michael_otto_stiftung_100Hamburg (epo.de). - Die diesjährigen Hamburger Gespräche der Michael Otto Stiftung widmeten sich unter dem Titel "Stadt, Land, Flucht?" der Frage, welche Chancen und Risiken die zunehmende Urbanisierung für die Ökosysteme mit sich bringt. Es war das siebte Symposium der Stiftung zu Themen des Schutzes der Natur und der nachhaltigen Entwicklung. Bei der Veranstaltung am Montag setzten sich Referenten aus Politik, Wirtschaft, Stadtplanung, Naturschutz und Wissenschaft mit potenziellen Lösungsansätzen für Industrie- und Entwicklungsländer auseinander.

In den letzten Jahrzehnten verzeichnet die Welt ein immer stärkeres urbanes Wachstum. In naher Zukunft werden aufgrund der fortschreitenden Landflucht zwei Drittel der Weltbevölkerung in städtischen Großräumen und Megacities leben. Schon heute hat diese Entwicklung schwerwiegende Folgen für Mensch und Natur: Rund eine Milliarde Menschen leben in Slums ohne Zugang zu frischem Trinkwasser, ohne sanitäre Anlagen und ohne Strom. Darüber hinaus sind Städte verantwortlich für 80% des globalen Energiebedarfs und drei Viertel der Treibhausgasemissionen.

Eine nachhaltige Stadtentwicklung wird damit wichtiger denn je. Gleichzeitig werden sich die Bevölkerungsstrukturen in den ländlichen Räumen verändern: in Schwellen- und Entwicklungsländern ebenso wie in Industrieländern wie Deutschland. Beide Entwicklungen, sowohl die zunehmende Urbanisierung als auch die Entleerung ländlicher Räume, führen zu erheblichen Konsequenzen – und bieten Chancen.

Über verschiedene mögliche Lösungsansätze diskutierten Referenten und Plenum des Symposiums. Auch angesichts unterschiedlicher Sichtweisen waren sich alle darin einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht und dass eine nachhaltige Gestaltung und Organisation der urbanen Räume eine Schlüsselrolle für eine zukunftsfähige globale Entwicklung spielt. Dabei ist nur eine globale und gemeinsame Herangehensweise Erfolg versprechend, denn, so erläuterte Michael Otto am Beispiel der bengalischen Metropole Dhaka:

"Dhaka ist global die Nr. 4 unter den Megastädten, solcher Städte also, die über 10 Millionen Einwohner zählen. Über 20 Millionen Menschen leben hier. Und sie leben auf engstem Raum und unter teilweise erbärmlichen Umständen. Ein ungebremster Strom von Zuwanderern aus den unterentwickelten ländlichen Regionen auf der oft verzweifelten Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten überfordert alle Strukturen: Die Verkehrsinfrastruktur, die Energie- und Wasserversorgung, vom Abfallmanagement ganz zu schweigen. Im Ergebnis sehen wir eine Stadt, die von all dem gekennzeichnet ist, was typisch ist für diese schnell wachsenden Megacitys: Ein Großteil der Menschen lebt in Slums, zusammengepfercht in Hütten aus Plastikplanen und Wellpappe, ohne Zugang zu frischem Trinkwasser, ohne sanitäre Anlagen, ohne Strom. Diejenigen, denen es materiell besser geht, müssen sich arrangieren mit einer erbärmlichen Infrastruktur, schlechter medizinischer Versorgung, permanent verstopften Straßen, mit Dreck und Gestank."

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Otto fügte hinzu: "In der globalisierten Welt gilt: Wenn die Bürger von Dhaka ihre Probleme nicht lösen können, werden auch wir langfristig nicht erfolgreich sein. Wir sitzen in einem Boot." Urbanisierung stellt Stadtplaner und Naturschützer in Europa vor ebenso große Herausforderungen wie in Asien oder Afrika.

Prof. Herbert Girardet, Programmdirektor und Mitbegründer des World Future Council, stellte in seiner Vision einer "Regenerativen Stadt" die Verantwortung heraus, welche sowohl die Städte als auch die Städter tragen und die es zu erkennen und anzugehen gilt. Girardet betonte, dass Städte heutzutage nicht mehr nur nachhaltig, sondern vielmehr regenerativ geplant und geführt werden müssten. Das heißt, dass eine Stadt nicht mehr nur effizient mit den gegebenen Ressourcen umgehen und den Kohlendioxidausstoß reduzieren muss, sondern darüber hinaus den Ökosystemen, auf dessen Kosten gelebt wird, aktiv etwas zurückgegeben werden muss. Hier seien nationale, aber insbesondere auch kommunale Politiker, Planer und Architekten und die Stadtbewohner selbst gefragt, langfristige Strategien zu entwickeln.

Foto: Professor Girardet und Dr. Michael Otto (re.) im Gespräch © Michael Otto Stiftung

www.michaelottostiftung.de

Der Autor Frank Kürschner-Pelkmann betreibt die Website "Wasser und Mehr" - www.wasser-und-mehr.de

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