Göttingen. – Sechs koptische Christen sind nach Angaben eines Priesters bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen am Dienstagabend in der ägyptischen Hauptstadt Kairo getötet worden. Bei den Zusammenstößen starben auch mindestens fünf Muslime. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist tief besorgt über die anhaltende Gewalt gegen die Kopten. Seit Januar nach den Erkenntnissen der Organisation mehr als 40 Kopten in Ägypten getötet und drei Kirchen niedergebrannt worden.
„Die Kopten haben nach dem Sturz des Mubarak-Regimes zwar noch immer Hoffnung auf ein Ende der stetigen Übergriffe, doch fast jede Woche kommen Kopten aufgrund ihres Glaubens gewaltsam zu Tode“, erklärte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. „Wenn die neue ägyptische Regierung bei den Christen nicht ihre Glaubwürdigkeit verlieren will, dann muss sie ihre Ängste und Anliegen nun endlich ernster nehmen.“
Die jüngste Gewalteskalation geht nach Angaben der GfbV auf die Beziehung einer Muslimin zu einem Kopten in einem Vorort südlich Kairos zurück. Zwar hätten sich die beiden Familien anfänglich ausgesöhnt, obwohl von muslimischer Seite zunächst ein Ehrenmord gefordert wurde. Doch als der Vater es abgelehnt habe, das Liebespaar zu töten, um die Ehre der Muslimin wiederherzustellen, habe einer ihrer Cousins den Vater ermordet. Ein Bruder der Frau habe daraufhin den Cousin getötet.
Der Streit führte laut GfbV dazu, dass 4.000 Muslime in den Abendstunden des 4. März die koptische Gemeinde in dem Ort Soul Atfif angriffen, die Kirche sowie zahlreiche Häuser von Kopten niederbrannten und die Bewohner vertrieben. Rund 1.300 junge Kopten hätten daraufhin am vergangenen Montag vor der Zentrale des ägyptischen Fernsehens in Kairo zu demonstrieren begonnen. Auch vom Premierminister, der die Protestierenden besuchte, hätten sie sich nicht beschwichtigen lassen.
„Das Massaker an 24 Christen in Alexandria in der Neujahrsnacht hat leider nur bei Teilen der muslimischen Mehrheitsbevölkerung einen Schock verursacht und zu Solidarisierungen geführt“, berichtete Delius. Nur knapp einen Monat später seien am 30. Januar in der Provinz Minya zwei Familien mit insgesamt elf Angehörigen ermordet worden. Auf der Sinai-Halbinsel wurden zwei koptische Kirchen niedergebrannt. Am Wochenende des 19./20. Februar wurde Pater David Boutros in seiner Wohnung nahe der Stadt Asyut in Oberägypten erstochen. Zur gleichen Zeit erschossen ägyptische Sicherheitskräfte einen Pater im Kloster St. Bischoi in Wadi el-Natrun. Der Geistliche starb, als Soldaten eine Schutzmauer niederrissen, die die Mönche errichtet hatten, um ihr Kloster vor Überfällen zu sichern. Am 25. Februar wurde laut GfbV nahe der Stadt Sohag ein junger Kopte erstochen, der seine Schwester vor Belästigungen durch gleichaltrige Muslime schützen wollte.