„The worlds number one sponsor of terror“ – mit diesem Etikett belegte US-Präsident Donald Trump den Iran, als er in der Nacht auf Sonntag die Luftschläge auf iranische Nuklearanlagen rechtfertigte. Bundeskanzler Friedrich Merz begrüßte die „Drecksarbeit“ – den völkerrechtswidrigen Angriff auf Irans Atomanlagen – ausdrücklich. Irans Mullah-Regime sprach wiederholt davon, Israel vernichten zu wollen und drohte Israels Schutzmacht USA mit Vergeltung. Woher kommt dieser Hass auf beiden Seiten? Ein Blick in die Geschichte bringt die Antwort, die die meisten deutschen Medien vermissen lassen.
Kurz zusammengefasst, fehlen in den meisten Stellungnahmen von Politikern und in Medienberichten wichtige Fakten und Hintergrundinformationen:
- Das umstrittene iranische Atomprogramm geht auf den Schah von Persien zurück, es ist keine Erfindung der Mullahs. Begonnen wurde es 1959 mit maßgeblicher Unterstützung der USA.
- Der Antagonismus zwischen Juden und Palästinensern, Israel und arabischen Staaten hat seine Ursachen im christlichen Antisemitismus (insbesondere im Mittelalter) und in der Balfour-Deklaration des britischen Imperiums. Die Balfour-Erklärung von 1917 signalisierte das britische Einverständnis an die zionistischen Weltorganisation, auf dem Gebiet des heutigen Israel eine „nationale Heimstätte für das jüdische Volk“ zu errichten. In der Folge löste sie die gewaltsame Vertreibung der Palästinenser aus.
- Wie immer im Nahen und Mittleren Osten geht es den USA und seinen Verbündeten um die Sicherung von Erdölreserven und anderer Rohstoffe. Iran verfügt mit 21,7 Milliarden Tonnen über die viertgrößten Erdölreserven der Welt (Stand: 2020).
- Die islamische Revolution, mit der Mullahs im Iran an die Macht kamen, wäre ohne den vom britischen Geheimdienst MI6 und dem US-amerikanischen Geheimdienst CIA initiierten Sturz der demokratisch gewählten Regierung Mossadegh 1953 nicht möglich gewesen. Der Westen ließ den Schah von Persien fallen und tolerierte Ajatollah Chomeini, um eine angeblich drohende kommunistische Revolution zu verhindern.
- Was im Westen als iranischer Staatsterrorismus oder Unterstützung des Terrorismus betrachtet wird, ist aus Sicht vieler Muslime legitimer Widerstand.
In einem Länderbericht des US-Außenministeriums über den Terrorismus aus dem Jahr 2021 heißt es:
„Der Iran, der 1984 als staatlicher Sponsor des Terrorismus ausgewiesen wurde, setzte seine Unterstützung für terroristische Aktivitäten im Jahr 2021 fort, einschließlich der Unterstützung für die Hisbollah, palästinensische Terrorgruppen in Gaza und verschiedene terroristische und militante Gruppen im Irak, Syrien, Bahrain und anderswo im Nahen Osten.“
Was in der „westlichen Welt“ als Terrorismus gebrandmarkt wird, betrachten viele Beobachter in der arabischen Welt als Widerstand gegen den Imperialismus der USA und regionaler Stellvertreter wie Israel. Dafür gibt es Gründe:
- Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, als Russland und das britische Weltreich die Perser zu territorialen und wirtschaftlichen Konzessionen zwangen, stand Persien, der heutige Iran, unter dem Druck von Kolonialmächten.
- Im Ersten Weltkrieg wurde besetzten russische, britische und türkische Truppen das einst riesige Land, im Zweiten Weltkrieg britische und sowjetische Truppen.
- Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor Iran durch die Ausdehnung des sowjetischen Imperialismus an Territorium und Einfluss.
- Im August 1953 organisierten der britische Geheimdienst MI6 und die CIA einen Staatsstreich und stürzten den demokratisch gewählten Premierminister Mohammad Mossadegh. Die „Operation Ajax“ hat sich tief in das kollektive Bewußtsein der Iraner eingegraben. Der Putschplan war am 1. Juli 1953 vom britischen Premierminister Winston Churchill und am 11. Juli 1953 vom amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower genehmigt worden. Grund war die Verstaatlichung der Ölindustrie: Die Anglo-Iranian Oil Company (AIOC, später umbenannt in BP), dominierte das Ölgeschäft des Landes und weigerte sich, die Gewinne daraus gerecht mit dem Iran zu teilen.
- Entscheidend am Umsturz von 1953 im „Land der Arier“ beteilligt war der Enkel von US-Präsident Theodore Roosevelt, Kermit Roosevelt jr., der eine Pro-Schah-Demonstration und Hunderte Rowdys organisierte, um Unruhe zu stiften. „US-Botschafter Loy Henderson wechselte am 18. August 1953 in Teheran ca. 400.000 US-Dollar bei der persischen Staatsbank Melli in Rial und Toman. Passanten, die ‚Hoch lebe der Schah‘ schrien, bekamen danach wiederum von Jafari eine 10-Rial-Banknote.“ (Wikipedia)
- Der Schah von Persien, Mohammad Reza Pahlavi, modernisierte das Land, geriet aber zunehmend unter Druck der liberalen, kommunistischen und islamischen Opposition. Sein Geheimdienst SAVAK bekämpfte marxistische und islamistische Guerillabewegungen mit brutaler Gewalt. Die Modernisierung stieß von Beginn auf den Widerstand der konservativen schiitischen Geistlichkeit. Besonders Ajatollah Ruhollah Chomeini sprach sich im Pariser Exil gegen das Reformprogramm aus, linke und islamistische Guerillagruppen bildeten sich.
- 1977 kulminierte der Machtkampf in gewaltsamen Demonstrationen, Mord- und Brandanschlägen. Der Westen ließ den Schah 1979 fallen und die islamische Revolution begann.
- Am 1. Februar 1979 kehrte Chomeini aus dem französischen Exil zurück. Er formte aus der ehemals konstitutionellen Monarchie eine Islamische Republik und schaltete alle revolutionären Gruppen nach und nach aus. Seither dominieren islamischen Geistliche die iranische Politik.
- Im März 2000 räumte die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright ein, dass die „Vereinigten Staaten eine bedeutende Rolle bei der Inszenierung des Sturzes des populären iranischen Premierministers Mohammad Mosaddeq gespielt haben“.
- Ab 2013, während der Präsidentschaft Hassan Rohanis, erreichte dieser eine vorsichtige Öffnung des Landes. 2015 wurde mit den UN-Vetomächten und Deutschland ein Vertrag über das Iranische Atomprogramm geschlossen, der aber 2018 von den USA unter Trump gekündigt wurde. Als Reaktion darauf zog sich Iran schrittweise aus dem Abkommen zurück und nahm 2019 die Urananreicherung wieder auf.
Foto: Propagandabild an der US-Botschaft in Teheran. Von Phillip Maiwald (Nikopol) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
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