Friedrichsdorf. – Die internationale Kinderhilfsorganisation World Vision macht im Rahmen des „Monats der psychischen Gesundheit“ auf eine oft übersehene Dimension humanitärer Hilfe aufmerksam: die seelische Not von Überlebenden. Während physische Verletzungen und materielle Verluste nach Katastrophen regelmäßig mediale Aufmerksamkeit erhalten, bleibt das psychische Leid meist im Hintergrund – mit weitreichenden Folgen.
Ob beim Tsunami 2004, dem Erdbeben in Haiti oder jüngst in Myanmar – viele Überlebende kämpfen nicht nur mit Hunger und Obdachlosigkeit, sondern auch mit tiefer seelischer Erschütterung. Sorgen um das eigene Überleben, der Verlust von Angehörigen und das abrupte Ende vertrauter Lebensverhältnisse können zu Angstzuständen, Depressionen oder sogar Suizidgedanken führen. World Vision fordert daher eine stärkere Berücksichtigung psychischer Gesundheitsversorgung in der humanitären Hilfe.
Gabriela Degen betreut bei World Vision diesen Arbeitsbereich. Sie hat in der Praxis beobachtet, dass vor allem jüngere Kinder oftmals nicht verstehen können, warum ihre Welt zerbrochen ist.
„Die Auswirkungen von Katastrophen, Konflikten und schleichenden Krisen wie dem Klimawandel können das Wohl von Kindern auch langfristig beeinträchtigen“, weiß Gabriela Degen „Dann haben sie zwar zum Beispiel durch die Lieferung von Hilfsgütern das eigentliche Desaster überlebt. Aber langfristig leiden sie an schulischen Misserfolgen, an Vereinsamung oder auch an der Unfähigkeit, Konflikte friedlich auszutragen.“ Wichtig sei es vor allem, Traumatisierungen rechtzeitig zu erkennen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Um dem entgegenzuwirken, hat World Vision weltweit mehr als 7.300 Mitarbeitende in psychologischer Ersthilfe geschult. In sogenannten Mutter-Kind-Räumen etwa erhalten Frauen mit kleinen Kindern Schutz, Geborgenheit und Unterstützung beim Wiederaufbau ihrer Lebensperspektive. Ziel ist es, Betroffene zu stärken, statt sie lediglich zu versorgen.
Ein Beispiel ist der elfjährige Nader* aus Nordwestsyrien, der nach dem Erdbeben 2023 nicht nur sein Zuhause, sondern auch seinen Vater verlor. Dank psychosozialer Betreuung geht es ihm heute besser: „Ich mag meine Schule sehr und möchte gerne Arzt werden, damit ich mich um Menschen kümmern kann, die wie ich verletzt wurden.“
Vor allem in Ländern wie Afghanistan, der Ukraine, den palästinensischen Autonomiegebieten, der DR Kongo und Myanmar rückt die psychosoziale Betreuung in den Fokus. „Wir arbeiten dabei viel mit lokalen Experten, aber auch mit internationalen Organisationen als Partnern “, berichtet Gabriela Degen. Zum Beispiel im Westjordanland, wo wir zusammen mit der WHO ein Programm für Jugendliche mit psychischen Belastungen aufgebaut haben.“ Dort kümmern sich Fachkräfte um 10 bis 15-jährige Kinder, die unter Depressionen und Angstzuständen leiden. Eltern und Bezugspersonen werden mit einbezogen. In Gruppensitzungen werden Probleme benannt und Lösungswege erarbeitet. In dem Programm “Impact plus” werden Jugendliche auch dazu ermutigt, gemeinsam eigene Ideen zur Verbesserung ihrer Situation umzusetzen. Gabriela Degen: „Diese Kriseninterventionen zeigen messbare Wirkungen, in dem sie dabei helfen das Erlebte hinter sich zu lassen, Schmerz zu bewältigen und Zuversicht zu stärken. So können die Kinder sich wieder auf Neues einlassen und an ihre Zukunft denken“.
Quelle: www.worldvision.de
Foto: Copyright © World Vision, kostenfreie Verwendung für redaktionelle Zwecke erteilt an epo.de am 26.05.2025.