Göttingen. – Die neue politische Führung Tunesiens muss die Rechte der Berber anerkennen und respektieren. Das hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) gefordert. In einem Schreiben appellierte die Menschenrechts-Organisation am Montag an den tunesischen Übergangspräsidenten Foued Mebazaa, den Ureinwohnern zu erlauben eigene Vereine zu gründen, Schriften in ihrer Sprache zu veröffentlichen und ihren Kindern Berber-Vornamen zu geben.
„Nach dem Sturz von Diktator Ben Ali ist ein Umdenken notwendig“, sagte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius in Göttingen. Ben Ali habe die Existenz der Masiren, wie sich die Berber selbst bezeichnen, stets geleugnet. Daher gebe es bis heute auch keine offiziellen Angaben über die Minderheit. Rund zehn Prozent der zehn Millionen Bewohner Tunesiens gelten als Masiren. Sie leben vor allem im Süden des Landes, in der Nähe der Insel Djerba sowie nahe der Grenze zu Libyen und Algerien. Viele Masiren sind als Gastarbeiter auch nach Europa emigriert oder leben in den großen Städten des Landes.
Schon bei der Ausarbeitung der Verfassung Tunesiens im Jahr 1959 wurden die Masiren übergangen. Das Land wurde zur arabisch-islamischen Nation erklärt. Dass dort auch nicht-arabische Masiren leben, werde von der politischen Führungsschicht Tunesiens bis heute ignoriert, kritisierte die GfbV.
Selbst die laizistischen Oppositionspolitiker hätten in ihrem 1988 geschlossenen „Nationalen Pakt Tunesiens“ auf eine Arabisierung des Landes gesetzt, berichtete die GfbV. Ben Ali habe diese Arabisierung unter Zwang vorangebtrieben. So sehe das von ihm 1995 erlassene „Gesetz zum Schutz der Kinder“ eine Erziehung gemäß arabischen und islamischen Werten vor. Kinder von Masiren dürften keine Berber-Namen tragen, und auch im Schulsystem sowie im kulturellen Leben und in den Medien werde die Jahrtausende alte Sprache, Kultur und Geschichte der Berber ignoriert.