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Berlin. - Die Weltgemeinschaft hat ihr Versprechen gebrochen, für den Wiederaufbau des Gaza-Streifens zu sorgen, der durch den letztjährigen bewaffneten Konflikt zerstört wurde. "Geberländer" hatten im Oktober vergangenen Jahres bei einer Konferenz in Kairo 3,5 Milliarden US-Dollar für Hilfsmaßnahmen in Aussicht gestellt. 46 Organisationen haben am Montag einen Bericht zur Situation in Gaza herausgegeben und kritisiert, dass bisher kaum etwas von dem Versprechen umgesetzt wurde.

Der unter anderem von Ärzte der Welt, Handicap International, der Heinrich-Böll-Stiftung, medico international und Oxfam herausgegebene Bericht "Charting a New Course: Overcoming the Stalemate in Gaza“ weist nach, dass kein einziges der während der israelischen Militäroperation zerstörten Wohnhäuser wieder aufgebaut wurde. 100.000 Menschen haben nach wie vor kein Obdach und viele müssen in provisorischen Unterkünften oder Schulen leben.

Nur 26,8 Prozent der vor sechs Monaten versprochenen Geldmittel wurden bislang bereitgestellt und Einfuhrbeschränkungen verhindern, dass Hilfsprojekte beginnen können. Für über 81 Prozent der beschädigten Krankenhäuser fehlt die nötige Finanzierung, und wo das Geld bereits zur Verfügung steht, fehlt das für die Reparaturen benötigte Material.

Robert Lindner, Nahostreferent von Oxfam Deutschland sagte dazu: "Die feierlichen Reden auf der Kairoer Geberkonferenz  waren nicht viel mehr als leere Worte. Kaum etwas wurde wieder aufgebaut, kein dauerhafter Waffenstillstand hergestellt und kein funktionierender Plan zur Öffnung der Grenzübergänge für Hilfsgüter und Baumaterialien ausgearbeitet. Die Staatengemeinschaft darf nicht zulassen, dass aus der fortdauernden Not und dem Chaos ein neuer Krieg erwächst."

"Jeder neue Krieg hinterlässt Zerstörung und darüber hinaus explosive Rückstände, die Aufräumarbeiten und Wiederaufbau zusätzlich gefährden. Statt leerer Versprechen ist eine umfassende Unterstützung notwendig, die auch diese Aspekte berücksichtigt und allen Betroffenen zugutekommt" erklärte Susanne Wesemann, Geschäftsführerin von Handicap International Deutschland.

Riad Othman, medico-Repräsentant in Israel und Palästina erklärte, dass Geberstaaten sich nicht länger mit der Blockade Gazas abfinden sollten, sondern ihren politischen Einfluss für deren Beendigung geltend machen sollten. "Sonst haben die dort lebenden 1,8 Millionen Menschen keine Chance, dem Teufelskreis aus Not, Gewalt und Zerstörung zu entkommen. Es muss jetzt alles daran gesetzt werden, die Konfliktursachen zu beseitigen."

René Wildangel, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung Palästina/Jordanien: "Ein Politikwechsel ist notwendig, denn unter der anhaltenden Isolation des Gazastreifens leidet insbesondere die Zivilgesellschaft. Fast 60 Prozent der 1,8 Millionen Einwohner in Gaza sind Kinder und junge Menschen, die weder reisen können noch Jobaussichten haben. Der Gazastreifen braucht dringend Zukunftsperspektiven."

Peter Schwick, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Ärzte der Welt: "Es darf keinen weiteren Krieg in Gaza geben. Kriegsverbrechen und weitere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht dürfen nicht länger straflos bleiben. Sonst macht sich die internationale Gemeinschaft daran mitschuldig, dass immer neue Gewalt ausbricht und alle Bemühungen für Frieden und Entwicklung vergeblich bleiben."

Der Bericht enthält unter anderem folgende Empfehlungen an die internationale Gemeinschaft:

  • Geberstaaten müssen auf der völkerrechtlichen Verpflichtung bestehen, die Grenze nach Gaza für die Lieferung von nötigen Hilfsgütern zu öffnen.
  • Alle Kriegsparteien müssen für begangene Verletzungen des humanitären Völkerrechts zur Rechenschaft gezogen werden. Zu berücksichtigen sind dabei auch Verpflichtungen aus dem globalen Abkommen zur Kontrolle des Waffenhandels (Arms Trade Treaty, ATT). Lieferungen von Waffen und Munition, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit unterschiedslos gegen Zivilisten eingesetzt werden, dürfen demnach nicht getätigt werden.
  • Die Blockade des Gaza-Streifens durch Israel muss beendet werden. Sie erschwert die humanitäre Hilfe und macht die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Gaza so gut wie unmöglich. 80 Prozent der dortigen Bevölkerung sind auf internationale Hilfe angewiesen, 69 Prozent der Jugendlichen sind arbeitslos. Exporte aus Gaza betragen weniger als 2 Prozent des Niveaus vor der Blockade, der Personenverkehr aus und nach Gaza ist praktisch zum Erliegen gekommen.
  • Der Wiederaufbau kam bislang auch mangels palästinensischer Führung nicht gut voran. Die Geberstaaten sollten stärker auf die palästinensische Seite einwirken, den Aufbau effektiver zu koordinieren. Die Situation wird durch die von der israelischen Regierung verhängten Reisebeschränkungen allerdings zusätzlich erschwert.


=> Bericht "Charting a New Course: Overcoming the Stalemate in Gaza“

Foto: © Anas al Baba/ Oxfam

Quelle: oxfam.de


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