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ILO warnt vor Reallohneinbußen für Millionen von Arbeitnehmern im Jahr 2009

ilo report 2008Genf (epo.de). – Die derzeitige globale Wirtschaftskrise dürfte im kommenden Jahr zu schmerzhaften Einschnitten bei den Löhnen von Millionen von Arbeitnehmern in aller Welt führen. Das stellt ein neuer Bericht über Löhne (Global Wage Report 2008/09) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) fest, der am Mittwoch in Genf veröffentlicht worden ist. „Den weltweit rund 1,5 Milliarden Lohnabhängigen stehen schwierige Zeiten bevor“, sagte der Generaldirektor der ILO, Juan Somavia. „Schwache oder sogar negative Wachstumsraten und eine hohe Preisvolatilität bei Lebensmitteln und Energie werden die Reallöhne vieler Arbeiter mindern, besonders in ärmeren Haushalten.“

Die Autoren des Reports warnen darüber hinaus, dass sich Lohnauseinandersetzungen verschärfen werden. Basierend auf den neusten Wachstumsprognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) erwartet die ILO für 2008 einen Reallohnzuwachs von weltweit 1,7 Prozent und für 2009 bestenfalls noch 1,1 Prozent. In einer Reihe von Ländern sei sogar ein Rückgang der Reallöhne zu erwarten. In den Industrieländern dürften die Reallöhne 2008 im Schnitt noch um 0,8 zunehmen, während 2009 ein Rückgang um 0,5 Prozent zu erwarten ist.

LOHNQUOTEN SCHRUMPFEN

Dieser Rückgang folgt auf ein Jahrzehnt, in dem die Löhne nicht mit dem Wirtschaftswachstum Schritt hielten. Dem Bericht zufolge sind zwischen 1995 und 2007 für jedes Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) die Löhne nur um 0,75 Prozent gestiegen. Infolgedessen ist in fast drei Vierteln aller Länder die Lohnquote, also der Anteil der Löhne am BIP, geschrumpft. In  Abschwungsphasen wiederum entwickeln sich die Löhne noch deutlich schwächer: Zwischen 1995 und 2007 fielen die durchschnittlichen Löhne für jedes Prozent BIP-Rückgang um 1,55 Prozent. Dieses Ergebnis gibt auch Hinweise auf die mögliche Entwicklung in der gegenwärtigen Krise.

„Wenn dieses Muster auch auf den gegenwärtigen Abschwung zutrifft, dann würde dies auf eine Vertiefung der Rezession und eine verspätete Erholung hinauslaufen“, warnte Somavia. Der Report empfiehlt deshalb den ILO-Mitgliedsstaaten, die Kaufkraft ihrer Bevölkerung zu schützen und auf diese Weise die Binnennachfrage zu stärken. Die Sozialpartner sollten auf dem Verhandlungsweg versuchen, eine weitere Verringerung der Lohnquote zu verhindern. Gerade die schwächsten Arbeitnehmer sollten darüber hinaus durch Mindestlöhne, in welcher Form auch immer, nachhaltig geschützt werden. Beides könne gegebenenfalls durch staatliche Maßnahmen etwa zur Einkommensunterstützung ergänzt werden, erklärte Somavia.

REGIONALE UNTERSCHIEDE

Der Report belegt allerdings große regionale Unterschiede. Während sich der Reallohnzuwachs zwischen 2001 und 2007 auf höchstens ein Prozent pro Jahr in den meisten Industrieländern – in Deutschland waren es 0,51 Prozent – wie auch in Lateinamerika beschränkte, erreichte er in China, Russland und einigen anderen Transformationsländern zehn Prozent oder mehr.

Ein weiteres Ergebnis ist, dass die Kluft zwischen den höchsten und den niedrigsten Löhnen seit 1995 in über zwei Dritteln aller untersuchten Länder wuchs – mitunter auf ein „sozial unhaltbares Maß“. Unter den Industrieländern wuchs die Lohnungleichheit am schnellsten in Deutschland, Polen und den USA. In anderen Weltregionen nahm sie besonders rapide in Argentinien, China und Thailand zu.

Dagegen gelang es einigen Ländern, die Kluft zu verschmälern, so etwa Frankreich und Spanien sowie Brasilien und Indonesien, obwohl die Ungleichheit in den beiden letztgenannten nach wie vor sehr groß ist.

FRAUEN WEITER BENACHTEILIGT

Das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen ist weiterhin sehr hoch. Auch wenn sich in etwa 80 Prozent der untersuchten Länder der Abstand etwas verringert hat, sind die beobachteten Veränderungen oft nur marginal. In den meisten Ländern erreichen die Löhne von Frauen nur zwischen 70 und 90 Prozent der Löhne ihrer männlichen Kollegen. Einige Länder, vor allem in Asien, weisen jedoch deutlich geringere Unterschiede auf.

Kollektivverhandlungen und Mindestlöhne können dem Bericht zufolge gut miteinander kombiniert werden. Ein höherer Grad der Tarifbindung stelle sicher, dass Löhne stärker auf das Wirtschaftswachstum reagieren, und trage auch zu geringerer Lohnungleichheit bei. Mindestlöhne wiederum können die Lohnungleichheit in der unteren Hälfte der Lohnskala und die Entgeltunterschiede zwischen den Geschlechtern verringern helfen.

Der Report beobachtet eine Reaktivierung von Mindestlöhnen in den vergangenen Jahren, um die sozialen Spannungen zu vermindern, die aus zunehmenden Ungleichheiten resultieren. Weltweit wurden im Zeitraum von 2001 bis 2007 die Mindestlöhne real um durchschnittlich 5,7 Prozent angehoben, und sie stiegen auch im Verhältnis zu den Durchschnittslöhnen.

„Die Legitimität der Globalisierung und von offenen Volkswirtschaften und Gesellschaften hängt davon ab, dass wir zu einem faireren Ergebnis kommen“, sagte Somavia. „Ein zentraler Bestandteil dieser Fairness ist, dass erwerbstätige Männer und Frauen einen fairen Anteil des Reichtums erhalten, den sie erwirtschaften.“

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