Göttingen. – Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat einen Herkunftsnachweis für das Uran gefordert, das in deutschen Atomkraftwerken genutzt wird. Das Uran werde meist in Gebieten gefördert, in denen Ureinwohner lebten, berichtete die in Göttingen ansässige internationale Menschenrechts-Organisation am Freitag. Die GfbV fordert anlässlich der für Samstag geplanten Menschenkette von Stuttgart zum Atomkraftwerk Neckarwestheim ein Regelwerk nach deutschem Standard zum Schutz der in den Uran-Abbaugebieten lebenden Bevölkerung.
„Die Uranminen befinden sich meist im Gebiet von Ureinwohnergemeinschaften wie bei den Adivasi in Indien, den Tuareg in Niger, den Aborigines in Australien oder den Lubicon- Cree-Indianern in Kanada“, erklärte die GfbV. „Für diese indigenen Völker ist der begehrte Rohstoff längst zum Fluch geworden: Ihr Land ist verstrahlt, ihr Wasser verseucht. Die Menschen werden krank und sterben jung. Viele Kinder kommen missgebildet zur Welt.“
Die Bundesregierung müsse nach der Verlängerung der AKW-Laufzeiten endlich dafür sorgen, „dass in Deutschland nachprüfbar nur Uran verwendet wird, das unter Beachtung strenger Schutzmaßnahmen für Mensch und Umwelt gewonnen wurde“, sagte die Referentin für indigene Völker, Yvonne Bangert. Bisher legten deutsche Energieversorger nicht detailliert offen, in welchen Ländern das Uran für ihre AKW gewonnen wird. Ein Teil solle aus Kasachstan kommen, ein Teil über französische Energiekonzerne, die wiederum in mehreren Ländern – darunter Niger, Kanada und das autonome Inuit-Gebiet Nunavut – an der Uranförderung beteiligt seien.
Mehr als 70 Prozent der weltweiten Uranvorkommen finden sich der GfbV zufolge in Regionen, in denen indigene Völker beheimatet sind. So sei das Land der Tuareg in Niger durch die Uranförderung verstrahlt worden. In einigen ihrer Siedlungen seien die zulässigen Strahlenwerte um das Hundertfache überschritten. Das Grundwasser sei radioaktiv verseucht.
In Australien bedrohe die geplante Erweiterung von Uranminen die Mirrar-Aborigines, so die GfbV. Bei den Lakota-Indianern in den USA sei die Krebsrate erschreckend hoch. In Teilen ihrer traditionellen Gebiete sei das Grundwasser vergiftet, weil dort unzählige kleiner Uranminen und Bohrlöcher ungesichert offen liegen. In Indien hantierten Adivasi als einfache Arbeiter ohne Schutzkleidung mit Uran-Fässern. Hochgiftiger Staub und Abraum verseuchten ihre Felder und Flüsse. Aber auch Inuit in Kanada, Sami in Schweden, Tibeter, Uiguren und Mongolen in China, Papua in Westpapua/Indonesien und indigene Völker in Vietnam seien durch den Abbau von Uran bedroht.
„Fast überall sind die Ureinwohner den verheerenden Folgen der Uranförderung schutzlos ausgesetzt“, kritisierte die GfbV. „Die meisten wissen nicht einmal, wie gefährlich es für sie ist, in einer Mine zu arbeiten oder in der Nähe einer Abraumhalde zu leben. Oft sparen sich Bergwerksbetreiber teure Sicherheitsvorkehrungen und profitieren von billigen Arbeitskräften, für deren Gesundheit und Leben sie keine Verantwortung übernehmen wollen.“ Für einen Adivasi-Sprecher aus Indien organisierte die GfbV deshalb ein erstes Informationsgespräch mit dem Bundesamt für Strahlenschutz in Frankfurt über Sicherheitsbestimmungen.