Berlin. – Eine Woche vor Beginn der Weltklimakonferenz (COP30) in Brasilien hat urgewald die diesjährige Global Oil & Gas Exit List (GOGEL) veröffentlicht. GOGEL ist die umfangreichste öffentliche Datenbank zu Aktivitäten der globalen Öl- und Gasindustrie. Die Daten zeigen: Trotz der Einigung auf der Klimakonferenz COP28 in Dubai, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen einzuleiten, expandieren 96 Prozent der Öl- und Gasproduzenten ungebremst weiter.
Die Investitionen der Industrie in fossile Infrastruktur sind heute noch ähnlich hoch wie zum Zeitpunkt der Einigung in Dubai, berichtet urgewald. Vor der anstehenden COP30 in Brasilien wachse daher der Druck auf die Regierungen, Worten endlich Taten folgen zu lassen. GOGEL umfasst mehr als 1.800 Unternehmen, die Öl und Gas fördern oder neue fossile Infrastruktur entwickeln: Terminals für Flüssigerdgas (LNG), Pipelines oder Öl- und Gaskraftwerke. Mehr als 270 Finanzinstitutionen aus 23 Ländern nutzen derzeit GOGEL, um ihre Portfolios zu überprüfen oder neue Ausschlusskriterien zu entwickeln.
Kurzfristige Expansionspläne 33 Prozent höher als 2021
Öl- und Gasunternehmen planen laut GOGEL, in den kommenden Jahren neue Felder mit 256 Milliarden Barrel Öläquivalent (bboe) in Produktion zu bringen. Die kurzfristigen Expansionspläne der Öl- und Gasproduzenten liegen heute somit um 33 Prozent höher als im Jahr 2021 – dem Jahr, in dem die Internationalen Energieagentur (IEA) erstmals bestätigte, dass, um die Energienachfrage in einer 1,5-Grad-Welt zu decken, keine neuen Öl- und Gasfelder erschlossen werden müssen.
Nur fünf Firmen sind für ein Drittel der weltweiten kurzfristigen Expansionspläne verantwortlich: QatarEnergy (26,6 bboe), Saudi Aramco (18,0 bboe), ADNOC(13,8 bboe), Gazprom (13,4 bboe) und ExxonMobil (9,7 bboe).
„Öl- und Gasunternehmen behandeln das Pariser Klimaabkommen wie eine höfliche Empfehlung – nicht wie einen Überlebensplan“, sagt Nils Bartsch, Leiter der Öl- und Gasrecherche bei urgewald. „Mit kurzfristigen Expansionsplänen im Umfang von 256 Milliarden Barrel Öläquivalent kann von einer Dekarbonisierung keinerlei Rede sein – das ist Verweigerung. Die Branche rast mit Vollgas auf den Klimakollaps zu.“
Milliardeninvestitionen in Exploration
Gemeinsam haben Unternehmen laut GOGEL in den vergangen drei Jahren im Durchschnitt 60,3 Milliarden US-Dollar für die Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen ausgegeben. Dies ist das Fünfundsiebzigfache der Summe, die Staaten bisher bereit waren, in den „Loss-and-Damage-Fund“ der Vereinten Nationen einzuzahlen. Dieser soll Länder unterstützen, die besonders stark unter den Folgen des Klimawandels leiden.
Die chinesischen Staatskonzerne China National Petroleum Corporation (CNPC) und Sinopec, gefolgt von dem mexikanischen Staatskonzern PEMEX, führen die Liste der Unternehmen mit den größten jährlichen Investitionen in Öl- und Gasexploration an. Zu den Top 20 gehören auch die europäischen Konzerne Shell (Platz 6), BP (7), Eni (11), Equinor (12) und TotalEnergies (16).
„Während der ‚Loss-and-Damage-Fund‘ weiterhin komplett unterfinanziert ist, hält die Industrie an ihrer milliardenschweren Explorationsroutine fest und verschärft damit genau das Problem, das der Fonds eigentlich lindern soll“, sagt Fiona Hauke, Öl- und Gasanalystin und Expertin für Finanzregulierung bei urgewald. „Dieses Verhalten ist unmoralisch und finanziell fahrlässig. Regulierungs- und Aufsichtsbehörden müssen beginnen, dies als Risiko und nicht länger als Randnotiz zu behandeln.“
Brasilien: Öl- und Gasbohrungen vor COP30
Im COP30-Gastgeberland Brasilien zeigt sich eindrücklich, wie Öl- und Gasexploration wirksame Klimaschutzmaßnahmen untergräbt. Seit 2021 haben verantwortliche Unternehmen Investitionen in die Suche nach neuen Vorkommen im Land mehr als verdoppelt. Der Staatskonzern Petrobras investierte zwischen 2023 und 2025 durchschnittlich 1,1 Milliarden US-Dollar und liegt damit auf Platz 15 des globalen Rankings.
Kürzlich erteilte die brasilianische Regierung Petrobras, ExxonMobil, Chevron und CNPC die Erlaubnis im Foz-do-Amazonas-Becken mit Explorationsbohrungen zu beginnen. Das Becken liegt in einer Mündung des Amazonas, unweit des Austragungsortes der COP30 in Belém. Es beheimatet ein kaum erforschtes Korallenriff, das sich über 9.300 Quadratkilometer erstreckt und erst im Jahr 2016 entdeckt wurde.
„Brasilien zeigt ein alarmierendes Maß an Doppelmoral – es präsentiert sich auf der COP30 als Klimavorreiter, während die Regierung gleichzeitig die Ausweitung von Öl- und Gasförderung direkt vor den Toren des Gipfels erlaubt und eines unserer empfindlichsten Ökosysteme gefährdet“, sagt Nicole Oliveira, Geschäftsführerin des Arayara International Institute in Brasilien. „Wir werden weiterhin rechtliche Schritte gegen die involvierten Unternehmen und die Regierung einleiten – so lange, wie es nötig ist.“
Unkonventionelle Öl- und Gasexpansion nimmt zu
Auf der Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen werden Unternehmen immer risikobereiter, so urgewald. Die Hälfte aller kurzfristigen Expansionspläne weltweit entfallen auf Ressourcen, die sich nur mit Hilfe von unkonventionellen Fördermethodenerschließen lassen. Diese sind komplizierter und teurer und bergen besonders große Klima- und Umweltrisiken. 38 Prozent der aktuellen globalen Öl- und Gasproduktion ist unkonventionell.
Die meiste unkonventionelle Expansion findet im Bereich Fracking – insbesondere in den USA – und im Rahmen von Tiefstseebohrungen statt. Heute machen Vorhaben in Wassertiefen von mindestens 1.500 Metern 21 Prozent der weltweit geplanten Offshore-Expansion aus. Durch diese enormen Tiefen sind Erschließung und Produktion meist deutlich teurer. Es sei deshalb nicht überraschend, dass vor allem die führenden Riesen der Branche, sogenannte „Oil Majors“ wie ExxonMobil, Eni, Chevron, TotalEnergies und Shell, zu den zehn Unternehmen mit den größten Tiefstsee-Expansionsplänen gehören, stellt urgewald fest.
Foto: Fracking in North Dakota. By Joshua Doubek, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
=> Download von GOGEL 2025: gogel.org
Quelle: urgewald.org







