Amsterdam/Florenz/Köln. – Die Kampagne für Saubere Kleidung, Shareholders for Change und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre haben die Adidas AG vor der Hauptversammlung am 15. Mai aufgefordert, Arbeitnehmerrechte in der globalen Lieferkette einzuhalten. Arbeiterinnen und Arbeiter in Myanmar und Kambodscha berichteten von Menschenrechtsverletzungen wie Lohndiebstahl, illegalen Entlassungen und Behinderung von Gewerkschaftsaktivitäten, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung der NGOs.
Im Oktober 2022 streikten 2.000 Beschäftigte der Pou-Chen-Fabrik in Myanmar, um bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung zu fordern, woraufhin Gewerkschaftsführer und protestierende Beschäftigte entlassen wurden, so die NGOs. In Verhandlungen sei es 2023 gelungen, die Hälfte der entlassenen Beschäftigten wieder einzustellen, woraufhin Adidas den Fall als „gelöst“ bezeichnet habe. Die Einschüchterungen und Diskriminierungen seien jedoch weitergegangen, und die Beschäftigten würden weiterhin mit Hungerlöhnen konfrontiert – der Grund, warum die Proteste überhaupt ausgebrochen waren.
„Drei Jahre später verdienen die Arbeiter von Pou Chen 7.233 MMK (3 €) pro Tag oder etwa 230.000 MMK (97 €) pro Monat. Das ist weniger als 30 % eines geschätzten existenzsichernden Lohns in Myanmar. Dennoch weigert sich Adidas, diese Situation zu lösen“, kritisieren die Kampagne für Saubere Kleidung, Shareholders for Change und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
Lohndiebstahl in Kambodscha
Dem NGO-Bericht zufolge wurden während der COVID-19-Pandemie 500 Beschäftigte der Bekleidungsfabrik Hulu in Kambodscha durch betrügerische Praktiken ihrer Arbeitsplätze beraubt. Sie seien unter dem Vorwand, ihre Lohnabrechnungen zu unterschreiben, dazu gebracht worden, ihre Kündigungsschreiben zu unterschreiben, wodurch sie auf Abfindungen in Höhe von über 1 Million US-Dollar verzichteten. Trotz jahrelanger Bemühungen, eine Entschädigung zu erhalten, weigere sich Adidas, die Verantwortung zu übernehmen.
Internationale Solidarität und Appelle an Adidas
Am 16. Mai 2024 sprach der kambodschanische Gewerkschaftsführer Sithyneth Ry, der die Arbeiter von Hulu Garment vertritt, auf der Adidas-Hauptversammlung und schilderte die Situation der betroffenen Arbeiter. Er forderte das Unternehmen auf, die „Pay Your Workers“-Vereinbarung zu unterzeichnen, die eine Abfindungsgarantie und den Schutz der Vereinigungsfreiheit für alle Beschäftigten in der gesamten Lieferkette jeder Marke, die die Vereinbarung unterzeichnet, vorsieht. Trotz dieser Appelle und des nachweislichen Diebstahls von Abfindungen in seiner Lieferkette weigere sich Adidas, die Vereinbarung zu unterzeichnen.
Unterstützung für das „Pay Your Workers“-Abkommen
„Gemeinsam mit 285 Organisationen weltweit fordern wir die Unterzeichnung des verbindlichen Abkommens Pay Your Workers – Respect Labour Rights (PYW-RLR)“, so Mauro Meggiolaro, Koordinator des Netzwerks Shareholders for Change, und Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Es verpflichte Adidas, gemeinsam mit seinen Lieferanten Verantwortung für die Zahlung von Löhnen und Abfindungen sowie die Einhaltung von Gewerkschaftsrechten zu übernehmen. Die Vereinbarung biete einen strukturierten Ansatz zum Schutz der grundlegenden Rechte von Arbeitnehmern, die im Falle des Verlusts ihres Arbeitsplatzes eine gesetzliche Entschädigung erhalten.
Der Vorschlag geht auf die großen Unterbrechungen der Lieferkette während der Corona-Pandemie zurück. Angesichts der jüngsten Umwälzungen in der Lieferkette, die durch den Zollkrieg mit den USA verursacht wurden, und der zu erwartenden Unterbrechungen der Lieferkette infolge der Klimakrise sei es umso dringender, dass der Lebensunterhalt der Arbeitnehmer geschützt wird, wenn ihre Fabrik geschlossen wird, weil die Produktion eingestellt oder an einen anderen Ort verlagert wird, so die NGOs.
Adidas: „Wir kümmern uns um das Wohlergehen der Beschäftigten in unserer Beschaffungskette“
Am Geschäftsgebaren von Adidas – nicht nur in der Lieferkette – hatte es in der Vergangenheit immer wieder Kritik gegeben, auf die das Unternehmen reagieren musste. „Aus Sorge um die Arbeitsplatzbedingungen und das Wohlergehen der Beschäftigten in unserer Beschaffungskette haben wir Arbeitsplatzstandards für unsere Beschaffungskette entwickelt, die neben sozialen Standards auch die Arbeitssicherheit und -gesundheit der Beschäftigten sowie umweltbewusste Betriebsabläufe gewährleisten sollten“, erklärt Adidas auf der Unternehmes-Website. „In jahrzehntelangem Austausch mit globalen und lokalen Aktivistengruppen, Gewerkschaften und einzelnen Arbeitnehmer*innen haben wir ein umfassendes Wissen und Verständnis für die Auswirkungen auf die Beschäftigten in der Beschaffungskette und auf die am stärksten von Ausbeutung bedrohten Personengruppen wie weibliche Beschäftigte, Kinder, indigene Völker, Wanderarbeiter*innen und andere Minderheitengruppen entwickelt. Wir haben spezielle Programme und Initiativen entwickelt, die sich mit Themen wie Kinderarbeit, Wanderarbeit, Zwangsarbeit, Menschenhandel und Gleichstellung der Geschlechter befassen.„
Foto: Protest gegen den Adidas-Zulieferer Hulu Garment in Phnom Penh (Kambodscha). Copyright © Kampagne für Saubere Kleidung
=> Gegenanträge der Kritischen Aktionäre zur Hauptversammlung
=> Adidas Geschäftsbericht 2024