungsausschusses (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge sanken die ODA-Leistungen der Geberländer im Jahr 2012 inflationsbereinigt um vier Prozent. Schon 2011 hatten sie zwei Prozent unter den Werten des Vorjahres gelegen.

Laut BMZ lag die deutsche Quote im vergangenen Jahr bei 0,38 Prozent (2009: 0,35 Prozent). Die entwicklungspolitische Lobby-Organisation ONE errechnete eine deutsche ODA-Quote für 2012 von 0,36% - wobei die Schuldenerlasse für arme Länder nicht einberechnet sind. In absoluten Zahlen stieg die Entwicklungshilfe von 2009 bis 2012 nach BMZ-Angaben von 8,7 Milliarden auf 10,2 Milliarden Euro.

Susanne Anger, Sprecherin von Gemeinsam für Afrika, einem Zusammenschluss von mehr als 20 Hilfs- und Entwicklungsorganisationen mit prominenten Unterstützern, erklärte am Donnerstag: "Faire und gerechte Entwicklungszusammenarbeit braucht verlässliche Partner. Dazu gehört es auch, gegebene Versprechen einzuhalten. Unverbindliche Zielvorgaben bergen die Gefahr einer ständigen Unterordnung der staatlichen Entwicklungshilfe unter andere Finanzbedarfe. Eine Distanzierung von versprochenen Leistungen ist nicht nur ein Wortbruch, sondern ein symbolträchtiges Negativzeichen gegenüber unseren Partnern im globalen Süden."

www.bundesregierung.de
www.gruene-bundestag.de

 


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