Berlin/Paris (epo.de). – Während sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Lage in der sudanesischen Region Darfur sowie die Diskussion um humanitäre Korridore konzentriert, verschärft sich die humanitäre Situation für rund 150.000 Vertriebene im Osten des Nachbarlandes Tschad. Dies bestätigt eine Untersuchung der internationalen Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Die Unterstützung für die Betroffenen sei noch immer völlig unzureichend, und die Mitarbeiter der Organisation stießen bei der Ausweitung der Hilfe auf zahlreiche Schwierigkeiten, teilte die Ärzteorganisation am Freitag mit.
Im Osten des Tschads kam es laut Ärzte ohne Grenzen in den vergangenen 18 Monaten wiederholt zu massiven Angriffen auf Dörfer, was zur Flucht von Zehntausenden Menschen führte. Sie lebten in notdürftigen Unterkünften in Vertriebenenlagern, in denen es an Nahrung, Wasser und medizinischer Behandlung fehle. Zudem sei die Sicherheit in den Lagern nicht garantiert.
Epicentre, das epidemiologische Forschungsinstitut von Ärzte ohne Grenzen, hatte Ende Mai in den Vertriebenenlagern nahe der Stadt Goz Beida eine Untersuchung durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass jeweils eines von fünf Kindern an akuter Unterernährung litt und dass die Sterblichkeitsrate zwischen dem 30. März und dem 20. Mai katastrophal hoch war.
Bis vor Kurzem konzentrierte sich die Hilfe vieler Organisationen im Tschad hauptsächlich auf die Flüchtlinge aus Darfur. Im April 2007 erstellte das Büro der Vereinten Nationen zur Koordination humanitärer Angelegenheiten (OCHA) schließlich einen auf drei Monate ausgelegten Notfallplan. Laut Ärzte ohne Grenzen sind dessen Zielvorgaben bezüglich Nahrung, Wasser und Unterkünften jedoch völlig unzureichend. „In Goz Beida bekommen die Vertriebenen drei bis acht Liter Wasser pro Person und Tag, während es 20 Liter sein sollten“, so Franck Joncret, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen im Tschad. „Lediglich Hundert der unterernährten Kinder werden behandelt, wobei unsere Studie ergab, dass mindestens 2.000 Kinder an akuter Unterernährung leiden. Dies ist inakzeptabel.“
Ärzte ohne Grenzen arbeitet in Dogdor?, Goz Beida, Ad?, Koukou und Kerfi und weitet seine Aktivitäten aus. An einigen Orten steht die Organisation dabei jedoch vor erheblichen Schwierigkeiten. So werde den Mitarbeitern trotz mehrfacher Anfragen noch immer die Erlaubnis verweigert, eine Kinderklinik in Goz Beida zu eröffnen, in der unterernährte Kinder behandelt werden sollen.
Während der Regenzeit, die Ende Juni beginnt, wird eine weitere Zunahme der Unterernährung befürchtet. Zudem werde die Zahl der Fälle von Malaria und Durchfallerkrankungen steigen, so Ärzte ohne Grenzen. Deshalb müsse jetzt dringend reagiert werden, um eine vorhersehbare Verschlechterung der Lage zu verhindern. „Es ist unerlässlich, dass das Ausmaß der Krise im Osten des Tschads erkannt wird und Hilfsorganisationen den Vertriebenen sofortige, umfangreiche Hilfe zukommen lassen“, sagte Isabella Defourny, Programmleiterin von Ärzte ohne Grenzen für den Tschad. „Darüber hinaus muss die tschadische Regierung humanitäre Hilfe erleichtern.“