Berlin (epo.de). – Die Bauern- und Entwicklungsorganisationen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Germanwatch, FIAN und MISEREOR haben die Ergebnisse der „Gesundheitsprüfung“ der Europäischen Agrarpolitik kritisiert. Die Agrarminister setzten weiter auf Exportsubventionen für Milch und Butter. „Statt sich auf den größten Binnenmarkt der Welt – die EU – zu konzentrieren, wird weiterhin auf Export-Dumping in Entwicklungsländer gesetzt. Mit Steuermitteln sollen die planwirtschaftlich erzielten Übermengen dann auf den Weltmarkt verschleudert werden“, sagte Mute Schimpf vom Hilfswerk Misereor.
Die Milchquote soll nach dem am Donnerstag bekannt gegebenen Ergebnis des „Health Checks“ der EU in den kommenden fünf Jahren um jährlich ein Prozent angehoben werden. „Das ist katastrophal für die Milchbauern, denn mehr Quote erhöht den Druck auf die Erzeugerpreise. Lediglich die exportorientierte Molkereiwirtschaft profitiert von dieser Regelung, sie will überschüssige Milchprodukte billig auf dem Weltmarkt absetzen. Sowohl für kostendeckende Erzeugerpreise in Deutschland und Europa als auch für faire Handelsbedingungen ist es notwendig, die Milchmenge in Europa bedarfsgerecht an den Markt anzupassen“, erklärte Bernd Voß, Milchbauer und Vorstandsmitglied der AbL.
„Der von der Bundesregierung durchgesetzte Milchfonds soll zu großen Teilen dazu dienen, bereits durchrationalisierte Betriebe noch ‚wettbewerbsfähiger‘ für den Export zu machen,“ so Tobias Reichert von der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch.
Kritisch sehen die Organisationen auch die Prioritätensetzung von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner in den Verhandlungen im Agrarrat. Vorrang habe für die Bundesregierung die Verteidigung der agrarindustriellen Interessen. Sie habe sich weder für ein definitives Ende von Exportsubventionen noch für eine flexible Milchmengenregulierung nach 2015 eingesetzt. „Milchbauern in Entwicklungsländern droht so noch mehr unfaire Konkurrenz durch subventionierte Exporte“, befürchtet Armin Paasch von der Menschenrechtsorganisation FIAN. „Die Einkommensquellen und letztlich das Recht auf Nahrung von Milchbauern in Ländern wie Sambia und Uganda werden dadurch massiv gefährdet.“
OXFAM: KLEINBAUERN DEN EU-EXPORTEN AUSGELIEFERT
„Die Kürzung der Direktzahlungen für Spitzenempfänger ist nicht ausreichend – rationalisierte flächenstarke Großbetriebe und Lebensmittelkonzerne werden weiterhin zu den Hauptprofiteuren der EU-Gelder zählen“, kommentierte Marita Wiggerthale, Agrar-Expertin bei Oxfam Deutschland. „Die EU-Agrarreform fördert weder den Umweltschutz genügend noch die Schaffung von Arbeitsplätzen – Agrar-Exporte zu Dumping-Preisen können ungehindert weitergehen. Die Bundesregierung und die EU-Kommission nehmen in Kauf, dass in Deutschland sinkende Milch-Preise das Überleben für viele Milchbauern unmöglich machen. Die Kleinbauern in den armen Ländern werden schutzlos den subventionierten EU-Milchexporten ausgeliefert.“
DEUTSCHE WOLLEN KLIMAFREUNDLICHE LANDWIRTSCHAFT
Nach einer aktuellen Umfrage von Greenpeace spricht sich eine große Mehrheit der Bundesbürger für eine klimafreundliche europäische Landwirtschaftspolitik aus. Dazu zählt die Kürzung der Agrarsubventionen zugunsten von mehr Klima- und Umweltschutz (60,6 Prozent der Befragten). Außerdem soll die Milcherzeugung auf den Bedarf im Binnenmarkt begrenzt bleiben (75,5 Prozent). Nach Schätzungen von Greenpeace müssten für eine Erhöhung der Milchquote um fünf Prozent allein in Deutschland 200.000 Kühe mehr gehalten werden. Die Treibhausgasemissionen der Tiere würden rund einer Million Tonnen CO2 entsprechen. Ebenso viele Klimagase stoßen eine halbe Million Autos aus.
Im Auftrag von Greenpeace hatte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im November eine repräsentative Umfrage unter 1.000 Bundesbürgern durchgeführt. Drei Viertel der Befragten stimmten demnach einer Begrenzung der Milchproduktion zu, auch wenn dies zu höheren Preisen führen würde. Für den subventionierten Export von überschüssigen Molkereiprodukten setzten sich dagegen nur ein Drittel der Befragten ein.
WWF: VERPFUSCHTE AGRARREFORM
Die Umweltstiftung WWF zeigte enttäuscht über die Beschlüsse der 27 EU-Agrarminister zur Umverteilung der Agrarsubventionen. „Die Minister haben viel zu kurz gedacht“, so WWF-Agrarexperte Matthias Meißner. „Mit so einer Politik erreicht Europa seine Ziele im Klimaschutz und Wassermanagement, in der Bioenergie und beim Schutz der Artenvielfalt nie.“ Die Minister hatten sich in der Nacht in Brüssel darauf geeinigt, nur zehn Prozent der bisherigen Direktzahlungen für Landwirte, die kaum an Umweltauflagen gekoppelt sind, bis 2012 in die so genannte zweite Säule umzuschichten. Aus dieser wird Umwelt- und Klimaschutz in der EU-Landwirtschaft finanziert. Die EU-Kommission hatte gefordert, die doppelte Höhe umzuverteilen. Die Höhe der Fördermittel für die europäischen Bauern insgesamt bleibt laut WWF gleich.





