nothilfe aethiopienRom/Berlin. - Nach mehr als zehn Jahren steigt die Zahl der weltweit Hungernden erstmals wieder an. Das geht aus dem am Freitag erschienenen UN-Report "The State of Food Security and Nutrition in the World 2017" hervor. Danach waren letztes Jahr 815 Millionen Menschen von Hunger betroffen. Das sind elf Prozent der weltweiten Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig wirken sich zahlreiche Formen von Mangelernährung auf den Gesundheitszustand von Millionen Kindern weltweit aus. Die starke Zunahme von 38 Millionen Hungernden binnen eines Jahres ist primär in der anhaltenden Gewalt in vielen Konfliktregionen begründet, so der Bericht. Auch der Klimawandel hat Anteil. 

"Im vergangenen Jahrzehnt ist die Zahl weltweiter komplexer und schwer lösbarer Konflikte dramatisch angestiegen", sind sich die UN-Organisationen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), des UN World Food Programmes (WFP), des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD), des Kinderhilfswerks UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einig. Daneben stellen sie fest, dass ein Großteil der Hungernden in Krisenregionen zu finden ist, wo viele sich nicht selbst versorgen können und Kinder an Mangelernährung leiden.

Rund 155 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind durch Mangelernährung zu klein für ihr Alter, 52 Millionen sind zu schwach, das heißt, das Gewicht und die Körpergröße der Kinder stehen in einem starken Missverhältnis zueinander, so die Studie. Auf der anderen Seite sind rund 41 Millionen Kinder weltweit übergewichtig. Blutarmut unter Frauen und Fettleibigkeit von Erwachsenen geben des weiteren Anlass zur Sorge. Damit sind auch Veränderungen im Ernährungsverhalten ganzer Generationen und globale Konjunktureinbrüche für die Entwicklungen mitverantwortlich.

Der UN-Report ist die erste Untersuchung der Ernährungssituation weltweit mit Blick auf die Agenda der Nachhaltigen Entwicklungsziele 2030. Mit dieser Vereinbarung hat sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, Hunger und alle Formen von Mangelernährung bis Ende 2030 zu beenden.

Besonders bedroht von Hunger sind derzeit Südsudan, Somalia, Jemen und der Nordosten von Nigeria. Aber auch in friedlicheren Regionen haben Dürren und Überschwemmungen, zum Teil in Zusammenhang mit dem Wetterphänomen El Niño sowie globale Konjunktureinbrüche Effekte auf die steigende Zahl von Hungernden weltweit.

"Die Zahlen sind niederschmetternd - angesichts globaler Rekordernten und Höchstständen bei Nahrungsmittelvorräten eine deprimierende Entwicklung", erklärte Philipp Mimkes, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation FIAN. "Einmal mehr zeigt sich, dass Hunger meist nicht in geringen Produktionsmengen begründet liegt, sondern in Ungleichheit, Diskriminierung und Armut. Hungerbekämpfung muss daher – neben der akuten Katastrophenhilfe und der Beendigung kriegerischer Konflikte – zuerst die Rechte marginalisierter Bevölkerungsgruppen stärken."

"Die steigende Zahl der Hungernden in der Welt markiert eine Trendwende in die falsche Richtung", sagte Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe. "Wir haben keine Zeit für leere Versprechen mehr. Auch die zukünftige Bundesregierung muss den Kampf gegen Hunger ganz oben auf die Prioritätenliste setzen und weiterhin Investitionen in die Landwirtschaft und eine faire Agrarpolitik vorantreiben. Noch immer leben drei von vier Hungernden auf dem Land. Gleichzeitig müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um die militärischen Konflikte friedlich zu lösen. Wo Regierungen schwach oder korrupt sind oder gar Krieg gegen die eigene Bevölkerung führen, dürfen wir die Menschen nicht verhungern lassen."

"Brot für die Welt ist erschüttert angesichts der Zunahme der Zahl der Hungernden", betonte Bernhard Walter, Referent für Ernährungssicherheit bei der evangelischen Hilfsorganisation. "Jeder neunte Mensch hungert. Dass jetzt 38 Millionen Menschen mehr hungern als 2015, hat vor allem menschengemachte Ursachen. Allein am Horn von Afrika und in Nigeria sind momentan 20 Millionen Menschen mehr akut vom Hungertod bedroht. Dort schaffen Konflikte, Kriege, Vertreibung und Klimaveränderungen zusätzlich Hunger.

Es sei aber auch ein Skandal, dass in Ländern wie Bangladesch oder Indien immer noch so viele Menschen hungern, sagte Walter. "Obwohl die Rezepte für die Hungerbekämpfung bekannt sind, wird viel zu wenig und dann noch das falsche getan. Besseres Saatgut, weniger Landraub, mehr Umweltschutz, effiziente Infrastruktur und Märkte sind einige der Stellschrauben,  um den Hunger wirksam  zu bekämpfen. Solange eine falsche Agrar- und Wirtschaftspolitik vorherrscht und die Politik sich nicht um die Armen kümmert, wird das Ziel der internationalen Staatengemeinschaft nicht erreicht werden, bis zum Jahre 2030 den Hunger zu beenden."

"Die Bundesregierung will den Hunger gemeinsam mit der Agrarindustrie bekämpfen", kritisierte Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale. "Diese Strategie ist zum Scheitern verurteilt. Die am stärksten von Hunger betroffenen Menschen werden nicht erreicht, kleinbäuerliche Familien verdrängt und ökologische Probleme verschärft. Um den Hunger zu bekämpfen, muss die Politik an den Bedürfnissen von kleinbäuerlichen Familien, Frauen und anderen an den Rand der Gesellschaft gedrängten Gruppen ansetzen und eine Landwirtschaft fördern, die umwelt- und klimagerecht ist. Oberstes Gebot ist eine kohärente Politik, die nicht an einer Stelle das zerstört, was sie anderswo versucht aufzubauen. Konkret gilt es Landraub zu stoppen, die Spekulation mit Nahrungsmitteln einzudämmen und Billigexporte in Entwicklungsländer zu beenden."

=> The State of Food Security and Nutrition in the World 2017

Quelle: www.wfp.org und NGOs


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