RWEEssen (epo). - Der Essener RWE-Konzern hat sich entschlossen, sein internationales Wasserengagement auf ein Minimum zu reduzieren. Der Aufsichtsrat beschloss am 4. November 2005, die Tochterunternehmen Thames Water und American Water zu veräußern. Damit geht nach nur einem halben Jahrzehnt der Ausflug des RWE-Konzerns in das globale Wassergeschäft wieder zu Ende. Nachfolgend eine Analyse dieser Entwicklung von Frank Kürschner-Pelkmann.

"RWE räumt mit globalen Illusionen im Versorgungsgeschäft auf", lautete der Titel eines Beitrags in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. November 2005. Von den Erwartungen, als "global player" sprudelnde Gewinne zu machen, ist nichts übrig geblieben, und RWE wird seine Wasser-Tochterunternehmen nur mit Verlust verkaufen können. Als der Konzern Ende der 1990er Jahre ins internationale Wassergeschäft einstieg, prognostizierten Anlage-Analysten, dass mit dem immer knapper werdenden Gut Wasser Milliardengewinne zu machen wären: Wo Knappheit herrscht, winken große Geschäfte. Diese Einschätzung war selbst in den letzten Monaten noch in Artikeln für Kapitalanleger zu lesen. RWE hat auf die teure Art gelernt, dass dies so nicht stimmt.

Aber 1990 war die damalige Konzernleitung euphorisch und erwarb den Londoner Wasserversorger Thames Water zu einem deutlich überhöhten Preis. Die Aktionäre erhielten einen Zuschlag von 43% zum damaligen Aktienkurs von Thames Water. Den Anteilseignern kam dieses Angebot sehr gelegen. Nach mehr als einem Jahrzehnt hoher Gewinne und niedriger Investitionen in das Wasser- und Abwassernetz von London mussten sie nämlich damit rechnen, dass nun hohe Instandhaltungskosten und Investitionen in das marode Netz anfallen würden. RWE hingegen war vor allem an Thames Water interessiert, weil das Unternehmen in 44 Ländern rund um den Globus im Wassergeschäft tätig war. Auf einen Schlag wurde RWE so zum "global player". Außerdem wurde zu einem hohen Preis der US-amerikanische Versorgungskonzern American Water Works erworben.

Wie die französischen Konkurrenten Suez und Veolia musste RWE allerdings in den letzten Jahren erfahren, dass die Gewinne im Wasserbereich nicht so hoch wie erhofft ausfallen, weil die Aufsichtsbehörden den geplanten Erhöhungen der Wasserpreise nur begrenzt zugestimmt haben. Im Süden der Welt kam hinzu, dass es schlicht an Kaufkraft der Bevölkerung fehlte, um die hohen Einnahmeerwartungen der internationalen Konzerne zu erfüllen.

Auch gab und gibt es zwischen Montevideo und Manila massiven Widerstand dagegen, dass die Wasserkonzerne ständig die Preise erhöhen und ihre Leistungen unzureichend bleiben. Dies ist zum Beispiel in Jakarta der Fall, wo Thames Water sich engagiert hat. RWE hat deshalb schon vor Monaten die Entscheidung getroffen, sich aus dem Wassergeschäft in den Ländern des Südens zurückzuziehen. RWE-Chef Harry Roels erklärte im Frühjahr 2005 in einem Interview: "Das internationale Wassergeschäft außerhalb Großbritanniens und der USA ist kein Kerngeschäft mehr. Das werden wir abgeben." Nach der Ankündigung des Verkaufs von Thames Water und American Water erklärte Roels, das Konzept eines weltweiten Wasseranbieters sei "nicht aufgegangen".

Dass nun auch das Wasserengagement in Großbritannien und den USA beendet wird, hat mehrere Gründe. Ein Hauptgrund ist der hohe Investitionsbedarf. London ist dafür ein extremes Beispiel. Die Wasserverluste zwischen Wasserwerk und Wasserhahn sind in den letzten Jahren auf über 30% gewachsen. Das wollen die Aufsichtsbehörden nicht länger hinnehmen und fordern hohe Investitionen des Versorgungsunternehmens ein.

Milliardeninvestitionen sind auch im völlig überalterten Abwassernetz dringend erforderlich. Dies zeigt sich bei jedem stärkeren Regen, wenn die Siele überfließen und große Mengen ungeklärte Abwässer in die Themse fließen. Thames Water muss immer wieder wegen Umweltvergehen vor Gericht erscheinen, es gibt keine Alternative zu Investitionen in die Sanierung der Leitungsnetze, die zum Teil noch aus der Zeit von Königin Victoria stammen.

Aber statt der erhofften 38% Preiserhöhung für die kommenden fünf Jahre wurden Thames Water nur 22% bewilligt. Das hat angesichts des Investitionsbedarfs von etwa fünf Milliarden Euro gravierende Auswirkungen auf die Gewinne. Auch das US-amerikanische Leitungsnetz bedarf großer Investitionen. Gegenwärtig fließen mehr als 40% der RWE-Investitionen in den Wassersektor, der aber nur mit knapp 10% zum Umsatz beiträgt.

Hinzu kommt, dass das früher viel gepriesene "multi-utility"-Konzept sich als große Illusion erwiesen hat. RWE wollte in möglichst vielen Regionen der Welt Elektrizität, Gas, Wasser und andere Dienstleistungen aus einer Hand anbieten und dadurch Kosten sparen. Aber was seit mehr als einem Jahrhundert jedes kommunale Stadtwerk leistet, ließ sich global nicht durchsetzen, weil es RWE nicht gelang, alle Versorgungsbereiche in den gleichen Regionen zu übernehmen. Was übrig blieb, war ein Flickenteppich von Beteiligungen im Gas-, Strom- und Wasserbereich, verteilt über große Teile des Globus.

Als weiterer Faktor kommt hinzu, dass RWE wieder hohe Gewinne im Energiebereich erzielt. Als Ende der 1990er Jahre die europäischen Strom- und Gasmärkte liberalisiert wurden, rechnete RWE in diesen Bereichen wegen härterer Konkurrenz mit sinkenden Erträgen, ein wesentlicher Grund für die Expansion in den Wasserbereich. Aber inzwischen werden im Energiebereich wieder sehr hohe Gewinne erzielt, während der Wasserbereich längerfristig als ertragsschwächer angesehen wird. Der Anlagen-Analyst Matthias Heck von Sal. Oppenheim erklärte am 24. Oktober 2005 in einem Interview zu RWE: "Mittlerweile haben sich die mittel- und langfristigen Aussichten in der Stromerzeugung wieder deutlich verbessert. Insofern ist der Wasserbereich nicht mehr zwingend notwendig für das Versorger-Geschäft".

Der Verkauf der Wasser-Tochterunternehmen hat auch den Vorteil, dass die Verschuldung des RWE-Konzerns weiter sinken wird. Durch viele Zukäufe war sie Anfang der 1990er Jahre auf etwa 24 Milliarden Euro gestiegen. Dank der anschließenden Verkäufe verschiedener Tochterunternehmen wie des Baukonzerns Hochtief ist sie inzwischen auf die Hälfte gesunken. Die geplanten Verkäufe erlauben eine weitere Schuldenabtragung und vermindern damit die Zinslast deutlich.

RWE will zunächst versuchen, Thames Water zu verkaufen, sei es durch einen direkten Verkauf an Investoren oder sei es durch einen Börsengang. Anschließend wird American Water abgestoßen. Bei beiden Verkäufen, die 2007 abgeschlossen sein sollen, ist gegenüber den überhöhten Einkaufspreisen mit Milliardenverlusten zu rechnen. Analysten rechnen mit Erlösen von 12 Milliarden Euro für beide Verkäufe, aber allein der Thames Water-Kauf hatte RWE etwa 11 Milliarden Euro gekostet.

Nicht mit verkauft werden die Beteiligungen von RWE an den Berliner Wasserbetrieben, an zahlreichen deutschen Wasserwerken und Stadtwerken sowie an Wasserwerken im osteuropäischen Raum. Die verbliebenen Wasseraktivitäten werden in RWE Energy integriert.

Den RWE-Aktionären wird versprochen, dass sie an den Verkaufserlösen partizipieren werden. In den kommenden zwei Jahren soll die Ausschüttungsquote des nachhaltigen Nettoergebnisses von 50% auf 70-80% steigen. Die Dividenden steigen also deutlich, und das hat bereits in den letzten Tagen zu einer merklichen Erhöhung des RWE-Kurses geführt.

Allerdings: Es entsteht ein neues Glaubwürdigkeitsproblem. Denn just zu dem Zeitpunkt, wo den Aktionären ein steigender Anteil an den Gewinnen versprochen wird, hat RWE eine Anzeigenkampagne gestartet, in der der Eindruck erweckt wird, unser Wohlstand hänge davon ab, dass RWE hohe Gewinne mache und diese investiere. In einer Anzeige heißt es:

RWE Kampagne

In der Anzeige wird nicht erwähnt, dass die Gewinne des "starken" Unternehmens zu 70-80% an die Aktionäre ausgeschüttet werden sollen, während die Strom- und Gaskunden mit wachsendem Zorn erleben müssen, dass die Preise ständig steigen. In der Anzeige ist von "marktgerechten" Preisen die Rede, und es heißt dann: "Wir sind bereit, dieses Geld zu investieren. Das ist unser Angebot an unsere Kunden sowie an Politik und Wirtschaft. RWE. Für Sie da."

Ob die Aktionäre vergeblich auf ihre hohen Dividenden warten müssen, weil der Konzern alles Geld investiert, oder ob die Kunden hohe Dividenden mit hohen Strom- und Gaspreisen bezahlen, das werden wir in den kommenden Monaten erleben.

Frank Kürschner-Pelkmann arbeitet als freier Journalist in Hamburg und hat u.a. "Das Wasser-Buch" veröffentlicht, das in diesem Herbst im Verlag Otto Lembeck erschienen ist. Weitere Informationen zu globalen Wasserproblemen finden Sie unter http://www.wasser-und-mehr.de/.


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