Yams-Anbau in Indien. Foto: FAOBerlin (epo). - Nach der Regelung von Verfahrensfragen ist der internationale Saatgutvertrag voll funktionsfähig. Dies sei ein "wichtiger Schritt für Ernährungssicherung und biologische Vielfalt in der Landwirtschaft", erklärte Franziska Wolff vom Öko-Institut in Berlin. Bislang haben 103 Länder den Vertrag ratifiziert. Er verpflichtet sie zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Vielfalt und vor allem zu einer gerechten Verteilung der Vorteile, die aus ihrer Nutzung entstehen, zwischen Nord und Süd, Züchtern und Landwirten.

In den vergangenen Tagen hatten die Vertragsstaaten bei einer Konferenz in Madrid die letzten Verfahrensfragen geklärt. Der internationale Saatgutvertrag war 2001 unter dem Dach der Welternährungsorganisation FAO verabschiedet worden.

Die biologische Vielfalt ist nicht nur in Wald und Wiese gefährdet. Auch die Vielfalt landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und Nutztiere nehme beständig ab, vor allem durch die industrialisierte Landwirtschaft, so das Öko-Institut. Die FAO warnte, dass 99,6 Prozent der Kulturpflanzen nicht oder kaum genutzt werden und ein Großteil der Welternährung auf nur zehn Kulturpflanzenarten basiert. Schätzungen gehen davon aus, dass heute nur noch 25 Prozent derjenigen Vielfalt angebaut werden, die noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf den Feldern stand. Ähnliches gilt für Nutztiere.

"Indem der Saatgutvertrag Züchtern die Nutzung wichtiger Nahrungs- und Futterpflanzen in Genbanken als globales Kollektivgut ermöglicht und zugleich die Rechte von Landwirten stärkt, leistet er einen zentralen Beitrag für die Vielfalt von Nutzpflanzen und -tieren, die so genannte Agrobiodiversität", berichtet das Öko-Institut. Dies sei eine wichtige Voraussetzung für die Ernährungssicherheit, vor allem in Entwicklungsländern. Diese seien besonders auf ertragsstabiles, lokal angepasstes und ohne teure Inputs nutzbares Saatgut angewiesen.

"Jetzt ist der Saatgutvertrag endlich voll funktionsfähig", berichtete Franziska Wolff, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Öko-Instituts. Neben Verfahrensregeln, einem Budget und einer Finanzierungsstrategie sei in Madrid die Einrichtung eines Compliance-Komitees beschlossen worden. Vor allem aber seien die konkreten Bedingungen festgesetzt worden, unter denen Züchter künftig Saatgut aus (internationalen) Genbanken beziehen können und gleichzeitig Landwirte in Entwicklungs- und Transitionsländern am Gewinn der Züchter beteiligt werden müssen. "Das ist deshalb wichtig, weil bäuerliche Gemeinschaften über Jahrhunderte hinweg die heute existierende Vielfalt entwickelt und bewahrt haben", so das Öko-Institut.

Züchtungsunternehmen müssen in Zukunft, wenn sie durch ihre Verwendung bestimmter genetischer Ressourcen den Zugang zur Forschung oder züchterischen Weiterentwicklung beschränken - zum Beispiel durch Patente -, einen Ausgleich zahlen. Dieser beträgt 1,1 Prozent ihres Umsatzes des daraus entwickelten Produkts. Er fließt in einen internationalen Fonds. Aus ihm sollen Projekte zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen in Entwicklungs- und Transitionsländern gefördert werden.

Wie wirkungsvoll der Vertrag in Zukunft sein wird, hänge unter anderem davon ab, wie viele Ressourcen Staaten und Unternehmen im Rahmen der Finanzierungsstrategie des Vertrags für Schutz und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen, insbesondere in agrobiodiversitätsreichen Entwicklungsländern, bereitstellen, so das Öko-Institut.

Das Institut empfiehlt, dass sich die Vertragsstaaten, wenn beim nächsten Treffen 2007 die nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen auf der Agenda steht, auch über Reformen nationaler Agrarpolitiken verständigen. "Nur so kann auch in intensiven Agrarsystemen wieder mehr Vielfalt auf den Feldern ('on farm') und Tellern geschaffen werden. Stellschrauben in Europa sind beispielsweise Saatgutverkehrs- und Sortenschutzrecht, Vermarktungsnormen und Subventionen", sagte Miriam Dross, Umweltrechtlerin am Öko-Institut.

Aber auch Lebensmittelindustrie, Handel und  Konsumenten müssten wieder die Vielfalt entdecken. Zudem sollten die Vertragsstaaten diskutieren, wie die Landwirterechte mit Hilfe internationaler Leitlinien national effektiver ausgestaltet werden können.

Das Recht auf freien Austausch und auf die Wiederaussaat von Saatgut sei nicht nur in den Ländern des Südens ein Garant für Vielfalt im Anbau und Ernährungssicherheit", mahnt das Öko-Institut. "Nicht zuletzt müssen die Vertragsstaaten künftig die Möglichkeiten der Patentierung des kollektiv zugänglichen Pflanzenmaterials zurückhaltend auslegen, um Biopiraterie zu verhindern."

In der Praxis ist das Recht auf Wiederaussat von Saatgut durch den Druck der Saatgutkonzerne stark gefährdet. Die US-Administration hatte als eine der ersten Maßnahmen nach der Invasion im Irak Gesetze erlassen, die der Bevölkerung den Anbau von genmanipuliertem und patentgeschützem Saatgut aufzwangen.

[Foto: Yams-Genbank "in the field" in Südindien ? FAO, L. Withers (IBPGR)]

Öko-Institut
Weiterführende Informationen zum Thema Agrobiodiversität


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