Berlin. - Das Berliner FAIRgabe-Bündnis hat das Vorgehen der Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer massiv kritisiert. Die frühere Cheflobbyistin der deutschen Pharmaindustrie habe am Dienstag eine Reform des Vergaberechts angekündigt, "die im Vorfeld allein mit den Wirtschaftsverbänden abgestimmt worden ist", erklärte das FAIRgabe-Bündnis am Donnerstag in Berlin. Das Bündnis wurde von Gewerkschaften sowie umwelt- und entwicklungspolitischen Verbänden gegründet und setzt für eine sozial und ökologisch vertretbare Beschaffung in öffentlichten Institutionen ein.
Die Stimmen des Berliner FAIRgabe-Bündnisses seien bei der Vergaberechtsreform nicht gehört worden, klagte das FAIRgabe-Bündnis. Auch der seit Ende Juni überfällige Vergabebericht sei nicht abgewartet worden. "Es kann nicht sein, dass dieses breite Bündnis, welches die Umsetzung des Vergabegesetzes in Berlin seit vielen Jahren begleitet, völlig außen vor gelassen wird", sagte Alexander Schudy vom Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag. "Wir fordern eine umgehende Beteiligung der Zivilgesellschaft."
Das FAIRgabe-Bündnis setzt sich dafür ein, dass Aufträge der öffentlichen Hand in Berlin unter Berücksichtigung ökologischer, sozialer und menschenrechtlicher Kriterien vergeben werden. "Die Verankerung sozialer und ökologischer Kriterien im Berliner Vergabegesetz ist bundesweit vorbildlich und darf nicht aufgeweicht werden", betonte Heiko Glawe, Regionsgeschäftsführer des DGB Berlin. Zuletzt habe auch die Reform der Vorgaben zur öffentlichen Beschaffung auf europäischer Ebene ein klares Signal in diese Richtung gesetzt: Die im Januar 2014 angenommenen EU-Richtlinien stärkten die Anreize und die Vorgaben zu einem sozial und ökologisch verantwortlichen Einkauf der öffentlichen Hand.
Das FAIRgabe-Bündnis begrüßte zwar, dass im Rahmen der geplanten Reform die regionalen Wertschöpfungsketten gestärkt werden sollten. Dabei müssten aber soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt werden. "In der Vergangenheit war es gerade für nachhaltig wirtschaftende kleinere Betriebe nahezu unmöglich den Zuschlag zu erhalten, weil die Aufträge nach dem billigsten Preis vergeben wurden", sagte Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Landesverbandes Berlin. Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes umfasse nicht nur die Anschaffungskosten für das Angebot, sondern auch soziale und ökologische Auswirkungen und Folgekosten, die durch Nutzung und Entsorgung entstehen.
Laut einer Medienmitteilung der Wirtschaftssenatorin vom 19. August vergeben das Land Berlin und die landeseigenen Unternehmen jährlich Aufträge im Wert von rund vier bis fünf Milliarden Euro. Die geplante Vergabereform solle das bisherige Prozedere "mit hohen bürokratische Hürden sowie dem Grundsatz, im Zweifelsfall das billigste Angebot auszuwählen" ablösen, weil bisher kleinere Berliner Betriebe, aber auch sehr innovative Firmen der Hauptstadt leer ausgegangen seien. Mit einer Senatsvorlage zur Vereinfachung und Modernisierung der Vergabepraxis wolle Cornelia Yzer das zügig ändern und dadurch die Wirtschaftskraft Berlins stärken.
"Wenn wir es schaffen, dass zukünftig nicht nur die billigsten, sondern auch die neuesten und wirtschaftlichsten Produkte berücksichtigt werden, können wir allen anderen zeigen, was Innovation 'Made in Berlin' alles kann“, so Cornelia Yzer. Nicht nur über die von der Technologiestiftung Berlin zu schaffende Clearingstelle, die als Katalog für die Auftraggeberseite fungieren solle, sondern auch "über die Devise, künftig innovative Produkte bei der Auftragsvergabe zu bevorzugen", wolle die Senatorin neue Technologien in die öffentliche Vergabe einbinden, heißt es in der Medienmitteilung.
Cornelia Yzer (53) gehört der CDU an und ist seit dem 27. September 2012 Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung im Senat von Berlin. Sie war von 1997 bis 2011 Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa).
Zum FAIRgabe-Bündnis gehören der DGB, die Dienstleistungsgewerkschaft verdi, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), das entwicklungspolitishe INKOTA-Netzwerk, der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag (BER), Germanwatch sowie Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (weed).
Quelle: www.ber-ev.de