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Studie: Deutsche Medien nahezu blind gegenüber sozialer Ungleichheit in Brasilien





uni erfurtErfurt. – Kurz vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft hat die Universität Erfurt eine aktuelle Studie über die deutsche Brasilien-Berichterstattung veröffentlicht. Die Untersuchung wurde von Regina Cazzamatta verfasst. Die Autorin Regina Cazzamatta hat 431 Artikel der überregionalen deutschen Presse aus den Jahren 2010 bis 2012 untersucht und deren Inhalt qualitativ wie quantitativen analysiert. Das Ergebnis: Da soziale Ungleichheit für Medien kaum ein Thema ist, kam die Protestbewegung für die deutsche Öffentlichkeit überraschend.

Die Studie, die von Prof. Dr. Kai Hafez betreut wurde, untersuchte Berichte der Süddeutschen Zeitung, Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der tageszeitung, der WELT, von SPIEGEL, ZEIT, Stern und Focus aus den Jahren 2010 bis 2012. Die Artikel wurden qualitativ wie quantitativ analysiert.

Dass Brasilien einen annähernd ausgeglichenen Staatshaushalt, geringe Schulden und fast Vollbeschäftigung aufweise und dabei sei, Frankreich und Großbritannien zu überholen und unter die fünf führenden Wirtschaftsmächte der Welt vorzustoßen, ziehe sich “wie ein Mantra durch die deutsche Presse”, so Cazzamatta. Das erfolgreiche wirtschaftliche Wachstum Brasiliens sowie dessen Schattenseiten, die Umweltzerstörung, habe die Presse in den jüngeren Jahren zur Kenntnis genommen. Allerdings seien Entwicklungen, die “nicht relevant für die deutsche Politik und Wirtschaft sind, wie die soziale Ungleichheit”, weitaus weniger beachtet worden.

“Die deutsche Öffentlichkeit war deshalb auch völlig überrascht von den jüngsten heftigen brasilianischen Protesten im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft”, heißt es in der Untersuchung. Die Kraft und Gewalt der Demonstrationen habe viele in Deutschland erschreckt.

“Die deutsche Brasilienberichterstattung hat den deutschen Konsumenten offenbar nicht umfassend genug über die Lage in Brasilien informiert”, lautet das Resümee der Forscherin. Ein Hauptergebnis der Untersuchung ist, dass der Bereich der Innenpolitik nur 15,6 Prozent der gesamten Berichterstattung über Brasilien entspreche, was im Vergleich zu anderen Regionen der Welt untypisch sei. Themen aus den Bereichen Umwelt (15,9%) und Wirtschaft (18,5%) hätten die politische Berichterstattung über Brasilien verdrängt. Deutschen Bürgern fehlten auf diese Weise oft wichtige und kritische politische Hintergründe.

Während das Brasilien-Image im Bereich Umwelt unter heftiger Kritik leide, sei der Ton in den Bereichen Politik und Wirtschaft ein ganz anderer, so die Universität Erfurt: “Der wirtschaftliche Erfolg Brasiliens wird in den Bereichen Ökonomie und Finanzen, Innen- und Außenpolitik überwiegend gelobt, aber im Sachgebiet Umwelt ist das dargestellte Wachstum für die Umweltschäden und Rücksichtslosigkeit verantwortlich. Die überwiegende kritische Haltung gegenüber dem Umgang Brasiliens mit der Umwelt fehlt oft im Bereich der Politik.”

Während deutsche Medien bis vor kurzem noch den Aufstieg des brasilianischen Bürgertums feierten, verglich der brasilianische Wissenschaftler, Marcio Pochmann, der Präsident des brasilianischen Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IPEA), das Land mit einer feudalen Gesellschaft, vor allem wegen der grassierenden sozialen Ungleichheit. Die Tatsache, dass Brasilien auch unter der Regierung Lula, einer linksorientierten Regierung, keine Agrarreform, Steuerreform oder Sozialreform durchführte und dass “in der Regel die Reichen des Landes und das Finanzkapital von der Finanzpolitik der Regierung profitiert haben”, spielte laut der nun vorliegenden Studie für deutsche Medien kaum keine Rolle.

Regina Cazzamatta resümiert: „Da Medien die Weltvorstellungen der Rezipienten mitbestimmen und großen Einfluss auf internationale Beziehung haben, ist es notwendig, über das journalistische Brasilienbild gerade im Kontext der Fußballweltmeisterschaft intensiv nachzudenken.“

Regina Cazzamatta
Brasilien-Berichterstattung in der deutschen Presse
Wiss. Buchreihe: Internationale und interkulturelle Kommunikation, Hrsg. von Kai Hafez und Carola Richter
Berlin: Frank & Timme, 2014

Quelle: http://www.uni-erfurt.de


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