"Es ist 6.00 Uhr in Ouagadougou, die Sonne geht gerade auf über Burkina Faso, die Vögel beginnen zu singen. Die Kinder schlafen noch, aber ich bin hellwach. Ganz Burkina Faso ist hellwach. Ich schreibe Euch heute Morgen, damit Ihr mit uns verfolgt, was gerade in diesem kleinen Land, dem Land der aufrechten Menschen, passiert, denn leider passiert es weitestgehend abseits der deutschen Medienöffentlichkeit. Das wäre wohl anders, hätten wir nur einen einzigen Ebolafall. Bisher haben wir keinen, seid beruhigt. Aber hier bahnt sich nichts weniger als eine Revolution an..."
Mit diesen Worten hat die Landeskoordinatorin von Help in Burkina Faso, Kristina Rauland Yambré (36), die politische Lage am 28. Oktober geschildert. Die gebürtige Frankfurterin arbeitet seit 2009 für Help und ist mit einem Burkiner verheiratet. Sie hat früh auf die sich zuspitzende Situation hingewiesen: "Seit dem 22. Oktober herrscht hier nun Ausnahmezustand. Kundgebungen, spontane Proteste, Straßenblockaden sind an der Tagesordnung. Alles verläuft friedlich. Die Parole der Opposition lautet: ziviler Ungehorsam, aber ohne Gewalt."
Medien in Europa berichten erst, wenn es bereits brennt. Am Donnerstag (30. Oktober) setzen zehntausende Demonstranten in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou das Parlament tatsächlich in Brand und verhinderten damit die Abstimmung, mit der Präsident Blaise Compaore die Verfassung ändern und so seine Wiederwahl ermöglichen wollte. Daraufhin ergriff das Militär die Macht und verhängte eine Ausgangssperre. Der Noch-Präsident erklärte, er werde sich nicht absetzen lassen und habe "verstanden", dass er sich bei den Wahlen im kommenden Jahr nicht erneut zur Wiederwahl stellen solle.
Doch am Freitag fanden erneut Massendemonstrationen in Ouagadougou und in Bobo Dioulasso, der zweitgrößten Stadt des Landes, statt. Wie Radio France International (RFI) berichtete, beharrten viele Demonstranten auf dem Rücktritt des Präsidenten. Die NZZ berichtete, dass nach Angaben der Opposition am Donnerstag mindestens 30 Menschen getötet und 100 weitere verletzt worden waren. Die Polizei habe mit scharfer Munition in die Menge geschossen.
Opposistions-Aktivist Gabriel Kombo sagte RFI: "Ce matin, le mot d’ordre a été lancé pour que les manifestants se rendent place de la révolution à Ouagadougou pour maintenir la pression. Il faut récupérer notre révolution qui est en train de nous être volée. La journée risque d’être encore mouvementée. Et un peu partout sur le territoire national, les jeunes appellent à revenir sur les places publiques pour continuer les manifestations."
http://www.rfi.fr/afrique/2min/20141031-burkina-faso-compaore-insurrection-direct-coup-etat-ouagadougou-constitution-kouame/
Der Präsident Burkinas, Blaise Campaoré, gehörte zu einer Gruppe von Offizieren, die den Diktator des damals Obervolta genannten Landes, Jean-Baptiste Ouédraogo, am 4. August 1983 mit Hilfe Libyens wegputschte. Präsident wurde mit 33 Jahren Thomas Sankara. In Wikipedia steht über Sankara zu lesen:
"Die Luxuslimousinen der vorangegangenen Regierung wurden verkauft und die Minister verpflichtet, den Renault 5, das billigste Auto in Burkina Faso, zum Dienstwagen zu nehmen. In seiner Regierungsmannschaft befanden sich so viele Frauen wie nie zuvor in einem afrikanischen Staat, seine Leibwache bildete eine nur von Frauen gebildete Einheit auf Motorrädern. Sankara richtete außerdem sogenannte Komitees zur Verteidigung der Revolution (CDR) ein. Die Politik war ausgerichtet auf den Kampf gegen Hunger und Korruption, die Verbesserung der Bildungs- und Gesundheitsversorgung sowie auf Wiederaufforstung durch einheimische Bäume, Sträucher und andere Nutzpflanzen, um die Desertifikation, also das Fortschreiten der Wüste, aufzuhalten und sogar umzukehren. Afrikas Grüne Mauer im Sahel geht zum Teil auch auf diese Initiative zurück. Am 4. August 1984, dem ersten Jahrestag der August-Revolution (Révolution d’Août), wurde Obervolta in Burkina Faso (Land der Unbestechlichen/Integren/Gerechten) umbenannt, und das Land gab sich eine neue Nationalflagge und eine neue Nationalhymne. Die Verbesserung des Status der Frauen war erklärtes Ziel von Sankaras Politik. Beispiellos in Westafrika verbot er die Beschneidung von Frauen, verurteilte Polygamie und propagierte Verhütung. Während seiner Amtszeit entstanden erste islamische politische Gruppen bzw. Parteien in Burkina Faso."
Am 15. Oktober 1987 wurde Sankara bei einem Staatsstreich des Militärs unter Führung des noch heute amtierenden Nachfolgers im Amt des Präsidenten, Blaise Compaoré, ermordet. Mit im Boot bei der Verschwörung gegen Sankara waren der amerikanische Geheimdienst CIA und Frankreichs Regierung, die das frankophone Afrika nach wie vor als ihren Hinterhof betrachtet. Sankara wurde für Jugendliche zur politischen Kultfigur, der Ché Guevara Afrikas.
"Keine Unterdrückung währt ewig. Die Tage der 27 Jahre währenden Diktatur von Blaise Comparoré, dem Putschpräsidenten aus Burkina Faso, scheinen gezählt", sagte Niema Movassat, Obmann der Fraktion DIE LINKE im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zu lange haben wir zugeschaut, wie Frankreich und die westliche Staatengemeinschaft Präsident Campaoré als einen ihrer treuesten Verbündeten im neokolonialen Netzwerk der 'Francafrique' gestützt und hofiert haben. Wir müssen verhindern, dass es noch weitere Tote und Verletzte gibt. Die Zeit der milden Apelle, wie zuletzt durch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton geschehen, muss ein Ende haben. Ich appelliere eindringlich, insbesondere an die Regierungen Frankreichs und Deutschlands, alle diplomatische Kanäle zu nutzen, das Regime zu einem schnellen Abdanken zu bewegen. Nun ist es an der Zeit, den Weg des 1987 ermordeten Präsidenten Sankara, der für tatsächliche Unabhängigkeit vom Kolonialismus und Ernährungssouveränität stand und dafür große internationale Anerkennung fand, wieder aufzunehmen."
Mehr Infos:
=> Thomas Sankara :The Upright Man (YouTube)
=> Burkina Faso: Ghost of 'Africa's Che Guevara' (Al Jazeera)
=> Schwarzer Frühling gegen Autokraten (taz)
=> Präsident Compaoré tritt ab (taz)