Berlin (epo.de). – Eritrea, Nordkorea, Turkmenistan, der Iran und Myanmar (Birma) sind die Länder mit der geringsten Pressefreiheit. Das geht aus der neuen Rangliste zur weltweiten Lage der Pressefreiheit hervor, die Reporter ohne Grenzen (ROG) am Dienstag in Berlin veröffentlichte. Obwohl europäische Staaten weiterhin die Mehrheit der ersten 20 Plätze besetzen, sieht ROG die „sukzessive Verschlechterung der Situation von Medien und Journalisten in einigen europäischen Ländern“ mit Sorge. Europa könnte seine langjährige Vorbildfunktion verlieren, warnt die Organisation zur Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit.
Die größte Pressefreiheit herrscht laut ROG in Dänemark, Finnland, Irland, Norwegen und Schweden. Es sei aber „beunruhigend“, dass demokratische Staaten wie Frankreich, Italien oder die Slowakei „jedes Jahr weitere Plätze in der Rangliste verlieren“, sagte ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard bei der Vorstellung der Rangliste 2009. „Europa sollte eine Vorreiterrolle bei der Gewährung von bürgerlichen Freiheiten spielen. Wie können europäische Staaten Verstöße gegen die Pressefreiheit in der Welt verurteilen, ohne sich auf dem eigenen Territorium vorbildlich zu verhalten? Pressefreiheit muss überall in der Welt mit der gleichen Energie und Beharrlichkeit verteidigt werden“, forderte Julliard.
In der Rangliste 2009 hat Frankreich (43. Platz) im Vergleich zum vergangenen Jahr acht Ränge verloren, Italien (49.) ist um fünf Plätze abgestiegen und die Slowakei (44.) sogar um 37 Plätze abgerutscht. Bulgarien (68.) verlor neun Ränge und bleibt damit Schlusslicht unter den EU-Staaten. Der EU-Beitrittskandidat Türkei sinkt um 20 Plätze im Ranking und steht damit auf Rang 122.
Eine Reihe von EU-Staaten wurden damit in diesem Jahr von Staaten mit parlamentarischem System in Afrika – Mali (30.), Südafrika (33.) und Ghana (27.) – sowie in Lateinamerika – Uruguay (29.) und Trinidad und Tobago (28.) – überholt. In einigen europäischen Ländern seien Medienmitarbeiter auch vor körperlichen Angriffen nicht sicher, so der Bericht. In Italien seien mafiöse Gruppen und in Spanien (44., vorher 36.) die ETA für Gewalt und Drohungen gegen Medienvertreter verantwortlich. Auch auf dem Balkan dokumentierte ROG Fälle von Gewalt gegen Journalisten: So wurde in Kroatien (78.) der Eigentümer und Marketing-Direktor der Wochenzeitschrift „Nacional“ bei einem Bombenattentat getötet.
Deutschland stieg um zwei Ränge auf Platz 18 (2008: 20). Als kritisch bewertet wurde unter anderem das im vergangenen Januar in Kraft getretene BKA-Gesetz, das dem Bundeskriminalamt die Möglichkeit der Durchführung von Online-Durchsuchungen und Überwachung der Telekommunikation einräumt. Negativ ins Gewicht fielen auch „Tendenzen der Pressekonzentration, der immer noch unzureichende Zugang zu öffentlichen Informationen sowie vereinzelte Fälle von körperlichen Übergriffen auf Journalisten“.
VERSCHLECHTERUNG IM IRAN UND IN ISRAEL
Bei der Betrachtung der Entwicklung außereuropäischer Staaten fallen insbesondere die großen Rangverluste des Irans sowie Israels ins Auge: Der Iran (172.) gehört zu den Schlusslichtern auf der Liste, hinter ihm folgen nur noch Turkmenistan (173.), Nordkorea (174.) und Eritrea (175.) – alle drei Staaten belegten bereits im vergangenen Jahr die hintersten Ränge. In Eritrea werden immer noch keine unabhängigen Medien zugelassen, so ROG. Nach neuen Festnahmen von Journalisten im Februar 2009 habe sich die Lage in dem ostafrikanischen Land weiter verschärft.
Israel verzeichnet einen Absturz um 47 Positionen und liegt nun auf Platz 93. Dagegen konnten sich die Vereinigten Staaten (20.) in diesem Jahr um 16 Plätze verbessern.
Repressionen, Drangsalierungen und Schikanen hätten sich für iranische Journalisten und Journalistinnen in diesem Jahr extrem verschärft, berichtet ROG. Durch die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad sei das Land in eine tiefe Krise gestürzt. Gleichzeitig verfestige sich die „Paranoia des Regimes gegenüber Medienmitarbeitern und Bloggern“. Die Folge seien wachsende Selbstzensur, staatliche Überwachung von Medien, Misshandlungen sowie illegale Festnahmen und Verhaftungen durch Polizei und Sicherheitskräfte.
Israels Militäroperation „Gegossenes Blei“ im Gazastreifen im Dezember 2008 und Januar 2009 beeinträchtigte ROG zufolge auch die Lage der Medien und Journalisten in Israel selbst: Infolgedessen führe das Land nicht länger die Gruppe der Staaten des Nahen Ostens / Nordafrika an und stehe hinter Kuweit (60.) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (86.). Nicht nur bei der Berichterstattung aus Palästinensischen Gebieten habe Israel scharfe Restriktionen verhängt. Die Militärzensur bedrohe die journalistische Berichts- und Recherchefreiheit auch im eigenen Land. ROG hat zudem eine Reihe von Festnahmen dokumentiert. Einige von ihnen seien „eindeutig ungesetzlich“.
OBAMA-EFFEKT IN DEN USA
Die Vereinigten Staaten haben es in diesem Jahr unter die ersten 20 Staaten auf der Rangliste geschafft. Der neue politische Kurs nach Barack Obamas Amtsantritt im Januar 2009 sei eine Ursache für diese Entwicklung, so RAG. So sei die Zahl der Fälle von Verletzungen des Quellenschutzes im Namen der nationalen Sicherheit zurückgegangen. Zudem gebe es ernstzunehmende Bemühungen, den Zugang zu öffentlichen Informationen zu verbessern.
Ein anderes Bild ergebe sich jedoch in Betrachtung US-amerikanischer Auslandseinsätze. Die Haltung US-amerikanischer Militär- und Sicherheitsbehörden gegenüber Medien im Irak und Afghanistan bleibe besorgniserregend. ROG dokumentierte in beiden Ländern Übergriffe von Journalisten durch das US-Militär sowie mehrere Festnahmen von Pressevertretern.
Für die Rangliste wurden Verstöße gegen die Pressefreiheit und Bemühungen der Staaten, dieses Menschenrecht umzusetzen, im Zeitraum von September 2008 bis Ende August 2009 berücksichtigt. Anhand eines Fragebogens wurden Partner-Organisationen, Korrespondenten-Netzwerke sowie Journalisten, Rechercheure, Juristen und Menschenrechtler in den jeweiligen Ländern befragt.
Rangliste der Pressefreiheit 2009
www.reporter-ohne-grenzen.de