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Konferenz zu Gewalt gegen Frauen: Null Toleranz

Asha Hagi Elmi Amin,Gründerin der Organisation Save Somali Women und ChildrenBerlin (epo.de). –  Was tun? Wo anfangen? Wie weitermachen angesichts des Schreis von Millionen gefolterter, verstümmelter, vergewaltigter Frauen überall auf dem Globus? Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) versprach bei der Podiumsdiskussion einer hochrangig besetzten Konferenz zum Thema „Gewalt gegen Frauen in Konflikten – wie kann Entwicklungspolitik helfen?“ Zweierlei: „Noch in dieser Legislaturperiode“ eine Gruppe mit Vertretern ihres Ministeriums, der Ministerien für Justiz, Verteidigung, Außenpolitik und Frauenfragen zusammenzubringen, um eine bessere Vernetzung der Aktivitäten zu erreichen. Das Zweite, und das sagte sie gleich zu Anfang: Sie verspreche, „diesen Schrei zu hören und nicht zu ruhen, bis derartige Menschenrechtsverletzungen ein Ende finden und der Respekt vor Frauen auch in ihrer Region verwirklicht ist.“ Es gelte: Null Toleranz.


Gastgeber der Konferenz in der Berliner Akademie der Künste am Mittwoch waren neben dem BMZ InWEnt und das nationale Komitee von UNIFEM (United Nations Development Fund for Women). Jede dritte Frau auf dieser Welt wird gemäß UNIFEM in ihrem Leben einmal vergewaltigt, geschlagen, zum Sex gezwungen oder auf andere Weise misshandelt. Systematische Vergewaltigungen sind Instrumente der Kriegsführung. Und viele Frauen wagen es aus Scham und Angst vor Ausgrenzung nicht, ihre Peiniger vor Gericht zu bringen. Die wesentlichen vier Handlungsfelder, die die Konferenz thematisierte: die Stärkung des Rechtschutzes, die Verantwortung zum Opferschutz, wenn dies die eigenen Länder nicht tun, bessere medizinische Betreuung und Hilfen bei der Rehabilitation, sowie das Einwirken auf und die Sensibilisierung der Sicherheitskräfte sowie der bewaffneten Konfliktparteien.  

Zwei kämpferische Frauen gaben dem Schrei der Frauen auf beeindruckende Weise eine Stimme. Venantie Bisima Nabintu, Generalsekretärin des Women’s Network für Justice and Peace (RFDP) aus Buvaku, Demokratische Republik Kongo, sprach zu Anfang. Sie erzählte von misshandelten, verstümmelten Frauen, Kindern, aber auch Familien in ländlichen Regionen im Osten des Kongos, die massakriert und gefoltert worden sind. Aus Zahlen wurden Gesichter. Nach Schätzungen des UN Menschenrechtsrates sind in der Demokratischen Republik Kongo allein im Jahr 2008 rund 100.000 Frauen auf brutalste Weise vergewaltigt und verstümmelt worden, viele waren noch nicht einmal 12 Jahre alt, manche noch Kleinkinder.

FRAUEN SIND KEINE OPFER

Asha Hagi Elmi Amin, die Gründerin der Organisation Save Somali Women und Children (SSWC), Trägerin des alternativen Nobelpreises 2008, nahm ihr zumeist weibliches Publikum durch einen Sturm von Gefühlen mit, als sie schilderte, wie somalische Frauen in jahrelangem Kampf eine der größten sozialen Umwälzungen erreichten, die das Land erlebt hat: In der traditionellen Gesellschaft der fünf Clans, in der Frauen im politischen und öffentlichen Raum keine Stimme hatten, gelang es den Somalierinnen den sechsten Clan zu etablieren, den Clan der Frauen. So bekamen auch die Frauen eine Stimme im Veränderungsprozess der Gesellschaft und konnten als Abgeordnete in die Nationalversammlung einziehen. Was andere Betroffene daraus lernen könnten? Mit Mut, Einsatz, einem klaren Programm seien Frauen auch in schwierigen Situationen in der Lage, etwas zu verändern. „Frauen sind keine Opfer, sie sind Akteurinnen in den Friedens- und den politischen Prozessen. Und kein Prozess kann die Hälfte der Menschheit ignorieren.“

Ebenso spannend war es, von der schwedischen Soldatin Charlotte Isaksson, früher Gender Beraterin der EUFOR im Kongo, zu hören, welchen Zuspruch Kurse zum Gender-Thema schließlich auch bei höheren Militärchargen fanden. Für Isaksson ein wichtiger Fortschritt, denn immer wieder ist auch Personal der internationalen Friedensmissionen Teil des Problems. Sie forderte neben der Sensibilisierung ein „klares Mandat für die Friedenstruppen“ und „Kooperation zwischen allen Akteuren“: „Jeder will Organisation, aber keiner will organisiert werden.“ Und: „Es ist gefährlicher, eine Frau im Kongo zu sein als ein Soldat.“

Konferenz der Frauen

Oder das flammende Plädoyer von Selmin Çaliskan, Expertin für Frauenrechte bei medica mondiale, die Mitte letztes Jahr verabschiedete Resolution 1820 umzusetzen, nach der Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen einzustufen sind. „Doch Resolutionen haben keine Zähne“ – deswegen müssten sie justiziabel werden und alles, was bisher in diese Richtung verabschiedet worden ist, unter anderem die nun schon fast zehn Jahre alte Resolution 1325 und das  Romstatut als Gesamtpaket gesehen werden, forderte Çaliskan. Es gelte zudem, die „Nahtstellen zwischen Zivilgesellschaft und Good Governance“ zu unterstützen.

ERSTE ERFOLGE

Alle auf dem Podium berichteten aber auch von erfolgversprechenden Ansätzen. Charlotte Isaksson: „Wenn Sie mir vor vier Jahren gesagt hätten, was wir alles erreichen, hätte ich gesagt, du träumst.“ Ein klares Signal in diese Richtung kam von Stephen Rapp, dem Chefankläger beim Sondergerichtshof für Sierra Leone. Dieses Tribunal war 2002 als gemeinsame Aktion der Vereinten Nationen und der Regierung von Sierra Leone ins Leben gerufen worden. Als erstes seiner Art ahndet es nicht nur Verstöße gegen interationales, sondern in bestimmten Fällen auch gegen nationales Recht. Künftig müsse jeder wissen, der Gewalt an Frauen initiiere oder ausübe, dass er früher der später vor den Richter komme: „Es ist nicht mehr die Frage ob, sondern die Frage, wann“, so Rapp. Das sei – neben  den eigentlichen Urteilen – eine  der wichtigsten Errungenschaften dieses Gerichtshofes. Der erste Richterspruch betraf im Juni 2007 drei Anführer des Armed Forces Revolutionary Council (AFRC). Sie wurden als Vergewaltiger wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrecher schuldig gesprochen. Ein Urteil, das auch sexuelle Ausbeutung als Kriegsverbrechen definierte.

Die andere Seite schiderte Selmin Çaliskan, nämlich den noch immer andauernden Kampf unzähliger Aktivistinnen dafür, dass die Fälle von Vergewaltigung, die  ursprünglich in der Anklageschrift des Verfahrens vor dem Haager Tribunal gegen den ehemaligen serbischen Präsidenten Radovan Karadžic enthalten waren, wieder in das Papier aufgenommen werden. Aber „manchmal fehlt der politische Wille“.

Nach der Podiumsdiskussion, moderiert von der Journalistin Conny Czymoch, ging es  für die Konferenzteilnehmer aus aller Welt in die vier „Goldfischgläser“ (Fish-Bowls) und damit zur Diskussion mit Experten über die vier grundlegenden Fragen dieser Konferenz. Wie müssen die Sicherheitskräfte strukturiert sein, um Gewalt gegen Frauen vorzubeugen und das notwendige Training dafür bereitzustellen? Wie kann der Rechtsschutz gestärkt werden? Wie muss die Versorgung und Rehabilitation der Opfer von Gewalt aussehen? Und viertens: Was kann Entwicklungspolitik dazu beitragen, der Gewalt  an Frauen in Konflikt-Gebieten vorzubeugen? Gewalt, die – und daran erinnerte Heidemarie Wieczorek-Zeul in ihrem Resümee zum Schluss der Podiumsdiskussion ebenfalls – ständig zunimmt. Nicht nur gegen Frauen.

Bild (1): Asha Hagi Elmi Amin, die Gründerin der Organisation Save Somali Women und Children (SSWC), Alternativer Nobelpreis 2008

Bild (2, von links): Asha Hagi Elmi Amin,Gründerin der Organisation Save Somali Women und Children (SSWC), Stephen Rapp, dem Chefankläger beim Sondergerichtshof für Sierra Leone, Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, Moderatorin Conny Czymoch, Charlotte Isaksson, frühere Gender-Beraterin der EUFOR, Selmin Çaliskan (medica mondiale). Fotos: Petra Gabriel

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