deutsche zusammenarbeit 150Berlin. - Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die "Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung" beschlossen. "Der teils rasante Wandel in Afrika und die wachsende Bedeutung des Kontinents verlangen eine neue Ausrichtung der Afrikapolitik der Bundesregierung", heißt es zur Begründung. Die neuen Leitlinien der Großen Koalition aus CDU und SPD stellen ein neues Konzept für die Beziehungen zu den 55 Staaten Afrikas dar und sollen u.a bewaffnete Konflikte in Afrika vermeiden helfen. Notfalls sei Deutschland auch zur Entsendung von weiteren Soldaten bereit, erklärte die Koalition. Die Afrikanische Union (AU) und ihre Mitglieder sollen Krisen künftig zudem besser eigenständig bewältigen können. Dazu will Deutschland - wie in Mali bereis geschehen - unter anderem Poilizei- und Militärhilfe leisten.

 Die Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung fassen Rahmenbedingungen, Grundsätze und Schwerpunkte der Afrikapolitik der Bundesregierung zusammen. Mit den Leitlinien wurde das Afrika-Konzept von 2011 aktualisiert und an die neue Ausrichtung der Afrikapolitik angepasst, so das Auswärtige Amt(AA). Der Kontinent zeichne sich durch vielfältige positive Entwicklungen, aber auch durch weiter bestehende Herausforderungen aus. Gleichzeitig stiegen die Erwartungen der afrikanischen Partner und der internationalen Gemeinschaft an Deutschland.

Die Bundesregierung will künftig mehr Prioritäten in der Zusammenarbeit setzen. Und die Arbeit der einzelnen Ministerien - z.B. die humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes, Entwicklungsprojekte des Entwicklungsministeriums (BMZ) oder die Unterstützung von Friedenseinsätzen durch das Verteidigungsministerium (BMVg)  - sollen künftig noch besser ineinander greifen. 

"Afrika hat sich gewandelt", erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). "Viele gute Entwicklungen auf unserem Nachbarkontinent wie wachsender Wohlstand und erfolgreiche regionale Kooperation haben ebenso wie Konflikte und Terrorismus, wie Migrationsdruck und politische Instabilität auch unmittelbar Folgen für uns in Europa."

Deutschland müsse daher seinen Blick auf Afrika weiten und "seinen politischen Instrumentenkasten der Vielfältigkeit Afrikas anpassen", so der Außenminister. Steinmeier bekräftigte weiter: "Mit den Leitlinien wollen wir einerseits positive Entwicklungen auf dem Kontinent gezielter unterstützen und andererseits auch Krisen und Gefahren schneller und entschiedener als bisher entgegenwirken."

Grundlegende Ziele des neuen Konzepts sind (laut Papier) die Stärkung von afrikanischer Eigenverantwortung und regionaler Integration sowie gezielte Unterstützung in den Bereichen der Guten Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Wirtschaftsentwicklung und Krisenprävention. 

Bei seiner Afrika-Reise im März 2014 hatte sich Steinmeier bereits über die afrikanische Sicherheitsarchitektur und Fortschritte bei der Entwicklung afrikanischer Kapazitäten im Bereich Frieden und Sicherheit informiert. Deutschland möchte afrikanische Trainingseinrichtungen nach Angaben des AA aktiv mit militärischen und polizeilichen Ausbildern unterstützen und z.B. beim Aufbau einer Polizeieinheit der Afrikanischen Union (AU) mitwirken. 

Dies schließe aber nicht aus, dass sich Deutschland mit "Schlüsselfähigkeiten" an europäischen und internationalen Missionen beteiligt: So würden derzeit die Missionen der Europäischen Union (EU) und der Vereinten Nationen (UN) in Mali, EUTM und MINUSMA, ebenso unterstützt wie die EU-Operation ATALANTA zur Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika und die UN-Mission UNMISS im Südsudan. 

Die neuen Leitlinien der Bundesregierung sind das Ergebnis eines umfassenden Abstimmungsprozesses, den das Auswärtige Amt Anfang dieses Jahres angestoßen hat. Sie lösen das bisherige Afrika-Konzept ab, das 2011 von der damaligen Bundesregierung verabschiedet worden war. Die neuen Leitlinien wollen das Engagement der einzelnen Ressorts noch stärker als bisher miteinander verzahnen, um schneller, entschiedener und wirksamer als bisher reagieren zu können. Als große Probleme Afrikas werden u.a. soziale Ungleichheit, Hunger, fehlende Bildung, hohe Geburtenraten und die Benachteiligung von Frauen genannt.

An den Leitlinien hatten Bundeskanzleramt, Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium und Experten monatelang gearbeitet. In dem Papier wird ausdrücklich auf das Potenzial der afrikanischen Märkte für die deutsche Wirtschaft verwiesen. Als wichtigste Konkurrenten der Europäer werden China und Indien genannt, aber auch die Türkei, Brasilien, Japan und die USA.

"Welche Interessen will Deutschland in Afrika verfolgen?", fragte vor dem Kabinettsbeschluss der Leiter des Referates Subsahara-Afrika der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), Manfred Öhm. "Gemäß der konservativen Position, formuliert etwa von Verteidigungsministerin von der Leyen, sind dies "die Versorgung mit strategisch wichtigen Gütern, strategische Handelsinteressen und die Sicherheit deutscher Staatsbürger in Afrika". Man fordere daher konsequent die "Stabilisierung Afrikas", Krisenvorbeugung und "afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme".

Ein einheitliches Label für 54 Staaten sei "so unrealistisch wie unnötig", konstatiert Öhm. "Der Kontinent ist  mit wirtschaftlich hochdynamischen Ländern wir Nigeria oder Südafrika und  akuten Krisenstaaten  wie der Zentralafrikanischen Republik, Mali, Sudan und Südsudan heterogen – und wird dies auf absehbare Zeit auch bleiben. Notwendig ist folglich eine differenzierte Afrikapolitik, die sich von vereinfachenden Leitbildern löst und die jeweils eigenen historischen Hintergründe  und Herausforderungen in den Blick nimmt."

"Partnerschaft mit den Ländern Afrikas auf Augenhöhe geht anders", sagte Niema Movassat, Obmann der Fraktion DIE LINKE im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) des Bundestages. "Diese afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung werden bestehende Probleme und Ungleichheiten nur vertiefen und zementieren. Sie sind wenig hilfreich, wenn es um die bitter notwendige Kehrtwende in der deutschen Afrikapolitik geht."

Movassat weiter: "Während die Bundesregierung versucht, sich als neuer Freund Afrikas zu inszenieren, drängt sie zugleich auf den Abschluss neuer Freihandelsverträge, die katastrophale ökonomische und soziale Auswirkungen für die afrikanischen Länder haben. Sie lässt weiter munter Waffen exportieren und unterstützt neuerdings sogar die ehemalige Kolonialmacht Frankreich militärisch.

In dem Papier fehle "jede Spur einer Analyse oder kritischen Bestandsaufnahme der Mitverantwortung Deutschlands und Europas an vielen politischen, ökonomischen und sozialen Problemen der Länder Afrikas", kritsierte Movassat. "Stattdessen stehen eigennützige Ziele, wie die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen, der Ausbau von Absatzmärkten für die deutsche Wirtschaft oder auch die weitere Abschottung von afrikanischen Migrantinnen und Migranten im Vordergrund. Die Entwicklungspolitik soll so auf die Rolle reduziert werden, für Rechtssicherheit und politische Stabilität zur Absicherung von Investitionen in Afrika zu sorgen."


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