Ilisu Staudamm ProjektBern/Berlin (epo). - Bürgermeister aus der Region des im Osten der Türkei geplanten Ilisu-Staudammes und Vertreter lokaler Bürgerinitiativen haben in Bern vor den gravierenden Folgen des Mega-Stausees gewarnt. Der Bau des seit Jahren umstrittenen Wasserkraftwerks am Tigris würde 55.000 Menschen zur Umsiedlung zwingen und Jahrtausende alte Kulturgüter und Ökosysteme zerstören.

Der geplante Ilisustaudamm soll am Tigris 65 Kilometer vor der Grenze zum Irak ein Gebiet von 313 Quadratkilometern überschwemmen und mindestens 52 Dörfer und 15 Kleinstädte in den Fluten begraben. "Bereits vor drei Jahren", so die deutsche Entwicklungsorganisation WEED, "wurde das Ilisu-Staudammprojekt zu den Akten gelegt. Die erzwungene Umsiedlung von bis zu 78.000 Menschen sowie die Überflutung der antiken Stadt Hasankeyf, einer der ältesten bewohnten Orte der Erde, waren ungelöste Probleme." Wegen wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Bedenken hätten sich 2002 alle beteiligten Firmen und die jeweiligen Exportkreditagenturen aus dem Projekt zurückgezogen.

"Einzig der österreichische Konzern VA Tech hält bis heute daran fest", berichtete WEED. Der deutsche Siemens-Konzern übernahm die Firma im Februar 2005. Neben der Abschreibung der Schulden des Unternehmens als Verlustvorträge übernehme Siemens damit auch den Bau des Ilisu-Staudamms. Schon vor drei Jahren war heftig darum gestritten worden, ob eine Hermesbürgschaft für das Projekt erteilt werden soll.

Zum Baukonsortium gehören auch die Schweizer Firmen Alstom, Maggia, Stucki und Colenco. Sie haben einen Antrag für eine Exportrisikogarantie gestellt, der beim Schweizer Bundesrat eingereicht wurde. "Auch der neue Plan zum Bau des Ilisu Staudamms entspricht nicht internationalen Standards. Mit einer Zusage für eine Exportversicherung würde die Schweiz ihre eigenen Umwelt- und Sozialrichtlinien untergraben", kritisierte Christine Eberlein von der Nichtregierungsorganisation Erklärung von Bern (EvB).

Im Januar 2006, so die EvB, haben sich vor Ort erstmals über 30 Gemeinden, Verbände und lokale Bürgergruppen zu einer Initiative zur Rettung von Hasankeyf zusammengeschlossen, die stetig wächst. Dies sei ein Novum in der Geschichte der Osttürkei und zeige den Mut von Verwaltung und Bürgern, in einem immer noch stark angespannten politischen Klima im Osten der Türkei öffentliche Kritik zu äussern. Im Rahmen einer Rundreise appellieren die Vertreterinnen an die zuständigen Behörden in der Schweiz, in Deutschland und Österreich.

Yurdusev Özsökmenler, Bürgermeisterin der Millionenstadt Diyarbakir, erinnerte in Bern daran, dass bereits in den 90er Jahren während des Bürgerkriegs 3.200 Dörfer zerstört worden seien. Die meisten Vertriebenen flüchteten in die Grossstädte Diyarbakir und Batman. "Eine erneute Welle von Dammvertriebenen wäre nicht zu verkraften, sagte Frau Özsökmenler.

Hüseyin Kalkan, Bürgermeister der nahen Grossstadt Batman, macht klar, dass eine Finanzierung des Ilisu Staudamms die westeuropäischen Beteiligten mitschuldig machen würde an der Zerstörung eines bedeutenden Kulturerbes: "Mit dem vorgesehenen Geld für den Damm könnte man den Toursimus einer ganzen Region aufbauen. Das würde wesentlich nachhaltigere Arbeitsplätze schaffen und die einzigartigen Ökosysteme und Kulturgüter am Tigris erhalten." Necattin Pirinccioglu von der Bügerinitiative zur Rettung von Hasankeyf sagte: "10.000 Jahre Geschichte dürfen nicht für 50 Jahre Energiegewinnung geopfert werden".

Ercan Ayboga von der regionalen Kommunalverwaltung berichtete von Umfragen unter den direkt Betroffenen. "Sie beklagen sich, dass sie nicht mitsprechen können und fürchten, aufgrund der mangelhaften Umsiedlungspläne bald das Schicksal jener mehr als 100.000 Menschen zu teilen, die im Zuge anderer gebauter Dämme bereits in den Slums türkischer Grossstädte landeten."

EvB
WEED


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