Berlin (epo.de). – „Die Lage der Pressefreiheit ist weltweit alarmierend.“ Dieses Fazit zieht Reporter ohne Grenzen (ROG) im jetzt veröffentlichten Jahresbericht der Organisation. „Erschreckend viele Journalisten und Medienmitarbeiter sind im vergangenen Jahr verhaftet oder getötet worden.“ ROG verzeichnete für 2006 insgesamt 871 Festnahmen und 81 Getötete – die höchsten Zahlen seit 1994. Der erste Monat im Jahr 2007 verspreche keine Besserung: Sechs Journalisten und vier Medienmitarbeiter seien allein im Januar wegen oder während ihrer Arbeit ums Leben gekommen.
„Jenseits dieser Zahlen zeichnet sich ein Mangel an Interesse und zuweilen auch ein Versagen demokratischer Staaten ab, uneingeschränkt für Presse- und Meinungsfreiheit einzutreten“, so die Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit. „Staaten der EU etwa müssen sich weltweit stärker für freie Medien engagieren. Bei einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, beispielsweise mit Russland oder China, muss das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung eingefordert werden.“
Auch innerhalb der EU und in den USA wird aus Sicht von ROG die Pressefreiheit immer häufiger durch Verletzung des Quellenschutzes untergraben. Dabei dienten der Anti-Terror-Kampf und die damit einhergehenden Sicherheitsinteressen als Argument.
Im Nahen Osten waren Medienleute im vergangenen Jahr erneut Opfer der chronischen Instabilität in der Region. 64 Journalisten und Medienmitarbeiter wurden laut ROG allein im Irak getötet. Außerdem nahm die Zahl der Entführungen dort und in den Palästinensischen Autonomiegebieten zu. Verschiedene Regierungen hatten wiederholt mehr Demokratie in Aussicht gestellt. Doch von positiven Entwicklungen in Sachen Pressefreiheit könne etwa in Syrien, Ägypten, Saudi-Arabien, Tunesien oder Libyen nicht die Rede sein. Restriktive Pressegesetze, Zensur und Selbstzensur seien an der Tagesordnung.
In Osteuropa und Zentralasien hat sich die Lage nach Angaben von ROG weiter verschärft: So hätten in Russland regierungsnahe Unternehmen weitere Medien aufgekauft, in Weißrussland habe Staatspräsident Lukaschenko rund um seine Wiederwahl die letzten unabhängigen Zeitungen zum Schweigen gebracht, in Usbekistan stünden unabhängige einheimische wie ausländische Journalisten massiv unter Druck und in Kasachstan würden oppositionelle Medien durch neue Gesetze schikaniert.
In Lateinamerika sei vor allem die Situation in Mexiko Besorgnis erregend: Dort wurden neun Journalisten ermordet, ohne dass ein Täter gefasst wurde. In Kuba seien nach wie vor über 20 Journalisten im Gefängnis und in Venezuela und Brasilien gebe es rund um die Wahlen zahlreiche Übergriffe auf Medienleute.
Verletzungen der Pressefreiheit in Asien spiegeln sich laut ROG in 16 getöteten Medienleuten – fast alle außerhalb von Kriegsgebieten -, mindestens 328 Festnahmen, 517 physischen Angriffen oder Drohungen und 478 zensierten Medien wider. Zudem herrsche in Ländern wie China, Nordkorea oder Myanmar systematische Zensur. Uneingeschränkte, freie Meinungsäußerung sei in Asien selten. Positiv ausgewirkt habe sich der Waffenstillstand in Nepal: Zahlreiche Journalisten seien aus der Haft entlassen worden und Medien könnten wieder weitgehend ungehindert berichten. In Kambodscha stehe Diffamierung nicht mehr unter Haftstrafe.
Zahlreiche afrikanische Regierungen, vor allem jene am Horn von Afrika, gehen nach Angaben von ROG hart gegen kritische Medienleute vor. 37 seien allein in Eritrea und Äthiopien hinter Gittern. Die Mörder von Journalisten würden nicht zur Rechenschaft gezogen und in Gambia, Burkina Faso und der Demokratischen Republik Kongo von Regierungen und Politikern geschützt. In Mauretanien hingegen habe die Militärjunta ihr Versprechen eingehalten und Reformen eingeleitet, die Pressefreiheit garantieren.
Diktaturen kontrollieren das Internet mit immer ausgefeilteren Technologien, die häufig von westlichen Unternehmen entwickelt und installiert sind, beklagt Reporter ohne Grenzen. Führend sei China; es werde aber zunehmend kopiert von Vietnam, Syrien, Tunesien, Libyen und Iran. Mindestens 60 Internet-Dissidenten seien in diesen Ländern in Haft, weil sie online ihre Meinung geäußert haben.