Während die USA ihre multilateralen Verpflichtungen unter Präsident Donald Trump aufgeben, versuchen andere Länder, die hinterlassenen Scherben der Entwicklungszusammenarbeit aufzukehren – allen voran Deutschland unter der neuen Bundesregierung. – So sieht es zumindest die US-Entwicklungsplattform Devex. „Germany dropped strong hints that it’s up to the job„, behauptet Autorin Hayley Mundeva, „Communications Lead“ bei Devex mit Sitz in Ruanda. Sie zieht diese Schlussfolgerung aus der Hamburg Sustainability Conference in der vergangenen Woche und dem Bekenntnis von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) zum Mulitilateralismus. Doch es darf stark bezweifelt werden, dass Berlin die Lücke füllen kann, die USAID hinterlassen wird, meint epo-Herausgeber Klaus Boldt.
Klingbeil habe in Hamburg den Multilateralismus „vollumfänglich verteidigt“ und sich zur Notwendigkeit bekannt, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung „wiederzubeleben“. „Multilateralismus ist die Antwort auf die globalen Herausforderungen“, zitiert Mundeva den deutschen Finanzminister. In seiner Grußbotschaft zur Konferenz (HSC25) mit rund 1.600 Teilnehmern habe Klingbeil gesagt, es sei im gemeinsamen Interesse, den Klimawandel, Vertreibungen, Ungleichheit, Hunger und Armut zu bekämpfen. Für die meisten Länder habe „eine regelbasierte internationale Ordnung die besten Erfolgsaussichten“.
Die „regelbasierte internationale Ordnung“ war bisher die von den USA dominierte Weltordnung. Dass die Bundesrepublik diese Rolle übernehmen kann, ist schlicht Traumtänzerei, auch in Hinsicht auf die Entwicklungsfinanzierung. Dennoch glaubt Devex offenbar, der deutsche Finanzminister könne die Welt retten:
„The dismantling of USAID has left Germany the world’s largest individual donor of official development assistance in absolute terms. But Klingbeil’s announcement also signals Germany’s readiness to champion the multilateral institutions and partnerships that Washington and London have increasingly abandoned. The initiative represents a calculated German bet that Berlin can step into a leadership void. The question now is whether low- and middle-income nations see the commission as a genuine partnership — or just another northern-led initiative.“
Mundeva bezieht sich auf eine angeblichen Plan Klingbeils zur Gründung einer „neuen Nord-Süd-Kommission, die Berlin als Bannerträger für multilaterale Zusammenarbeit in einer zunehmend fragmentierten Welt positioniert„.
Klingbeil in den Fußstapfen Willy Brandts, der in den 1970er-Jahren der Nord-Süd-Kommission Leben einhauchte? Diese Schuhe sind wohl eine Nummer zu groß für den neuen deutschen Finanzminister, der sich von allen Seiten Milliarden-Forderungen für Aufrüstung, die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft und die Sanierung der maroden Infrastrukur im eigenen Land ausgesetzt sieht.
„The commission will develop “new north-south policies for a multipolar world” — acknowledging that Western dominance is ending and Germany intends to help shape what comes next. Germany’s broader strategy includes advancing the G20 Compact with Africa, promoting international tax cooperation, and backing the European Union’s “Global Gateway” initiative.“ (Devex)
Ausgerechnet der deutsche Finanzminister, der angesichts leerer Kassen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung „Sondervermögen“ genannte Schuldenberge anhäufen muss, soll die Führungsrolle bei der Entwicklungsfinanzierung übernehmen? Diese Vorstellung fällt in die Kategorie „Visionen“. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, meinte einst SPD-Ikone Helmut Schmidt.
Was Devex als „deutsche Strategie“ bezeichnet, wird als Luftnummer in die Geschichte eingehen. Genauso wie die Visionen früherer Minister der Kabinette Merkel und Scholz, Deutschland könne „Weltmarktführer“ in den Bereichen Erneuerbare Energie oder Künstliche Intelligenz werden. Deutschland hat die Rolle als „Exportnation Nr. 1“ längst an China verloren – und aufgrund seiner Rolle als „Juniorpartner“ der USA (Habeck) massiv an Ansehen im Rest der Welt. Deutschland bleibt nur in einer Disziplin die Nummer 1: in Sachen Bürokratie!
=> Germany steps into the void USAID left behind (Devex)
Klaus Boldt ist Herausgeber von Entwicklungspolitik Online, der ersten deutschsprachigen Internet-Publikation zur Entwicklungspolitik. Epo.de kann in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiern.