München. – In deutschen Vorgärten, Bächen und Kleingärten tauchen sie immer häufiger auf: Anakondas, Krokodile, Giftschlangen oder aggressive Schildkröten. Exotische Tiere geraten zunehmend in den Fokus – nicht nur wegen ihrer Faszination, sondern weil ihre Haltung erhebliche Risiken birgt. Die Tier- und Artenschutzorganisation Pro Wildlife warnt eindringlich vor den Folgen mangelnder Regulierung und fordert eine bundesweite Positivliste, die regelt, welche Tiere überhaupt als Haustiere gehalten werden dürfen.
„Jeder kann sich auf Tierbörsen oder im Internet ganz leicht eine Klapperschlange oder ein Krokodil kaufen – das ist absurd und gefährlich. Deutschland braucht endlich klare und bundesweite Regeln, welche Tiere als Haustiere erlaubt sind“, erklärt Dr. Sandra Altherr, Mitgründerin von Pro Wildlife.
Zwischen Fallzahlen und Fahndungen: Deutschlands Wildtier-Wildwuchs
Die Liste aktueller Vorfälle wirkt wie aus einem exotischen Albtraum:
- Pinneberg (Schleswig-Holstein): Im Sommer 2024 sucht die Feuerwehr wochenlang vergeblich nach einer hochgiftigen Afrikanischen Baumschlange.
- Quickborn (Schleswig-Holstein): Eine freilebende Anakonda wird Anfang Juni in einem Bach entdeckt.
- Gimbsheim (Rheinland-Pfalz): Am selben Tag verschwindet ein Netzpython – eine der größten Schlangenarten der Welt – aus einem privaten Terrarium.
- Nordhausen (Thüringen): Ein Nilkrokodil sowie mehrere Gift- und Würgeschlangen werden im Mai aus einem Kleingarten beschlagnahmt.
- Kellinghusen (Schleswig-Holstein): Ebenfalls im Mai wird eine aggressive Geierschildkröte aufgegriffen – vermutlich ausgesetzt.
- Duisburg (NRW): Im August 2024 wird eine Kobra vor einer Arztpraxis gefunden.
„Diese Fälle zeigen, wie unzureichend der Handel und die Privathaltung von Wildtieren in Deutschland geregelt sind“, warnt Altherr. Derzeit existieren nur in zehn von 16 Bundesländern überhaupt gesetzliche Regelungen für sogenannte Gefahrtiere – und diese unterscheiden sich teils deutlich.
Forderung nach einer bundesweiten Positivliste
Pro Wildlife fordert daher seit Jahren eine gesetzlich verankerte Positivliste, wie sie etwa in Belgien, den Niederlanden oder Malta bereits eingeführt wurde. Diese würde genau festlegen, welche Tierarten überhaupt für die private Haltung geeignet und zulässig sind.
„Eine Positivliste würde dreifach schützen: Tierhalter vor bösen Überraschungen, die Öffentlichkeit vor gefährlichen Ausbrüchen und die Tiere selbst vor nicht artgerechter Haltung“, so Altherr.
Sommer – Hochsaison für Reptilienausbrüche
Dass sich exotische Tiere gerade jetzt häufiger in freier Wildbahn zeigen, hat laut Pro Wildlife zwei Hauptgründe: Zum einen werden sie in der Ferienzeit besonders häufig ausgesetzt – sei es aus Überforderung oder weil sie Urlaubspläne stören. „Zum anderen steigt bei wärmeren Temperaturen die Aktivität von Reptilien, die als wechselwarme Tiere besonders im Sommer mobil werden“, erklärt die Biologin.
„Die Haltung exotischer Tiere ist kein harmloses Hobby, sondern ein Tier- und Artenschutzproblem und oft auch ein Gesundheitsrisiko“, warnt Altherr abschließend. „Wir brauchen eine gesetzliche Positivliste auf Bundesebene – zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt.“
Hintergrundinfos:
Positivliste für Haustiere
Gefahrtiere als Haustiere
Quelle: www.prowildlife.de
Foto: Gelbe Anakonda (Eunectes notaeus). Patrick Jean – http://www.museum.nantes.fr/pages/07-actioneducative/banque_herpeto.htm – muséum d’histoire naturelle de Nantes – France. Gemeinfrei Wikimedia Commons