Düsseldorf/New York. – Seit fast einem Jahr verhandeln die UN-Mitgliedstaaten über das Abschlussdokument der vierten UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz (FfD4), die Ende Juni in Sevilla stattfindet. Die Verhandlungen sollen nun vorzeitig abgeschlossen werden. Am Dienstag Abend (17. Juni) wollen die Ko-Vorsitzenden Portugal und Burundi die finale Version, den Compromiso de Sevilla, in New York zur Abstimmung stellen, berichtet erlassjahr.de. Das Entschuldungsbündnis wirft der EU Blockadepolitik vor.
Ein Konsens aller Mitgliedstaaten gilt angesichts anhaltender Differenzen, insbesondere mit den USA, als unwahrscheinlich. Insbesondere auf Druck der EU und anderer Länder des Globalen Nordens wurden am Wochenende zentrale Passagen im Entwurf abgeschwächt. Damit haben Regierungen des Globalen Nordens aus Sicht des deutschen Entschuldungsbündnisses erlassjahr.de die Chance vertan, faire Lösungen für Staatsschuldenkrisen zu schaffen.
In den vergangenen Monaten hatten unter anderem die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS), Mitglieder der Afrikanischen Gruppe sowie Pakistan und Brasilien die Schaffung einer UN-Rahmenkonvention für Staatsschulden gefordert. Zuletzt hat sich auch die Afrikanische Union bei ihrem ersten Gipfeltreffen zu Staatsschulden in Lomé dieser Forderung angeschlossen.
Malina Stutz, politische Referentin bei erlassjahr.de, erklärt: „Die Reform der internationalen Schuldenarchitektur ist das Schlüsselthema der Verhandlungen zur vierten UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz. Im Kern geht es um die Frage, wer bei der Ausgestaltung internationaler Regeln mit am Tisch sitzt“. Etwa im Umgang mit Überschuldungsproblemen gebe es bislang keine völkerrechtlich bindenden Vorgaben – stattdessen geben Gläubigerclubs die Spielregeln vor. Stutz weiter: „Länder des Globalen Südens fordern endlich mehr Mitspracherecht und einen rechtlich bindenden Reform-Prozess im Rahmen der Vereinten Nationen.“
Nach Angabe vertraulicher Quellen, die am Verhandlungsprozess beteiligt waren, haben jedoch führende Gläubigerstaaten diese Forderungen abgelehnt und sich stattdessen dafür eingesetzt, das bestehende System zu zementieren, in dem die Entscheidungsmacht allein bei den wohlhabenden Ländern liegt.
Stutz: „Über das vergangene Wochenende wurde die entscheidende Passage im Abschlussdokument auf Druck der EU und anderer Hocheinkommensländer stark verwässert. Dies ist beschämend und widerspricht der selbstgesteckten Zielsetzung der Bundesregierung.“ Im Koalitionsvertrag von SPD und Union heißt es, man wolle multilaterale Strukturen stärken, insbesondere mit Ländern des Globalen Südens neue Partnerschaften aufbauen und multilaterale Formate mit ganzer Kraft unterstützen. „Deutschlands Position widerspricht den Koalitionsversprechen und schadet dem Ansehen Deutschlands weltweit, da sie internationales Vertrauen untergräbt.“
Gemeinsam mit 11 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen – darunter Brot für die Welt, Misereor und Oxfam – lädt erlassjahr.de am Mittwoch, den 18.6. von 09:30 bis 11:30 zum Presse-Hintergrundgespräch nach Berlin und online ein.
Die entscheidende Passage im Wortlaut
In Paragraf 50 (f) im Abschnitt II. E. Debt and debt sustainability des heute vorgelegten Abschlussdokumentes der vierten UN-Entwicklugnsfinanzierungskonferenz heißt es:
„Building on existing work (…) we will initiate an intergovernmental process at the United Nations, with a view to make recommendations for closing gaps in the debt architecture and exploring options to address debt sustainability, including through holding a dialogue among Member States of the United Nations, the Paris Club, and other official creditors and debtors, along with the IMF and World Bank, other multilateral development banks, private creditors and other relevant actors.“
(Hervorhebungen markieren Ergänzungen, die über das letzte Wochenende von den Ko-Vorsitzenden vorgenommen wurden, um auf den Druck der EU, Großbritannien, Australien, Kanada, Japan, Neuseeland und der Schweiz zu reagieren).
Weitere Informationen:
- erlassjahr.de, Misereor (2025): Schuldenreport 2025
- Ko-Vorsitzende des FfD4-Prozesses (17.06.2025): Letzter Entwurf des Abschlussdokumentes der vierten UN-Entwicklugnsfinanzierungskonferenz
- Live-Übertragung des Abstimmungsprozesses zum finalen Entwurf am 17.06.2025 ab 21:00 Uhr: https://webtv.un.org/en
- Afrodad; APMDD; Latindadd (05.06.2025): Hear the Global South: we need just and transformative outcomes from FfD4
- Eurodad (21.10.2024): UN framework convention on sovereign debt – Building a new debt architecture for economic justice
Das deutsche Entschuldungsbündnis „erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung e. V.“ setzt sich dafür ein, dass den Lebensbedingungen von Menschen in verschuldeten Ländern mehr Bedeutung beigemessen wird als der Rückzahlung von Staatsschulden. erlassjahr.de wird von mehr als 500 Organisationen aus Kirche, Politik und Zivilgesellschaft bundesweit getragen und ist eingebunden in ein weltweites Netzwerk nationaler und regionaler Entschuldungsinitiativen.
Quelle: www.erlassjahr.de