Am 20. Juni vor 34 Jahren gelang es der Eritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF), Äthiopiens Armee zu besiegen. Der Tag wird in Eritrea in jedem Jahr als «Märtyrertag» gefeiert. 1993 gelangte der 45-jährige Isaias Afwerki an die Macht – und hat sie bis heute nicht abgegeben. Damals, 1993, war Afewerki noch auf einem afrikanischen Politikergipfel in Kairo aufgetreten und hatte die älteren afrikanischen Führer getadelt, weil sie «jahrzehntelang an der Macht bleiben» wollten. Der heute 79-Jährige habe sich in seinen drei Jahrzehnten an der Macht noch nie einer Wahl gestellt, und «es gibt wenig Anzeichen dafür, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern würde», schreibt BBC-Redakteur Teklemariam Bekit in einer aktuellen Betrachtung.
Die Hoffnungen, die die Eritreer in den 1990-er Jahren in den reformistischen Afwerki setzten, sind enttäuscht worden. «Isaias Afwerki verbringt jetzt einen Großteil seiner Zeit in seiner ländlichen Residenz auf einem staubigen Hügel etwa 20 km von der Hauptstadt Asmara entfernt», berichtet Teklemariam Bekit.
«Da das Kabinett seit 2018 nicht mehr tagt, fließt alle Macht bei ihm zusammen, und wie ein Potentat empfängt er eine Reihe lokaler Beamter und ausländischer Würdenträger in seiner Rückzugs-Residenz. Gewöhnliche Eritreer hoffen vergeblich, dass Isaias ihnen bei ihren Problemen helfen könnte. (..) Er versprach eine demokratische Ordnung, die die Basis für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung seines Volkes bilden würde. Seine Haltung brachte ihm Beifall von Eritreern und Diplomaten gleichermaßen ein.»
Die Euphorie der frühen Jahre der Unabhängigkeit und die internationale Anerkennung des jungen, unabhängig geworden Landes – all das ist längst verflogen. Der Bruch kam 1998, als in einer Phase der Vorbereitung nationaler Wahlen ein Krieg zwischen Eritrea und dem benachbarten Äthiopien über eine umstrittene Grenze ausbrach. Isaias wurde später vorgeworfen, den Krieg als Rechtfertigung dafür benutzt zu haben, die Wahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben.
2001: Die autokratische Wende
Nach dem Friedensabkommen mit Äthiopien im Jahr 2000 forderten mehrere seiner Kabinettsminister Reformen, ebenso unabhängige Zeitungen. Doch im September 2001 endete die allmähliche Öffnung des Landes aprupt.
«An einem einzigen Morgen schlossen die Behörden alle unabhängigen Zeitungen und brachten kritische Stimmen zum Schweigen. Viele Redakteure und Journalisten wurden festgenommen und nie wieder gesehen. (…) Die Hoffnungen vieler Eritreer wurden zunichte gemacht.»
Er habe «nie die Absicht gehabt, an politischen Parteien teilzunehmen» sagte Afewerki im April 2001. «Für viele wurde klar, so Teklemariam Bekit, «dass der Präsident keine demokratischen Reformen zulassen würde. Das Schweigen der Kritiker und das Versäumnis, Wahlen abzuhalten, brachten ihm und seinem Land den Paria-Status ein.»
2002 löste Isaias Afewerki inoffiziell das Übergangsparlament auf, 2018 das Kabinett. Die autokratische Wende des ehemaligen Freiheitskämpfers sei vorprogrammiert gewesen, meint Abdella Adem, ein ehemaliger Regionalgouverneur und leitender Botschafter, der im Exil in London lebt. Isaias habe nie an Demokratie geglaubt und sei immer von Macht besessen gewesen. Die einstige Befreiungsbewegung EPLF habe er schon vor der Unabhängigkeit mit eiserner Faust angeführt.
Bekit beschreibt Afewerki als politischen Einzelgänger. Er habe sich von der internationalen Bühne zurückgezogen, an keinen Gipfeltreffen afrikanischer Staatschefs und an keinen Sitzungen der UN-Generalversammlung mehr teilgenommen.
Hunderttausende haben das Land verlassen
Laut Weltbank ist die Infrastruktur Eritreas heute in desolatem Zustand, die Wirtschaftstätigkeit aufgrund staatlicher Dominanz und strenger Importkontrollen stark eingeschränkt und der Finanzsektor «schwach». Afewerki selbst räumte im Dezember 2024 Probleme ein. «Eine Subsistenzwirtschaft wird uns nirgendwohin führen. Derzeit sind wir in dieser Hinsicht nicht besser als viele andere afrikanische Länder», erklärte er im Staatsfernsehen.
Afewerki hat noch immer, nicht nur in Eritrea unter ehemaligen Freiheitskämpfern, eine stabile Anhängerschaft, sondern auch in der Diaspora im Ausland. Wie das Land selbst sind auch Befürworter und Gegner des Regimes im Ausland in zwei Lager gespalten. Differenzen zwischen diesen Lagern werden mitunter auch gewaltsam ausgetragen.
Für viele junge Eritreer, die einen unbefristeten Wehrdienst ableisten müssen, sei «das tägliche Leben ein Albtraum», kritisiert Bekit. «Unter einem repressiven Regime stehen sie vor einer Zukunft mit wenig Hoffnung oder Freiheit.» (…) «Desillusioniert durch den Mangel an politischem Fortschritt und erschöpft durch erzwungene Wehrpflicht und staatliche Gewalt riskieren viele ihr Leben» und fliehen ins Ausland. Andere fristen ihr Leben als politische Gefangene in den Gefängnissen des ostafrikanischen Landes.
«In den letzten zwei Jahrzehnten sind Hunderttausende geflohen und haben Wüsten und Meere durchquert, um einen sicheren Hafen zu finden. Eritreer sind derzeit die dritthäufigste Nationalität, die im Vereinigten Königreich den Flüchtlingsstatus erhält.»
Photo: Märtyrertag in Eritrea. Sol Debre, CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons
Quellen: BBC, Wikipedia, allafrica.com
Zum Weiterlesen:
=> Eritrea: Westliche Schlamperei kostet Verbündete (MediaWatch)
=> Three decades, one leader – how Eritreans had their hopes dashed (BBC)
=> Reporting on Africa’s most secretive state (BBC)
=> Eritrea (Wikipedia)