Göttingen. – Die Regierung Äthiopiens will Regimekritiker aus dem In- und Ausland im wichtigen Medium Rundfunk mit Störsendern mundtot machen. Das hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Mittwoch in Göttingen berichtet. „Diese massive Verletzung der Presse- und Meinungsfreiheit muss Folgen haben für die deutsche Entwicklungshilfe an Äthiopien“, forderte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius.
Die äthiopische Regierung wolle die Ausstrahlung kritischer Sendungen verhindern, berichtete die GfbV. Auch der deutsche Bundestagsabgeordnete Thilo Hoppe (Bündnis 90/Die Grünen) sowie in Deutschland lebende Menschenrechtler aus Äthiopien stünden auf dem 42-seitigen Index. Den US-amerikanischen Radiosender „Voice of America“ (VOA) habe Äthiopiens Informationsminister Bereket Simon bereits aufgefordert, keine Interviews mehr mit Regimekritikern zu senden. Sollte VOA sich nicht daran halten, würden Störsender den Empfang des Programms in Äthiopien dauerhaft unterbinden. Auch der wegen ihrer informativen Sendungen in Äthiopien beliebten Deutschen Welle, in deren Sendungen Hoppe mehrfach vor einer Verarmung der Bauern gewarnt habe, würden ähnliche Schwierigkeiten gemacht.
„Es ist nicht hinnehmbar, dass kritische Berichterstattung zum Beispiel über Umsiedlungen und Landverlust der bäuerlichen Bevölkerung in Äthiopien unterbunden wird, während Deutschland dort Bildungsarbeit mit Millionenbeträgen fördern will“, sagte Delius. „Bevor die Gelder fließen, muss die äthiopische Regierung sich zu einer offenen Informationspolitik bekennen.“ Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hatte am 30. Juni erklärt, Äthiopien werde in den kommenden drei Jahren 38 Millionen Euro für Bildungsprojekte erhalten.
Den Einsatz von Störsendern gegen regimekritische Sendungen in Äthiopien hat der GfbV zufolge der Leiter des Horn-von-Afrika-Dienstes der VOA, David Arnold, bekannt gemacht. Er hatte in seinem Sender über Gespräche des VOA-Rundfunkrates mit der äthiopischen Regierung im Juni 2011 in Addis Abeba berichtet. Dabei hätten sich die Mitarbeiter von Voice of America darum bemüht, dass die Störsender abgeschaltet werden. Ihnen sei jedoch ein 42seitiges Dokument mit zahlreichen Namen von Regimekritikern vorgelegt worden, die nicht mehr interviewt werden dürften. Dazu zählten neben Hoppe die in Deutschland lebenden Menschenrechtler Ato Seyoum H. Mariam und Asayesh Tamiru vom Äthiopischen Menschenrechtskomitee sowie führende äthiopische Oppositionspolitiker und Repräsentanten der diskriminierten Bevölkerungsgruppe der Oromo (Bekele Gerba, Merera Gudina, Negasso Gidada, Seye Abraha, Beyana Soba) und der Somalis (Hamdi Ali Regae).
Arnold sei nach der Ausstrahlung dieser problematischen Informationen Anfang Juli 2011 vom Dienst suspendiert worden, so die GfbV. Nach öffentlichen Protesten sei diese Strafmaßnahme wenige Tage später jedoch wieder zurückgenommen worden.
„Der Versuch, ausländischen Medien, die in Äthiopien senden, Interviews mit Oppositionellen und kritischen Beobachtern zu verbieten, zeigt einmal mehr wie schlecht es um die freie Meinungsäußerung in Äthiopien steht“, sagte der Bundestagsabgeordnete Thilo Hoppe zu dem Bericht. „Nach Angaben des Committee to protect Journalists hat Äthiopien eine der höchsten Exilraten von Journalisten weltweit. Unter dem Deckmantel eines 2009 verabschiedeten Anti-Terror-Gesetzes wurden Zeitungen geschlossen und Journalisten verhaftet. Die Radiofrequenzen des amharischen Programms der Deutschen Welle und der Voice of America werden in Äthiopien immer wieder systematisch gestört.“
Nach den Regierungsverhandlungen mit Äthiopien im Juni habe Entwicklungsminister Dirk Niebel betont, wie wichtig der Menschenrechtsdialog in der deutsch-äthiopischen Entwicklungszusammenarbeit sei. „Wenn dies kein Lippenbekenntnis bleiben soll, dann müssen auch diese neuen Fälle von Verletzungen der Pressefreiheit gegenüber den äthiopischen Partnern klar und deutlich angesprochen werden“, mahnte Hoppe.