Düsseldorf. - Mit 124 gegen elf Stimmen bei 41 Enthaltungen hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Nacht zum Mittwoch eine von den Entwicklungsländern (G77 und China) eingebrachte Resolution angenommen, die die Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens fordert. Deutschland sei gegen die Resolution und isoliere sich dabei selbst im weiteren Prozess, erklärte erlassjahr.de am Mittwoch in Düsseldorf.
Mit der Entschließung (124 Ja- Stimmen bei nur 11 Nein-Stimmen) verpflichtet sich die UNO, im Lauf der 69. Sitzungsperiode bis zum Ende des Jahres ein rechtlich verbindliches Entschuldungsverfahren zu entwickeln. Das Entschuldungsbündnis erlassjahr.de arbeitet im Rahmen der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung an einem entsprechenden Konzept mit.
"Die Entschließung stellt einen enormen Rückenwind für alle Staaten dar, die nicht länger in den von den Gläubigern beherrschten und ineffizienten Foren in Paris und Washington über ihre Schuldenprobleme verhandeln wollen", kommentierte erlassjahr.de die Entscheidung.
Zusammen mit nur wenigen Industriestaaten habe die deutsche Bundesregierung gegen die Resolution gestimmt. "Es ist beschämend, dass die Bundesrepublik, die ihr Wirtschaftswunder einer großzügigen und kohärenten Schuldenstreichung verdankt, bei dieser historischen Abstimmung auf der falschen Seite steht", sagte erlassjahr.de-Koordinator Jürgen Kaiser.
Sowohl von CDU/CSU wie auch von der SPD geführte Bundesregierungen hätten in den letzten 15 Jahren "selbst genau die gleiche Forderung nach einem rechtsstaatlichen Entschuldungsverfahren erhoben", so erlassjahr.de. "Jetzt hat Deutschland sich nicht einmal der sich enthaltenden Mehrheit der EU-Länder angeschlossen."
Kaiser: "Die Bundesregierung hat im Vorbereitungsprozess der Resolution jede Stellungnahme zur Sache verweigert. Sie hat die Entschlossenheit der ärmeren Länder unterschätzt, sich nicht erneut mit unverbindlichen Formulierungen abspeisen zu lassen. Ihre Glaubwürdigkeit als Gestalterin einer künftigen Entwicklungsagenda hat sie mit dieser Selbstisolierung erst einmal verspielt."
Nach Meinung von Brot für die Welt wäre ein solches Entschuldungsverfahren ein großer Fortschritt in der Debatte um einen Schuldenerlass armer Länder, weil er verschuldete Staaten besser vor der Willkür von Gläubigern, etwa großen Hedgefonds, schützen könnte. Das evangelische Hilfswerk hat zahlreiche Projekte im globalen Süden. "Gerade kleine und ärmere Länder leiden unter der Last der Schulden, weil ihnen dringend benötigte Mittel für die Investitionen etwa in Gesundheit und Bildung fehlen", so Eva Hanfstängl, Referentin für Entwicklungsfinanzierung von Brot für die Welt. Das evangelische Hilfswerk ist daher seit 15 Jahren Mitglied in der Initiative erlassjahr.de.
Hintergrund des Vorschlags der G77 ist die jüngste Erfahrung Argentiniens. Das südamerikanische Land wurde von einem US-Gericht zur Zahlung von 1,3 Milliarden US-Dollar auf Altschulden aus den neunziger Jahren an den Hedgefonds NML Capital verurteilt, die der sogenannte Geierfonds während der argentinischen Staatskrise zu einem Bruchteil dieser Summe aufgekauft hatte. Brot für die Welt beklagt, dass auch andere, vor allem arme Länder, wie Sambia, Äthiopien und die Demokratische Republik Kongo bereits Opfer dieser unmoralischen "Geierpraxis" wurden, die Entwicklungserfolge durch Entschuldung zunichte macht.
Eva Hanfstängl: "Anders als Unternehmen haben Staaten nicht die Möglichkeit, bei Zahlungsunfähigkeit ein geordnetes Insolvenzverfahren zu durchlaufen, sondern unterliegen der willkürlichen Rechtsprechung durch die Gläubiger." Dadurch würden Schuldenkrisen verzögert und Anreize für spekulatives Verhalten gesetzt. Ein Staateninsolvenzverfahren würde hier Rechtsverbindlichkeit schaffen und Zeit sparen.
"erlassjahr.de - Entwicklung braucht Entschuldung“ ist das größte entwicklungspolitische Bündnis in Deutschland mit Mitträgerorganisationen aus Kirche, Politik und Zivilgesellschaft. erlassjahr.de ist eingebunden in ein Netzwerk von rund 50 ähnlichen Kampagnen und Bündnissen weltweit. Sie alle wollen es nicht hinnehmen, dass untragbar hohe Schulden in vielen Ländern des Südens wichtige Investitionen in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur unmöglich machen.
Quellen: www.erlassjahr.de | brot-fuer-die-welt.de