Erdbebenschäden in Lalitpur (c) World Vision

Berlin/Kathmandu. - In Nepal ist die Lage nach wie vor angespannt, weiterhin ist es nur eingeschränkt möglich, Hilfsgüter über den teilweise beschädigten Flughafen einzufliegen. Die meisten Menschen übernachten immer noch im Freien, die Angst vor Nachbeben bleibt. Angesichts der schlechten Hygiene-und Sanitär-Infrastruktur wächst die Sorge um Verbreitung von Krankheiten. Am Mittwoch haben Vertreter des Bündnisses Entwicklung Hilft in Berlin und teilweise live über Skype aus Kathmandu über die aktuelle Situation und die Nothilfeeinsätze vor Ort berichtet.

Barabara Zilly, Landeskoordinatorin der Welthungerhilfe in Nepal berichtete über eine ziemlich gute Skype-Verbindung aus Kathmandu: "Hier sind immer noch alle geschockt und haben Angst vor Nachbeben". Am vierten Tag nach dem Erdbeben am Samstag seien aber wieder mehr Menschen unterwegs und es gibt mehr Verkehr, Wassertanker fahren durch die Straßen. Die Stromversorgung mit Backup läuft gut. Auch ohne Erdbeben gibt es in Nepal nur zwölf Stunden Strom am Tag.

Der Flugverkehr sei nach wie vor eingeschränkt, berichtete Zilly, die meisten Flüge bringen Hilfsgüter, noch am Mittwoch wurden elf Transportflüge der Vereinten Nationen erwartet, die unter anderem Planen für Notunterkünfte bringen.

Moni Shrestha, stellvertretende Länderkoordinatorin Nepal terre des hommes erzählte, dass die Hygiene-und Sanitärsituation im Moment mit am dringendsten angegangen werden muss. Nach vier Nächten im Freien bei Regenfällen und schlechten, beziehungsweise keinen Sanitäranlagen besteht ein hohes Risiko für Krankheiten und deren Verbreitung. Neben dem Bau von Notunterkünften stehen für die Mitarbeiterinnen von terre des hommes auch die sozialpsychologische Betreuung der Überlebenden im Vordergrund. Für Kinder soll eine "child-friendly"- Zone eingerichtet werden. Es werde eng mit der Regierung zusammen gearbeitet, sowohl auf regionaler als auch auf lokaler Ebene.

Rainer Brockhaus, Geschäftsführer der Christoffel-Blindenmission und Präsident des Bündnis Entwicklung Hilft erklärte wie wichtig disability mainstreaming im Katastrophenmanagement ist, damit Behinderte nicht vergessen und sich selbst überlassen werden. CBM versucht weiter mit Menschen vor Ort zu arbeiten, die schon vor dem Erdbeben von CBM betreut wurden und wird neuen Verletzte mit der Nach-Betreuung helfen. "Es ist auf jeden Fall noch mehr Hilfe aus dem Ausland nötig", um unter anderem behinderten Menschen, die jetzt auch im Freien leben müssen, zu helfen.

Peter Mucke, Geschäftsführer vom Bündnis Entwicklung Hilft berichtete von einer sehr hohen Spendenbereitschaft in Deutschland. Bis Mittwochmittag wurden bereits über eine Millionen Euro gespendet. Um langfristig die Infrastruktur aufzubauen werde jedoch noch sehr viel mehr Geld benötigt. Mucke erinnerte daran, dass sowohl die kurzfristige Nothilfe, als auch der langfristige Wiederaufbau durch die schwache Regierung, schlechte Bausubstanz und Armut erschwert werde.

Martin Bröckelmann-Simon, Geschäftsführer von Misereor sagte, dass sich die Arbeit vor Ort auf lokale und regionale Netzwerke mit Erfahrung im Katastrophenmanagement stütze. So seien mehrere Teams über Land aus Indien unterwegs um zu Helfen. Bisher gebe es vor allem Versorgungsengpässe, aber keine Personalprobleme. Da der Flughafen in Kathmandu nur über acht Stellplätze verfügt, werde eine Versorgung über den Landweg aus Indien immer wichtiger.

Bröckelmann-Simon mahnte auch davor die Nothilfe zu scharf zu kritisieren, Nepal hatte schon vor dem Erdbeben eine schwache Infrastruktur. Erwartungen müssten deshalb angepasst werden, es gebe den Umständen entsprechend ein großes Maß an Koordinierung. Auch Roswitha Kupke, Südasien - Referatsleiterin von Brot für die Welt betonte, dass viele ländliche Gebiete auch vor dem Erdbeben schwer zu erreichen waren. "Es gibt nur eine große asphaltierte Straße. Die engen Täler sind nur zu Fuß zugänglich". Dörfer müssen über Schotterpisten und Hängebrücken erreicht werden. Kopke vermutete, dass die Gesamtsituation noch lange nicht erfasst ist. Die noch bevorstehende Regenzeit und ein möglicher Ernteausfall, weil die Menschen keine Möglichkeiten zum pflanzen haben, werde die humanitäre Situation in dem Land noch weiter verschärfen.

Alle Vertreter der Mitgliedsorganisationen von Bündnis Entwicklung Hilft kritisierten die "Zwei-Klassen-Hilfe". Dies sei im Kontext des Kastensystems besonders zu beachten. Zuvor war kritisiert worden, dass Bergsteigern auf dem Mount Everest zuerst geholfen wurde. Alle Organisationen versicherten, dass Verteilungsgerechtigkeit im Vordergrund stehe. Allerdings gebe es in Ländern mit extremen Unterschieden zwischen arm und reich immer die Gefahr einer "Zwei-Klassen-Hilfe".

Darüber hinaus hat die Hilfsorganisation Malteser International berichtet, dass derzeit die Situation in Regionen außerhalb der Hauptstadt erkundet werden. In Dhulikhel, der Region um das Epizentrum des Bebens, und Gorkha, südöstlich von Kathmandu, bereiten Experten für Wasser, Hygiene und sanitäre Versorgung, Hilfsmaßnahmen zur medizinischen Versorgung der Betroffenen vor.

Unterdessen behandelt ein Notfallmediziner aus dem Erkundungsteam von Malteser International Patienten an der deutschen Botschaft und am Flughafen von Kathmandu und kümmert sich auch um die sozialpsychologische Betreuung. Er berichtete: "Die Menschen sind schwer traumatisiert. Manche können nicht mal ihren Namen nennen."

Nach Angaben von CARE wurden am Mittwoch erste Nothilfepakete in Gorkha verteilt. Schätzungen zufolge wurden hier etwa 80 Prozent der Häuser beschädigt. "Es ist besonders wichtig, dass wir die von der Außenwelt noch weitgehend abgeschnittenen Gebiete erreichen", so Lex Kassenberg, Länderdirektor von CARE in Nepal. "Bislang ist es noch äußerst schwierig, in die entlegenen Bergregionen zu gelangen. Wir hören Berichte, dass manche der Dörfer dem Erdboden gleichgemacht wurden. Die Menschen brauchen dringend Hilfe. Sie stehen vor den Trümmern ihrer Existenz oder trauen sich aus Angst vor Nachbeben nicht zurück in ihre Häuser. In manchen Gegenden regnet es und ist kalt. Wir brauchen dringend Notunterkünfte."

Die Zahl der Opfer werden vermutlich noch weiter ansteigen, da Rettungsteams in besonders abgelegene Gebiete noch nicht vordringen konnten.

Foto: Erdbebenschäden in Lalitpur (c) World Vision

Quellen: entwicklung-hilft.decare.de | malteser-international.org


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