Berlin. – Die humanitäre Hilfsorganisation Handicap International (HI) reagiert mit großer Besorgnis auf die Entscheidung der Ukraine, aus dem internationalen Vertrag zum Verbot von Antipersonen-Minen, der sogenannten Ottawa-Konvention, auszutreten. Am 29. Juni unterzeichnete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein entsprechendes Dekret.
Für HI, Mitträgerin des Friedensnobelpreises, stellt dieser Schritt eine schwerwiegende Verletzung humanitärer Normen dar. „Wir fordern die Ukraine und alle Staaten auf, die internationalen humanitären Normen einzuhalten und den Schutz der Zivilbevölkerung über alles andere zu stellen“, erklärt Dr. Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International Deutschland. „Wir sind zutiefst besorgt über die Entscheidung der Ukraine, aus dem Übereinkommen über das Verbot von Antipersonen-Minen auszutreten. Darüber hinaus ist der Austritt aus der Ottawa-Konvention während eines aktiven bewaffneten Konflikts nicht zulässig.“
Mit der Ankündigung reiht sich die Ukraine in eine Gruppe von Staaten ein, die entweder bereits aus dem Vertrag ausgetreten sind oder ihre Austrittsabsicht bekundet haben, darunter Finnland, Polen, Estland, Lettland und Litauen. Die Ukraine hatte die Ottawa-Konvention 2005 ratifiziert.
Rückkehr eines geächteten Kriegsmittels nach Europa
„Der Einsatz von Antipersonen-Minen ist seit 30 Jahren auf dem europäischen Kontinent verboten. Jetzt sind sie zurück, und das ist tragisch“, so Fischer weiter. „Wir erkennen das Recht der Ukraine an, sich im Rahmen des andauernden Krieges zu verteidigen. Viele Berichte zeigen aber, dass Antipersonen-Minen in der modernen Kriegsführung nicht mehr wirksam sind. Antipersonen-Minen kontaminieren Gemeinden, Felder und Straßen und stellen eine große Gefahr für die Zivilbevölkerung dar.“
Die Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung sind verheerend: Laut HI sind weltweit über 84 % der Opfer von Landminen Zivilistinnen und Zivilisten. Die tödlichen Überreste des Krieges gefährden nicht nur unmittelbar Leben, sondern behindern auch den Wiederaufbau, die sichere Rückkehr vertriebener Menschen und die langfristige Friedenssicherung.
Ukraine weltweit am stärksten vermintes Land
Seit Beginn der großflächigen russischen Invasion im Jahr 2022 ist der massive Einsatz von Landminen dokumentiert – sowohl durch russische als auch ukrainische Streitkräfte. Die Region Izium wurde bereits 2022 als Einsatzgebiet ukrainischer Antipersonen-Minen identifiziert. Auch die Vereinigten Staaten haben 2024 mindestens zwei Lieferungen solcher Minen an die Ukraine durchgeführt.
Mittlerweile gilt die Ukraine als das am stärksten mit Landminen kontaminierte Land weltweit. Ein Austritt aus der Ottawa-Konvention könnte laut HI das Risiko erhöhen, dass noch mehr dieser Waffen eingesetzt werden, mit schwerwiegenden Folgen für die Zivilbevölkerung.
Appell an die Staatengemeinschaft
Handicap International appelliert eindringlich an die internationale Gemeinschaft, geschlossen auf die Einhaltung des Minenverbots zu pochen. „Wir fordern alle Vertragsstaaten nachdrücklich auf, alle erforderlichen diplomatischen Maßnahmen zu ergreifen, um eine weitere Schwächung einer grundlegenden internationalen Norm zum Schutz der Zivilbevölkerung zu verhindern“, so Fischer.
Quelle: www.handicap-international.de
Foto: Mitglieder der Ottawa-Konvention, Wikipedia Screenshot by epo.de.