Berlin. – Als Bewährungsprobe für das neue Afrika-Konzept der Bundesregierung hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die am Dienstag anstehenden Regierungsverhandlungen mit Äthiopien über deutsche Entwicklungshilfe bezeichnet. „Wenn Menschenrechte in der Afrika-Arbeit der Bundesregierung wirklich eine zentrale Bedeutung bekommen sollen, dann muss Berlin seine Entwicklungshilfe für Äthiopien von einer deutlichen Verbesserung der Menschenrechtslage in dem Land am Horn von Afrika abhängig machen“, forderte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius.
Leider deute bislang nichts darauf hin, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) seine Äthiopien-Arbeit kritisch überdenkt und glaubwürdig die Beachtung der Menschenrechte einfordert, so Delius weiter. Er erinnerte daran, dass mehr als 700.000 Menschen in Äthiopien umgesiedelt werden sollen. Ziel der Regierung sei es angeblich, die Versorgung der Bevölkerung auf dem Land zu verbessern und ausländischen Agrarinvestoren Zugang zu großen Landflächen zu verschaffen.
Die GfbV befürchtet nicht nur, dass die ansässige Bevölkerung vertrieben wird. Die Menschenrechtsorganisation hat auch Anlass zur Sorge, dass Großbetriebe nicht für die Nahrungsmittelversorgung in Äthiopien, sondern für den Export produzieren. Zudem übten Behörden massiven Druck auf Bauern und Nomaden aus, um jeden aufkeimenden Widerstand gegen die Umsiedlungspläne zu brechen. In der Afar-Region im Nordosten Äthiopiens seien sogar 260 Dorfälteste verhaftet worden, weil sie sich weigerten, für die Umsiedlung zu werben.
Auch im Südwesten des Landes seien in mehreren Umsiedlungsregionen Dutzende Nomaden festgenommen worden, weil sie als „Unruhestifter“ gelten, so die GfbV. Die Polizeipräsenz sei massiv verschärft worden. Unter den Nomaden herrsche inzwischen ein Klima der Angst. Ein lokaler Polizeichef habe auf einer Dorfversammlung erklärt: „Die Regierung ist wie ein Bulldozer und jeder, der sich den Entwicklungsprojekten widersetzt, wird niedergewalzt wie eine Person, die sich einem Bulldozer entgegenstellt.“
„Mit Menschenrechten und Grundsätzen der Bürgerbeteiligung, die vom BMZ beschworen werden, lässt sich so ein willkürliches Vorgehen nicht rechtfertigen“, sagte Delius. Trotzdem habe BMZ-Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz noch am 10. Juni in einem Schreiben an die GfbV versichert, dass es nach Aussage der äthiopischen Regierung keinen Zusammenhang zwischen Umsiedlungen und großflächigen Landinvestitionen gebe. Äthiopiens Premierminister habe zugesichert, dass auch keine Zwangsumsiedlungen vorgenommen würden. Auch Recherchen von Geberländern vor Ort hätten keine Anzeichen für die Anwendung von Zwang bei den Umsiedlungen erbracht, schrieb Beerfeltz laut GfbV.
„Es ist realitätsfremd, wenn die Bundesregierung darauf wartet, dass die äthiopischen Behörden von sich aus Menschenrechtsverletzungen einräumen“, sagte Delius. „Bei einem solchen Verständnis deutscher Afrikapolitik werden Menschenrechte auch künftig kaum einen Stellenwert haben.“