Mir A. Ferdowski (Hg.): Afrika – ein verlorener Kontinent?
München, Wilhelm Fink Verlag, 382 Seiten, ISBN 3-8252-8290-2
Der Titel mag unglücklich formuliert sein, doch wird das Buch den von Ferdowski in der Einleitung formulierten Ansprüchen in hohem Maße gerecht: Insbesondere Stefan Mair und im Bezug auf intern angestoßene Demokratisierungsbemühungen auch Rainer Tetzlaff machen deutlich, dass es in Afrika eine ganze Reihe hoffnungsvoller Ansätze gibt. Der Band insgesamt bietet einen ausgezeichneten Überblick über den derzeitigen Stand der Afrikadebatte.
Dennoch bleibt die Frage, ob die in allen Beiträgen mehr oder minder vergleichende und summarische Auseinandersetzung mit der Situation nicht doch überholt ist. Zwar kann der zentralen These des Bandes, dass "die Rekonstruktion und Wiedererlangung des staatlichen Gewaltmonopols in Zukunft zur Schicksalsfrage Afrikas werden wird" kaum widersprochen werden. Doch trotz aller gebotenen Differenzierung, die bei Mair, Tetzlaff und Matthies Erkenntnisgewinne zeitigt, werden gerade im Hinblick auf diese These bedeutsame Phänomene nur gestreift: Es erscheint unzureichend, wenn Mair in seinem Beitrag Nigeria zwar als "Paradebeispiel" für Staatsverfall trotz Ressourcenreichtums aufzählt, dann aber pauschal auf die notorische Kriminalität, "zunehmende Ressourcenkonflikte" und drohende ethnisch-religiöse Konflikte zwischen Haussa und Yoruba hinweist.
Hier wäre eine gründliche Analyse staatlicher und nichtstaatlicher Parallelstrukturen vonnöten. Welche Rolle spielen – um nur ein Beispiel zu nennen – die traditionellen Würdenträger im nigerianischen Norden, die nicht nur de facto die Kontrolle über das Land inne haben, sondern auch tief in die Politik hinein wirken und ihre Interessen unter anderem über die Durchsetzung der Sharia zu wahren versuchen. Lokal ausdifferenzierte Analysen könnten nicht nur helfen, das vorhandene Konfliktpotential präziser abzuschätzen. Sie wären zudem der erste Baustein für eine kohärente Menschenrechts- und Demokratisierungspolitik, deren mangelnde Konsistenz Schmidt für die europäische Union und Mehler für die Bundesrepublik zu Recht kritisieren.
Verdienstvoll sind die Beiträge von Tull zu Migration und von Grohs zum Menschrechtsschutz durch die Afrikanische Charta. Vermissen wird der Leser im letzten Teil des Buches über den "Beitrag externer Akteure" hingegen eine Analyse der gegenwärtigen US-Afrikapolitik. Zudem hätte in diesem Abschnitt auch ein Beitrag über den immer stärker werdenden chinesischen Einfluss in vielen afrikanischen Ländern platziert werden können.