Berlin. – Sechs in Deutschland vertretene UN-Organisationen haben am Mittwoch vor den Auswirkungen geplanter Etatkürzungen gewarnt. Die drohenden Kürzungen bei der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit gefährden nach Ansicht von UNDP, UNFPA, UNHCR, UNIDO, UNICEF und WFP lebensrettenden Schutz, dringende Gesundheitsversorgung, Ernährungshilfe sowie den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Sie schwächen zudem langfristige Entwicklungsansätze.
Die Kürzungen drohten Menschen in Krisenregionen wie in der Ukraine, Gaza, Sudan, Afghanistan, Syrien und der Sahelzone zu treffen, hieß es vonseiten der sechs UN-Organisationen in Deutschland. Mit dem derzeitigen Haushaltsentwurf plant die Bundesregierung, die Gelder für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit verglichen mit 2024 deutlich zu reduzieren. Die UN-Organisationen drängen deshalb darauf, im parlamentarischen Verfahren weitere Mittel bereitzustellen. Kürzungen würden vieles, was in den vergangenen Jahren aufgebaut wurde, gefährden.
Auch im deutschen Interesse
Eine ausreichende Finanzierung sei zuerst auch im deutschen Interesse selbst. Die Welt befinde sich in einem fundamentalen Wandel. Klimakrise, bewaffnete Konflikte, wachsende Armut und Ernährungskrisen verschärften sich parallel und in bislang nicht gekanntem Tempo. Fast 300 Millionen Menschen weltweit seien auf Schutz und Unterstützung angewiesen. Jedes sechste Kind lebe in einem Konfliktgebiet. Die Zahl der Vertriebenen habe sich in zehn Jahren fast verdoppelt, die der akut Hungernden in nur fünf Jahren. Weiter heißt es in dem Appell:
„Klimafolgen, Konflikte und die prekäre wirtschaftliche Situation vieler armer Länder verschärfen die Lage weiter. Der Fortschritt in der menschlichen Entwicklung befindet sich auf einem 35-Jahres-Tief. Gleichzeitig plant Deutschland drastische Kürzungen – mitten in einer Phase, in der multilaterale Zusammenarbeit entscheidender ist denn je.“
Konkrete Kürzungen und ihre weitreichenden Folgen
Im Auswärtigen Amt soll der Etat für humanitäre Hilfe im Vergleich zu 2024 auf 1,05 Milliarden Euro sinken – eine Kürzung um mehr als die Hälfte. Die Regierung Merz hält sich in ihrem Etatentwurf dabei an den Haushaltsentwurf 2025 der Vorgängerregierung – der scharf kritisiert worden war. Die Kürzungen beträfen insbesondere Programme, die Konfliktregionen stabilisieren sollen.
Auch im Etat des Entwicklungsministeriums (BMZ) sind Einschnitte geplant – „ausgerechnet bei Programmen und Strukturen, die Menschen in fragilen Regionen unterstützen (-31 Prozent gegenüber 2024)„, so die UN-Organisationen. „Schon jetzt steht ein drastischer Rückgang von bis zu 40 Prozent bei den internationalen Geldern einzelner UN-Organisationen im Raum. Die Folgen tragen gerade die schwächsten Menschen: Sollte die Finanzierung ausbleiben, werden weltweit weniger mangelernährte Kinder lebensrettende Hilfe erhalten, weniger Menschen mit sauberem Wasser, Energie und Gesundheitsversorgung erreicht werden.„
Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sind strategische Investitionen
Krisen und Konflikte beschleunigen globale Instabilität. Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit seien deshalb keine Frage der Wohltätigkeit, sondern strategische Investitionen in Sicherheit und Stabilität, betonen die UN-Organisationen. Wer Armut bekämpfe, jungen Menschen Perspektiven gebe und Ernährung sichere, vermindere das Risiko gewaltsamer Konflikte und schwäche den Einfluss extremistischer Kräfte. „Entwicklungszusammenarbeit und langfriste Beiträge in multilaterale Kooperation sind für Deutschlands Sicherheit von zentraler Bedeutung. Ein integriertes Sicherheitskonzept für Deutschland sollte daher sicherstellen, dass Menschen sowohl unmittelbare Hilfe als auch langfristige Unterstützung für wirtschaftliche Entwicklung erhalten und hoffnungsvoll in eine friedliche Zukunft blicken können.„
Deutschlands Rolle im Fokus der Vereinten Nationen
Ein Rückgang des deutschen Engagements gefährdet aus UN-Sicht auch die Handlungsfähigkeit der UN – sei es für humanitäre Hilfe, bei der Bekämpfung von Armut und Hunger, dem Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, globaler Gesundheitsversorgung oder der Förderung nachhaltiger Entwicklung. Das sei besonders kritisch in Zeiten, in denen Deutschland wie kaum ein anderes Land im Fokus der Vereinten Nationen stehe. Als einer der wichtigsten Beitragszahler, als Sitz zahlreicher UN-Organisationen (Bonn) und als global vernetzter Akteur trage Deutschland wesentlich zur Stärke und Glaubwürdigkeit der UN und des Multilateralismus bei.
Foto: Springfield911, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Quelle: Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP)