Bonn. – Michael Bohnet, ehemaliger Ministerialdirektor im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), ist in den letzten 40 Jahren immer wieder von der Wissenschaft in die Praxis der Entwicklungspolitik (und zurück) gewechselt. Jetzt hat der frühere Chef-Planer und Chef-Verhandler bei acht großen UN-Konferenzen ein umfangreiches Buch über diese Grenzgänge zwischen Forschung und Entwicklungspolitik vorgelegt.
Michael Bohnet ist derzeit Vorsitzender des Kuratoriums des Instituts für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik an der Universität Bochum. Sein Buch enthält rund 30 Aufsätze zu Entwicklungstheorien, zur empirischen Entwicklungsforschung, zu Grundfragen der Entwicklungspolitik, zu Weltkonferenzen, zu thematischen und sozio-kulturellen Fragestellungen der Entwicklungszusammenarbeit, zur Wirtschaftsethik, zur europäischen Entwicklungspolitik, zur EZ mit Afrika und Asien und zur Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit. In diesen Aufsätzen werden u.a. die Pfade zwischen Wissenschaft und Entwicklungspolitik aufgezeigt.
Der Einleitungsaufsatz „Praxis ist geronnene Theorie“ enthält die Quintessenz des Werkes. Sieben Übertragungsmechanismen wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis werden untersucht (das Buch und der Aufsatz, das Gutachten, wissenschaftliche Beiräte, Anhörungen des Parlaments, Enquete-Kommissionen, Ausbildung durch Forschung und Studium und der Transmissionsriemen Presse und Öffentlichkeitsarbeit). Diese Übertragungskanäle werden jeweils mit praktischen Beispielen erläutert.
Ferner werden 18 exemplarische Felder aufgezeigt, in denen der Zusammenhang zwischen Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik im einzelnen herausgearbeitet wurde (u.a. Grundbedürfnisstrategie, Armutsbekämpfung, Verwaltungsförderung und Regierungsberatung, umweltorientierte Entwicklungspolitik, Schuldenerlasse, Washington-Konsensus versus Post-Washington-Konsensus, global governance, Afrikakonzept, internationale Steuern). Das Buch dokumentiert, dass die Umsetzung theoretischer Erklärungsansätze in konkrete Entwicklungspolitik viel stärker ist als allgemein angenommen. Zwischen Wissenschaft und Entwicklungspolitik besteht ein ständiger Übersetzungs- und Rückübersetzungsprozess, der bewirkt, dass sich einerseits die wissenschaftliche Fragestellung stetig verändert und andererseits der Informationsgrad der Entscheidungsträger erhöht wird. Dieser Prozess ist dem Wissenschaftler zuweilen nicht bewusst, häufig werden die Zusammenhänge erst nach Jahren erkannt.
Ein umfangreiches Personenverzeichnis, ein Verzeichnis aller deutschsprachigen Standardwerke/Übersichtswerke zur Entwicklungspolitik von 1960 bis heute sowie eine Übersicht über alle Schriften des Ausschusses Entwicklungsländer des Vereins für Socialpolitik von 1959 bis heute schließen das Werk ab.
Michael Bohnet: 40 Jahre Brücken zwischen Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik. Ökonomische, ökologische, politische, soziale und kulturelle Bezüge. – Mit einem Vorwort von Dirk Messner und einer Einführung von Franz Nuscheler,
Bonn 2011, 687 Seiten, EUR 49,90, ISBN: 978-3-940766-43-4