Minna (epo). - "Beschäftigungs orientiertes Programm zur Entwicklung der Privatwirtschaft" (Employment-oriented Private Sector Development Program, EoPSD) heißt ein Projekt, dass die Gesellschaft für technische Zusammarbeit (GTZ) in Nigeria aufbaut. Es besteht aus drei Komponenten: Neben dem Bereich Dienstleistungen für die Entwicklung privatwirtschaftlicher Aktivitäten (Business Development Services, BDS) gehören die berufliche Aus- und Weiterbildung (Skill and Training Development, STD) sowie Finanzdienstleistungen (Financial Services, FS) zu den Kernaufgaben. Obwohl erst in der Startphase, hat das Programm bereits eine Vielzahl von Aktivitäten entwickelt, von denen die meisten in den Bereich Aus- und Weiterbildung fallen. Bildungsmaßnahmen für junge Unternehmer, Marktfrauen oder angehende Journalisten und Consultants werden ergänzt durch Kurse, in denen Staatsbediensteten die Möglichkeiten einer lokalen Wirtschaftsförderungspolitik nahe gebracht werden.
"Hier ist das Dorf der Mechaniker", verkündet Nneka Akwunwa, die nigerianische Koordinatorin des "Beschäftigungs-orientierten Programms zur Entwicklung der Privatwirtschaft" der GTZ in ihrer unbeschwerten Art. "Schau Dich in aller Ruhe um." Wir sind am Stadtrand von Minna in Zentralnigeria, wo etwa 200 Automechaniker ihre vorwiegend aus Wellblech und Holz bestehenden Werkstätten scheinbar planlos errichtet haben. Hier und da liegen ausgeschlachtete Karosserien herum, deren Achsen auch schon mal als Stützen für die Dächer der Betriebsgebäude herhalten müssen.
Minna, die Hauptstadt des nigerianischen Bundesstaates Niger, ist einer der Orte, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von EoPSD geeignete Partner für ihre Arbeit gesucht und gefunden haben. Irgendwo in dieser Ansammlung von Hütten und Schrott ist auch die Werkstatt von Jamil Lawal zu finden, der der Vorsitzende der Nationalen Automobilmechaniker-Vereinigung Nigerias (NATA) im Bundesstaat Niger ist.
Ein junger Mann, der sich als der Sohn von Herrn Lawal vorstellt, nimmt sich meiner an. Sein Vater sei noch unterwegs, Reifen wechseln. Also beginnen wir mit einem Rundgang durch das Mechanikerdorf. Dabei wird klar, dass der erste Eindruck täuscht: Es gibt eine funktionierende Arbeitsteilung mit spezialisierten Werkstätten für Karosseriebau, Motorprobleme, Schweißarbeiten und Fahrwerksreparaturen. Dazwischen stehen Läden mit gebrauchten Ersatzteilen, die sorgfältig sortiert sind und dem potentiellen Käufer selbstbewusst wie in einem kleinen Supermarkt zum Verkauf dargeboten werden.
"200 Mechanikermeister arbeiten hier", klärt mich Jamil Lawal etwas später auf. "Jeder führt seinen eigenen Betrieb und insgesamt beschäftigen sie etwa 400 Lehrlinge". Aber dies sei nur eines von drei Mechanikerdörfern allein in Minna. "Und im gesamten Bundesstaat Niger sind etwa 6000 Meister in der NATA organisiert", schätzt Lawal. Rechnet man die etwa 12.000 Lehrlinge und Angestellten hinzu, hängt allein in diesem nigerianischen Bundesland das Überleben von mindestens 60.000 Menschen direkt oder indirekt vom wirtschaftlichen Erfolg der Branche ab.
Doch die Mechaniker haben eine ganze Menge Sorgen und nicht in allen Fällen hilft ihnen ihre obligatorische Mitgliedschaft in der NATA. Zwar unterstützt sie ihre Mitglieder bei Problemen mit dem äußerst unübersichtlichen nigerianischen Steuersystem, hilft, staatliche Leistungen einzufordern und bietet neuerdings auch regelmäßig Fortbildungen an. Auch juristischer Beistand etwa bei Polizeiübergriffen wird gewährt.
Digitaler Graben auch bei Autowerkstätten
Überfordert sind die Betriebe in der Regel allerdings mit der Buchführung, der Betriebsorganisation und Managementfragen. Und mit dem zunehmenden Import modernerer Fahrzeuge häufen sich auch die technischen Probleme: Vor allem elektronische Bauteile stellen die nigerianischen Mechaniker vor unüberwindliche Schwierigkeiten. Die digitale Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern erstreckt sich eben nicht nur auf Informations- und Kommunikationstechnologie. "Bisher können wir weder Einspritzanlagen, noch Automatik-Getriebe oder ein Antiblockier-System reparieren", gibt Laval zu. Zudem gebe es zwar Meisterprüfungen, aber die Verfahren seien bisher nicht standardisiert. Auch die Weiterbildungsmaßnahmen müssten noch verbessert und vereinheitlicht werden.
"Wir sind derzeit noch in der Planungsphase", bemerkt Nneka Akwunwa dazu. Zwar stehe schon fest, dass EoPSD mit der NATA kooperieren werde, aber der genaue Umfang der Zusammenarbeit sei noch nicht abschließend festgelegt. "Die NATA hätte gerne ein Service Center, bei dem teure, für den einzelnen Mechaniker unerschwingliche Werkzeuge ausgeliehen werden können, und entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen, die es den Mechanikern erlauben, auch Reparaturen an modernen Fahrzeugkomponenten auszuführen."
Denkbar sei zum Beispiel, dass EoPSD die technische Ausrüstung und das Know How für den Bau stellt, während die NATA für den Baugrund und das eigentliche Gebäude inklusive Inneneinrichtung sorgt. "Wichtig ist, dass sich hinterher niemand die Infrastruktur aneignet", betont Akwunwa. "Die Mitglieder der NATA haben schon jeweils 10.000 Naira (umgerechnet etwa 67 Euro) eingezahlt, um das Projekt anzuschieben. Das war ein ermutigender Start." Ziel sei es, dass die NATA die neuen Einrichtungen betreibt und aus den Einnahmen nicht nur das nötige Personal bezahlt, sondern diese möglichst auch dazu nutzt, ihr Dienstleistungsangebot zu verbessern und auszubauen.
Die Kooperation mit der NATA gehört zum Bereich Dienstleistungen für die Entwicklung privatwirtschaftlicher Aktivitäten (Business Development Services, BDS) von EoPSD. Insgesamt besteht das Programm aus drei Komponenten: Neben BDS gehören die berufliche Aus- und Weiterbildung (Skill and Training Development, STD) sowie Finanzdienstleistungen (Financial Services, FS) zu den Kernaufgaben. Akwunwa legt Wert darauf, dass alle Leistungen von nigerianischen Partnern angeboten werden, dass die Partnerorganisationen grundsätzlich substanzielle Eigenbeiträge leisten und dass EoPSD konkrete Leistungen übernimmt, aber nicht einfach Geld auszahlt. Die Aufgabe von EoPSD sieht sie im Wesentlichen in der Unterstützung der Partner bei der Umsetzung ihrer neuen Ideen.
Obwohl erst in der Startphase, hat das Programm bereits eine Vielzahl von Aktivitäten entwickelt, von denen die meisten in den Bereich Aus- und Weiterbildung fallen. Bildungsmaßnahmen für junge Unternehmer, Marktfrauen oder angehende Journalisten und Consultants werden ergänzt durch Kurse, in denen Staatsbediensteten die Möglichkeiten einer lokalen Wirtschaftsförderungspolitik nahe gebracht werden. "Auch staatliche Stellen müssen die Chance bekommen, dazu zu lernen", resümiert Akwunwa. Bisher gebe der Staat nur Geld, dessen Verwendung nicht kontrolliert werde. "Manchmal kaufen sich die Nutznießer sogar einfach eine zweite oder dritte Frau davon." Vor allem auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene seien politische Förderkonzepte praktisch unbekannt.
"Die technische Ausbildung beschränkt sich in Nigeria fast ausschließlich auf die Theorie", beschreibt Gabriele Noack-Spaeth, die EoPSD für die GTZ in der Startphase leitet, die Situation. Schulabgänger bekommen aufgrund mangelnder praktischer Erfahrungen deshalb nur sehr schwer Jobs." Darum werde darauf geachtet, die Weiterbildungsmaßnahmen möglichst mit konkreten Chancen für die Teilnehmer zu verknüpfen. Ein Kurs für junge Hochschulabgänger mit dem Berufswunsch Journalist oder Schriftsteller wurde beispielsweise mit dem nigerianischen Schriftstellerverband ausgerichtet, der den Probanden gleichzeitig eine Probemitgliedschaft anbot. "So sichern wir unserer Zielgruppe Teilhabe an professioneller Unterstützung und maßgeblichen Informationen", hebt Noack-Spaeth hervor.
Spezielle Syergieeffekte
In einen anderen Fall deckt EoPSD sogar eigenen Bedarf mittels der Projektarbeit. "Wie jedes Programm brauchen wir eine Wirkungsanalyse", berichtet Noack-Spaeth. "Dafür schulen wir junge, arbeitslose Universitätsabsolventen als Consultants. Aber wir bilden sie eben nicht nur weiter, sondern beschaffen ihnen im Projekt auch die ersten Aufträge." So können die angehenden Berater ihren zukünftigen Markt kennen lernen, potentielle Kunden treffen, Erfahrungen sammeln und EoPSD bekommt die benötigten Daten zu mäßigen Preisen.
Generell sind alle EoPSD-Maßnahmen eng verzahnt. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit der NATA. Das geplante Werkzeugzentrum fällt in den Bereich Entwicklung privatwirtschaftlicher Aktivitäten (BDS). Die Schulung der künftigen Mitarbeiter des Zentrums ist dagegen dem Feld Aus- und Weiterbildung (STD) zuzuschlagen. Sollte sich herausstellen, dass die NATA für die Durchführung der Arbeit zusätzliche Finanzmittel benötigt, sei eine Ergänzung um Mikrofinanzdienstleistungen wünschenswert. "Hier ist eine sehr breit angelegte Arbeit möglich und nötig", so Noack-Spaeth.
Die Förderung kann Arbeitsplätze schaffen helfen
"Die BDS und STD laufen schon sehr gut", freut sich Akwunwa. "Nur der Mikrofinanzbereich macht uns noch Sorgen. "Um hier voran zu kommen, arbeiten wir mit Organisationen aus dem Süden des Landes zusammen." EoPSD steht beispielsweise in Verhandlungen mit der Stiftung für Gemeinwesenentwicklung aus Lagos und dem Runden Tisch für Gemeinwesenentwicklung und Mikrofinanzen aus Benin-City. "Insgesamt gilt, dass hier im Norden Nigerias die Probleme nicht konsequent angegangen werden, was auch mit dem kulturellen Hintergrund zu tun hat", berichtet Akwunwa. Im Süden Nigerias sei die Entwicklung in vieler Hinsicht wesentlich weiter, dort wisse man bereits um die Bedeutung einer sauberen Buchführung, planvoller und organisierter Vorgehensweisen oder angepasster Managementmethoden.
"Der Dienstleistungssektor in Nigeria ist gerade im Entstehen begriffen", fasst Gabriele Noack-Spaeth die derzeitige Situation zusammen. Für Consultants zum Beispiel bestehe in Nigeria bisher praktisch kein Markt - der Bedarf sei aber durchaus vorhanden. "Wir gehen davon aus, dass eine Nachfrage nach derartigen Dienstleistungen noch gar nicht bestehen kann, weil die Menschen vor Ort so etwas gar nicht kennen. Das wurde bisher nie angeboten", fasst Noack-Spaeth die Überlegungen zusammen. Deshalb werde auch keine ausgedehnte Bedarfsanalyse vorgenommen. Der Bedarf aber sei bekannt und die entsprechenden Produkte würden direkt am Markt getestet. "Die wesentliche Frage ist: Wo haben die Partner Kapazitäten, wo muss gefördert werden und wie kann ich die neuen Angebote mit dem mutmaßlichen Bedarf zusammen bringen", meint Noack-Spaeth
Noack-Spaeth arbeitet schon seit Jahren in Nigeria und hat im Süden des Landes reichhaltige Erfahrungen gewinnen können. Im Bereich BDS kann sie beispielsweise auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Handelskammer in Lagos verweisen, die einen eigenen Informationsservice entwickelt hat oder die kleinen und mittleren Unternehmen unter ihren Mitgliedern gezielt bei der Teilnahme an Messen im Ausland unterstützt. Die Handelskammern im derzeitigen Projektgebiet - ebenfalls Partner von EoPSD - können nun von den Erfahrungen der Kollegen in Lagos profitieren.
Ungewöhnlich an EoPSD ist auch die Art und Weise, wie die Partner ausgewählt werden. "Die Entscheidungen über etwaige Kooperationen laufen als permanenter Prozess, und das soll auch in der eigentlichen Projektphase so bleiben", betont Noack-Spaeth. Dabei wird die Zusammenarbeit auf jeweils begrenzte, genau definierte Aktivitäten beschränkt. "Wir handeln keine fest laufenden Partnerschaftsverträge aus. Wenn es gut funktioniert, intensiviert man die Kooperation - wenn nicht, suchen wir andere Partner." Die Wettbewerbssituation unter den nigerianischen Organisationen fördert deren Eigenanstrengungen. Die nötige Transparenz wird unter anderem mittels einer Internet-Seite garantiert, auf der unter www.eopsd.net alle für eine potentielle Zusammenarbeit bedeutsamen Voraussetzungen genannt und die laufenden Projekte vorgestellt werden.
Zwei Tage später geht es nach Lafia, der Hauptstadt des Bundesstaates Nasarawa, wo der Verband der Reismüller seinen Sitz hat. Die Reisproduktion in Westafrika ist in den letzten Jahren durch eine veritable Krise gegangen, da durch Marktöffnungen vor allem thailändischer Reis zu einer ernsthaften Konkurrenz geworden ist. Dieser ist zwar etwas teurer als das lokal produzierte Angebot, besitzt aber eine bessere Qualität.
Lafia wirkt ländlich, aber im Viertel der Reismüller herrscht reger Betrieb, da der staatliche Stromversorger NEPA derzeit Energie liefert. Vom Vorkochen in großen Blechtonnen bis zum Schälen und Polieren des Reises in kleinen dunklen Mühlen sind alle Arbeitsgänge nachvollziehbar, die zur Herstellung von poliertem Reis nötig sind. Insbesondere das Vorkochen auf Holz mutet archaisch an - das Produkt kann sich aber durchaus sehen lassen.
Ungewöhnliche Lobbyarbeit
Der Generalsekretär der Reismüller, Mohammad Gajere, berichtet von den Schwierigkeiten der letzten Jahre und davon, dass die Reismüller Die Förderung kann Arbeitsplätze schaffen helfenzunächst mit der Bitte an EoPSD herantraten, sie beim gemeinschaftlichen Erwerb einer Maschine zu unterstützen, die etwaige verbleibende Steine aussortieren kann. Nachdem man einen gemeinsamen Workshop veranstaltet hatte, habe sich jedoch herausgestellt, dass die erratische Stromversorgung derzeit das größte Problem darstellt. "Denn ohne Strom laufen die Mühlen nicht und die Produktion kommt völlig zum Erliegen", legt Gajere dar.
Also habe man sich mit EoPSD zusammen getan und erst einmal bei der NEPA antichambriert. "Wir wussten, dass ein ständige Stromversorgung in Nigeria immer noch eine Illusion ist, wenn man kein eigenes Aggregat hat." Aber, freut sich Gajere, "gemeinsam haben wir erreicht, dass die NEPA uns im Voraus informiert, wann sie Strom liefern werden. So können wir die Arbeit wesentlich effizienter planen."
Dieser Erfolg hat die Reismüller ermutigt, weiter zu machen und das Projekt der Sortiermaschine mit neuem Elan und eigenem finanziellen Einsatz anzugehen.
Uwe Kerkow
Fotos: Uwe Kerkow