Den Haag / Berlin (epo.de). – Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat am Mittwoch Haftbefehl gegen den sudanesischen Staatspräsidenten Omar Hassan al Bashir erlassen. Damit ist erstmals ein Staatschef international zur Fahnung ausgeschrieben. Al Bashir wird vergeworfen, für Völkermord in der westsudanesischen Provinz Darfur verantwortlich zu sein. Der Chefankläger des IStGH, Luis Moreno-Ocampo, warf Bashir vor, er habe den ganzen Staatsapparat in Bewegung gesetzt, “um zweieinhalb Millionen Menschen in den Flüchtlingslagern physisch zu vernichten”.

Noch vor der Verkündung der Entscheidung befahl die sudanesische Regierung Presseberichten zufolge der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), ihre internationalen Mitarbeiter bis zum Mittwoch aus Darfur abzuziehen. Die Zentrale der Organisation in Paris erklärte, sie habe daraufhin rund 70 Helfer aus Süd- und Westdarfur evakuiert. Die sudanesische Regierung habe erklärt, sie könne im Hinblick auf das Gerichtsurteil nicht für ihre Sicherheit garantieren.
HAFTBEFEHL VOLLSTRECKEN
Die außenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Kerstin Müller, erklärte zum Haftbefehl, er sei “lange überfällig” und “ein Meilenstein in der Geschichte im Einsatz für internationale Gerechtigkeit und Menschenrechte”. Weder der Sudan noch die afrikanischen oder arabischen Staaten hätten etwas gegen die Verbrechen unternommen, die weit über 300.000 Tote und an die drei Millionen Vertriebene gekostet hätten.
“Wenn die internationale Gemeinschaft den Völkermord in Darfur schon nicht von vornherein verhindern wollte, dann muss sie jetzt zumindest ein starkes Signal aussenden, dass sie solche schwersten Menschenrechtsverbrechen nicht ungestraft durchgehen lässt”, sagte Müller. “Die Bundesregierung und die EU müssen sich jetzt auch vorbehaltlos für die Vollstreckung des Haftbefehls einsetzen und dem IStGH alle erforderliche Unterstützung zukommen lassen.”
WECKRUF FÜR DIE GEMEINSCHAFT
Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen al Bashir sei “ein Weckruf für die internationale Gemeinschaft, sich endlich engagierter für Frieden und Menschenrechte in Darfur und im gesamten Sudan einzusetzen”, erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). “Auch wenn der Haftbefehl nur unter Schwierigkeiten umzusetzen sein wird, so geht von ihm doch eine Signalwirkung aus”, sagte GfbV-Referent Ulrich Delius. So werde der Sudan in den Blickpunkt vieler Regierungen und der Öffentlichkeit gerückt.
“Die internationale Gemeinschaft muss nun endlich ihr vor langer Zeit gegebenes Versprechen einlösen und für einen wirksamen Schutz der Zivilbevölkerung in Darfur sorgen”, forderte Delius. Sie müsse aber auch ihre Bemühungen verstärken, einen Zusammenbruch des Friedensprozesses im Südsudan zu verhindern.
Delius sagte, dass erstmals ein amtierender Staatspräsident per Haftbefehl gesucht wird, habe sich der Sudan selbst zuzuschreiben. “Vier Jahre lang hat sich die sudanesische Regierung systematisch geweigert, mit dem IStGH zusammenzuarbeiten. Seit fast zwei Jahren deckt sie den bis heute amtierenden sudanesischen Minister für humanitäre Fragen Ahmed Haroun und den Milizen-Führer Ali Kushayb. Gegen beide wurden vor gut zwei Jahren, am 27. April 2007, Haftbefehle ausgestellt. Die sudanesischen Behörden hatten Minister Haroun im Jahr 2008 sogar falsche Personalpapiere ausgestellt, damit er unerkannt an einer Pilgerreise nach Mekka teilnehmen konnte. Beiden Männern werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.”
Die GfbV kritisierte aber auch die “internationale Staatengemeinschaft”, die den Strafgerichtshof bei der Strafverfolgung der Verantwortlichen für die Gräueltaten in Darfur “bislang zu wenig unterstützt” habe. Der Haftbefehl gegen Bashir hätte vermieden werden können, wenn die internationale Gemeinschaft konsequenter auf einer Festnahme der gesuchten Haroun und Kushayb bestanden hätte.
WICHTIGER MEILENSTEIN
Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ sieht in dem Urteil einen wichtigen Schritt dazu, “gravierende Vorwürfe gegen Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen die Menschlichkeit” in geregelten internationalen Rechtsverfahren zu überprüfen und dabei auch nicht vor politisch gewichtigen Akteuren halt zu machen. “Dies ist ein weiterer wichtiger Meilenstein in dem Bemühen der Völkergemeinschaft, international der Kultur der Straflosigkeit entschieden entgegenzuarbeiten und die Herrschaft des Rechts zu etablieren”, sagte die Direktorin von „Brot für die Welt“, Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel. Davon könne eine abschreckende Wirkung ausgehen, die potentiell gravierenden Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen die Menschlichkeit in anderen Kontexten vorbeugen helfe und damit Menschenleben retten könne.
KRITIK VON WORLD VISION
Die internationale Hilfsorganisation World Vision hingegen befürchtet nach dem Gerichtsentscheid neue Gewaltausbrüche und eine Verschlechterung der humanitären Situation in dem ostafrikanischen Land. Verhandlungen zur Lösung des Darfur-Konflikts könnten ebenfalls ins Stocken geraten. “Die bisherigen Friedensbemühungen sind durchaus auf einem guten Weg und ausbaufähig”, sagte Friedensreferent Ekki Forberg. “Wir stellen nicht die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen in Frage, halten es aber für wichtig, dass die sudanesische Regierung als Konfliktpartei am Friedensprozess beteiligt bleibt.”
World Vision rechnet mit einer Verschlechterung der Sicherheitslage “und damit auch der Arbeitsbedingungen für humanitäre Helfer”. Milizentruppen könnten nach einem Haftbefehl gegen al Bashir eine neue Offensive starten. Die größte Gewalt werde in Flüchtlingscamps und Stadtrandslums erwartet, wo verschiedene Ethnien zusammenleben. “Wir könnten Binnenflüchtlinge, die am Existenzminimum leben, nicht mehr ausreichend versorgen, wenn die Gewalt eskaliert”, sagte Forberg.
MACHWERK DES WESTENS
Sudans Präsident al Bashir hatte am Dienstag die Bestrebungen auf Erlass eines internationalen Haftbefehls gegen ihn als Machwerk des Westens bezeichnet, dem es darum gehe, sein Land von der wirtschaftlichen Entwicklung abzuhalten. Al Bashir sprach vor Anhängern anlässlich der Eröffnung eines Wasserkraftwerks im Norden des Sudan.
Die Afrikanische Union und die Arabische Liga hatten ein Tribunal gegen al Bashir abgelehnt. Das Problem in Darfur könne nur von der afrikanischen Staatengemeinschaft selbst gelöst werden. Rund 40 afrikanische und islamische Länder drohten Medienberichten zufolge, dem Internationalen Strafgerichtshof die Anerkennung zu entziehen, falls ein Haftbefehl gegen al Bashir erlassen wird.
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